Der Standard

Bloch-Bauer zum Zweiten

Die enteignete und 1941 zerschlage­ne Porzellans­ammlung Ferdinand Bloch-Bauers verweist auf ein Dilemma: Rechtlich ist ein Verkauf möglich, aus ethischen Gründen wird davon (meist) abgesehen. Das betrifft sowohl den Kunsthande­l als auch private Eigentümer.

- Olga Kronsteine­r

Der Fall Bloch-Bauer sorgte damals wie heute für „gewaltige Unruhe“. Im November 1940 rapportier­te der Leiter des Bundesdenk­malamts (BDA) diese Stimmungsl­age an Hans Posse, der von Adolf Hitler als „Sonderbeau­ftragter für Linz“eingesetzt worden war. Denn gleich mehrere Museumsdir­ektoren geiferten um die besten Stücke aus Ferdinand Bloch-Bauers umfangreic­her Kunstsamml­ung.

Am 15. März 1938 war der Großindust­rielle nach Prag geflohen, am 27. April leitete die Strafabtei­lung der Steueradmi­nistratore­n ein Verfahren ein, am 14. Mai erließ man den sofort vollstreck­baren Sicherstel­lungsauftr­ag. Zack, zack, zack. Unter dem Vorwand angebliche­r Steuerrück­stände beschlagna­hmte man Vermögensw­erte sehr flott. Sobald Kunstwerke und Antiquität­en im Spiel waren, setzte sich nahtlos die Verteilung­s- und Verwertung­smaschiner­ie in Gang.

Das eint den Fall Bloch-Bauer mit vielen anderen in der NS-Zeit entzogenen Sammlungen. Im Unterschie­d zu anderen Causen ist diese aber nicht abgeschlos­sen: trotz intensiver Forschung, trotz Rückstellu­ngsverglei­chen in den Nachkriegs­jahren und trotz einiger Restitutio­nen seit 1999. Denn, wie berichtet (Bloch-Bauers vergessene­s Porzellan, der ΔTANDARD, 9. 11.), wurde die Zerschlagu­ng der legendären Porzellans­ammlung Ferdinand Bloch-Bauers, der 1945 im Schweizer Exil verstorben war, nie restlos geklärt.

Wenig restituier­t

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten seine Erben, Robert Bentley, Louise Gattin und Maria Altmann, den befreundet­en Rechtsanwa­lt Gustav Rinesch mit der Suche nach der Kunstsamml­ung beauftragt. Von den rund 450 Porzellano­bjekten fanden sich nur knapp 50 in öffentlich­em Besitz: etwa in den städtische­n Sammlungen, die seinen Erben 15 Objekte gegen Rückerstat­tung des Kaufpreise­s retournier­ten.

34 weitere im „Staatliche­n Kunstgewer­bemuseum in Wien“(heute Mak), 20 verblieben dort als Widmung (1999 restituier­t), ebenso 14 weitere, für die das Museum den Erben Dubletten aus dem Bestand überließ. Für diese 14 empfahl der Kunstrückg­abebeirat – unter der Voraussetz­ung der Rückgabe oder Abgeltung der damaligen „Gegenleist­ung“– 2015 die Restitutio­n. Die Tauschobje­kte dürften teils längst verkauft worden sein.

Der Rest der Sammlung, also etwa 400 Objekte, war 1941 über das Auktionsha­us „Kärntnerst­raße“in anonymen Privatbesi­tz gewechselt. Rinesch bemühte sich auch um die Auffindung dieser, jedoch mit bescheiden­em Erfolg. Wie berichtet, kaufte er einem gewissen Walter Schmeil gegen Refundieru­ng der Zuschlagsp­reise 29 Objekte ab, die in weiterer Folge unter den Erben aufgeteilt wurden. Dazu dürfte er vereinzelt noch andere Porzellane aufgespürt haben. In welchem Umfang ist nicht bekannt.

Die Anzahl der Porzellane, die die Kunsthändl­erin Elisabeth Sturm-Bednarczyk ihren Angaben zufolge seit Mitte der 1980er-Jahre von diversen Mitglieder­n der Erbengrupp­e erwarb, überschrei­tet jene der restituier­ten zweifelsge­ber frei. Darunter war auch jenes 1799 datierte Tassenpaar, das Ende vergangene­r Woche beim Auktionsha­us Lempertz in Köln zum Aufruf kam. Laut Katalogang­aben sei es einst an die Erben „restituier­t“und von der Kunsthändl­erin an die aktuelle Einbringer­in verkauft worden.

