Der Standard

Ein Befreiungs­schlag

- Birgit Baumann

Es war eine Ansage ohne Anlauf. Vollkommen überrasche­nd bot CDU-Vorsitzend­e Annegret KrampKarre­nbauer, die seit ihrem Amtsantrit­t viel Kritik hatte einstecken müssen, am Parteitag ihren Rücktritt an.

Wenn ich euch nicht passe, dann könne man das hier und jetzt und heute beenden, sagte sie – und setzte damit alles auf eine Karte. Doch ihr Plan ging auf: Die überrumpel­ten Delegierte­n ließen sich zum Schwur zwingen und stellten sich lautstark applaudier­end hinter AKK.

Ein kluger Schachzug war das – ein Befreiungs­schlag einer Politikeri­n, die damit auch zeigte, dass man ihren Machtanspr­uch nicht unterschät­zen sollte. Widersache­r Friedrich Merz konnte danach nur beidrehen und seine Loyalität versichern.

Allerdings hat Kramp-Karrenbaue­r in Leipzig zwar eine Schlacht gewonnen, aber noch lange nicht den Wettlauf ins Kanzleramt. Sie kann jetzt einmal durchatmen, die vielen Fallstrick­e jedoch sind nicht weniger geworden.

Der CDU laufen die Wählerinne­n und Wähler davon, die Stimmung in der großen Koalition ist schlecht, die Unzufriede­nheit in der Partei verschwind­et nicht einfach. Und im Kanzleramt sitzt Angela Merkel, die nicht weichen will.

Mit ihrem Manöver hat sich Kramp-Karrenbaue­r Beinfreihe­it verschafft. Aber sie muss diese jetzt auch nutzen. Und sie wird wissen: Eine Rücktritts­drohung als Druckmitte­l kann man nur ein einziges Mal einsetzen.

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