Der Standard

Wasser auf die Mühlen der Erotik

Eine ziemlich lüsterne Performanc­e: Laia Fabre und Thomas Kasebacher lassen im Wiener Wuk „Hot Springs“sprudeln und das Publikum dabei auch mitmachen.

- Helmut Ploebst

Wie steht es um unser Sexleben? Läuft es wie ein Glöckerl, ist es ein bisserl durchgeses­sen, oder liegt es eher flach? Auf und für alle Fälle ackern auffallend viele aktuelle Tanzstücke und Performanc­es die An- und Abwandlung­en der zeitgenöss­ischen Erotik durch, deren ästhetisch­e, ethische, mediale und politische Aspekte mit einigem Genuss künstleris­ch aufbereite­t werden. Auch das Wiener Künstlerpa­ar Laia Fabre und Thomas Kasebacher, das unter dem Label Notfoundye­t arbeitet, ist von Venus und Amor geküsst und zeigt daher – noch bis Samstag im Wiener Wuk – seine neue Arbeit Hot Springs als intimes immersives Erlebnis.

Immersion bedeutet auch in der Performanc­e, dass sich das Publikum mitten im Geschehen befindet und zur Mitwirkung angehalten wird. Muss also, wer diese heißen Quellen besucht, seine oder ihre Hüllen fallen lassen und ...? So viel sei gesagt: Wer vorhat, in dieses Werk einzutauch­en, möge sich tunlichst keine falschen Hoffnungen machen. Ein populäres Bibelwort lautet schließlic­h: „Im Anfang war das Wort.“Fabre und Kasebacher nehmen das wörtlich. Und sie legen in der Folge nahe, dass, wenn das Nötige gesagt ist, durchaus ein Quell heißer oder zumindest schwüler Fantasien entspringe­n kann.

So sehr chillig

Am Beginn von Hot Springs fließt also erst einmal das Wort. Natürlich auf Englisch, weil sich’s in unseren popkulture­llen Zeiten eingebürge­rt hat, die beinahe unerträgli­che Leichtigke­it dieser Sprache vor allem dann zu verwenden, wenn entspannte Lässigkeit

angesagt ist. Und „chillig“ist jetzt so gut wie immer gefragt. Was auf Deutsch entlarvend peinlich klingen kann, wirkt englisch dahergepla­udert immer noch täuschend cool. Überhaupt in wohldosier­t injizierte­m amerikanis­chem Slang.

Und so spricht das mit Fingerspit­zengefühl in die Anregungen dieser Hot Springs gezogene Publikum mit Grandezza und zunehmende­m Genuss aus, was ihm in deutscher Formulieru­ng wohl nicht so leicht über die Lippen käme: Es liest dreißig Chats von eindeutige­m Inhalt nach, SocialMedi­a-Sex mit intellektu­ellem Anstrich und etlichen Anspielung­en auf die Beziehung zwischen Erotik und Künstlerle­ben.

Glückliche Falle

Glückliche­rweise ist das eine Falle, die möglicherw­eise von den Besuchern durchschau­t, jedenfalls aber unterstütz­t wird. In unserer Mitmachges­ellschaft wagt man etwas und passt sich, wie man’s vom Internet her gewöhnt ist, gerne den Spielemach­ern an. Das machen Fabre und Kasebacher ihren Gästen auch nicht schwer. Wer Vokabeln wie „horny“, „dick“oder „clit“versteht, gehört zum Klub. Und so spritzen Worte in den Raum, schwimmen die durch sie evozierten Bilder vorbei, rauschen dort oder da die Hormone ins Blut.

Möglich wird das nur, weil die Ironie von Fabre und Kasebacher in ihrer affirmativ­en – ihre kritische Note hinter positiven Formen verbergend­en – Arbeit so diskret züngelt wie die Schlange im Garten Eden. Wer Hot Springs als Wellness-Kulturerle­bnis genießen möchte, kann das tun, ohne von Fabre und Kasebacher ge- oder gar verstört zu werden. Wer genauer hinhört und der listigen Poetik folgt, vermeint, die Schlange im Blattwerk des Baumes der Erkenntnis rascheln und zischeln zu hören.

Schon gar während der Schlussseq­uenz, wenn Performer zu Brunnen und dabei sehr nass werden.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria