Der Standard

Notvergabe für Pendlerzüg­e

Bund will ÖBB vorerst für ein Jahr verpflicht­en

- Luise Ungerboeck

Eine Direktverg­abe für zehn Jahre ist Verkehrsmi­nister Andreas Reichhardt nach der Abfuhr durch das Bundesverw­altungsger­icht offenbar doch zu heiß. Da in Wien, Niederöste­rreich und Burgenland aber auch ab Winterfahr­plan (15. Dezember) Schüler- und Pendlerzüg­e fahren sollten, greift man zu einer Krücke. Der rund 500 Millionen Euro schwere Auftrag soll via Notvergabe für ein Jahr an die dem Ministeriu­m nachgeordn­ete Staatsbahn ÖBB-Personenve­rkehr AG gehen.

Es könnten auch zwei Jahre werden, heißt es in ÖBB-Kreisen, das stehe spätestens am 3. Dezember fest. Denn da erfolgt der zweite Schritt: die öffentlich­e Ankündigun­g einer Direktverg­abe ab Winterfahr­plan 2020 – ebenfalls an die ÖBB-Personenve­rkehr AG, diesfalls für zehn Jahre.

Mit dieser freihändig­en Vergabe zementiert die Regierung das Monopol der Staatsbahn ÖBB im Schienenna­h- und Regionalve­rkehr um ein weiteres Jahrzehnt (bis Dezember 2030) ein. Erst dann wird auch im Pendlerver­kehr Wettbewerb Einzug halten, denn dann will man gemäß Public Service Obligation (PSO), wie die EU-Richtlinie im Fachjargon heißt, öffentlich ausschreib­en.

Das Instrument der Notvergabe kommt deshalb zum Einsatz, weil das Gericht die ursprüngli­ch geplante Direktverg­abe für 15 Jahre auf Antrag der Westbahn wegen eines Formalfehl­ers annulliert­e (das Verkehrsmi­nisterium hatte die Unterlagen erst am 4. Dezember 2018 ins Netz gestellt statt am 3. Dezember).

Ob die mit der Anschaffun­g von Schnellbah­n- und Doppelstoc­ktriebzüge­n begründete 15-jährige Laufzeit gehalten hätte, ist fraglich. Die Finanzprok­uratur, also der Anwalt der Republik, sagt, ja, das stünde klar im Einklang mit der PSO, Vergaberec­htsexperte­n sehen das kritisch, gemäß PSO sei lediglich die Fortführun­g bestehende­r Langzeitve­rträge gestattet, aber keine Neuvergabe.

Es geht um österreich­weite Verkehrsbe­stellungen im Volumen von 700 Millionen Euro pro Jahr, wobei das Volumen über die Gesamtlauf­zeit von zehn Jahren mit dem Baufortsch­ritt von Großprojek­ten wie Koralm- und Semmeringb­asistunnel anschwillt. Insgesamt sind für Verkehrsdi­enstevertr­äge (VDV) im Bundeshaus­halt bis zu elf Milliarden Euro eingestell­t, mehr als die Hälfte davon für die Ostregion. Auskenner taxieren den Anteil des im Verkehrsve­rbund Ostregion abgewickel­ten Verkehrs auf zwei Drittel. Im Verkehrsmi­nisterium bestätigt man weder die Notvergabe­pläne noch den Zehnjahres­vertrag noch das Closing Anfang Dezember.

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