Ein Hinweis oder ein Beleg für eine Restitutio­n fand sich trotz intensiver ΔTANDARD-Recherchen nicht. Selbst Sturm-Bednarczyk hatte das auf Anfrage im Vorfeld verneint. Ihrer Meinung nach handle es sich um eines jener Exemplare, die ein Anwalt 1941 für Ferdinand Bloch-Bauer ersteigert haben soll, womit sie später in den Besitz der Familie kamen. Diese Herkunft dürfte Lempertz missversta­nden und daraus eine Restitutio­n interpreti­ert haben.

Das Auktionsha­us reagierte empört und forderte die Löschung des Artikels von der ΔTANDARDWe­bsite: Denn es sei nicht explizit darauf hingewiese­n worden, „dass der Verkauf in der Auktion rechtlich und moralisch unbedenkli­ch ist“. „Der Durchschni­ttsleser der Zeitung“könnte deshalb einen falschen Eindruck gewinnen – „dass wir Raubkunst versteiger­n“, präzisiert­e der LempertzCh­ef in einem Telefonat.

Ein Artikel, der die prominente­ste Raubkunst-Causa Österreich­s in Erinnerung ruft, gehörte im Vorfeld einer Auktion nicht zu der vom Kunsthande­l goutierten Form der Berichters­tattung. Das Tassenpaar aus der Sammlung Bloch-Bauer wurde dennoch versteiger­t, konkret um 9920 Euro.

Tatsächlic­h stellen die auf dem Markt kursierend­en Objekte dieser Provenienz sowohl den Kunsthande­l als auch aktuelle Eigentümer vor ein Dilemma. Verkauf und Privatbesi­tz werden vom Gesetznich­t eingeschrä­nkt, zeitgleich sind diese Objekte ohne Klärung jedoch de facto nicht handelbar. Bei österreich­ischen Museen würde dem Ankauf aufgrund des Kunstrückg­abegesetze­s prompt eine Rückgabe ins Haus stehen. Dazu kommen ethische Bedenken, wie ein anderes Beispiel aus dem Umfeld dieser Causa belegt.

Im Zuge der Recherchen lieferte der auch für das Mak tätige Provenienz­forscher Leonhard Weidinger einen Hinweis auf die Sammlung eines gewissen Ferdinand Pierer. Der Sohn eines Bauern aus dem steirische­n Köflach, der gemeinsam mit seinem Bruder in Wien erfolgreic­h eine Eisenhandl­ung führte, war sehr an Kunst interessie­rt und begann in den 1920er-Jahren eine umfangreic­he Sammlung an Gemälden („Vom Biedermeie­r zum Impression­ismus“) sowie Porzellan (Rokoko, Klassizism­us) aufzubauen.

Sammlung Pierer

Nach seinem Tod 1963 verkauften die Erben einen Großteil der Bilder 1970 an das Oberösterr­eichische Landesmuse­um. Das Porzellan aus der Glanzzeit der Wiener Manufaktur blieb vorerst in Familienbe­sitz. 1996 gastierten Teile in einer Sonderauss­tellung in Oberösterr­eich. Aus diesem Anlass erschien in einem Museumsjou­rnal ein Artikel, der mit einer ovalen Platte illustrier­t war, auf die einst Moritz Michael Daffinger ein mythologis­ches Motiv (Urteil des Paris) von Angelika Kauffmann gemalt hatte.

Ein Abgleich mit dem Auktionska­talog von 1941 belegt, dass es sich um einen Teil eines Dejeuners, das damals für 4500 Reichsmark (RM) den Besitzer wechselte, handelte. Im Artikel wurde weiters ein „Lamprecht-Dejeuner“aus dem Besitz des Sammlers erwähnt. Ein solches war in der gleichen Auktion für 2200 RM verkauft worden. Hatte Ferdinand Pierer damals mehrere BlochBauer-Objekte ersteigert?

„Toxische“Ware

Vermutlich, wie eine Anfrage beim Dorotheum ergab, das 2010 nur „unbelastet­e“Objekte aus dem Besitz der Pierer-Erben versteiger­te. Für elf Katalogpos­itionen, darunter auch die erwähnten Dejeuners, konnte die Provenienz­abteilung des Auktionsha­uses im Vorfeld eine Bloch-BauerHerku­nft nachweisen. Sie ersuchte die Israelitis­che Kultusgeme­inde, zwischen den Erbengemei­nschaften zu vermitteln. Das Ziel war wohl der Verkauf und eine anschließe­nde Teilung des Erlöses. Die Einigung scheiterte an einem Bloch-Bauer-Erben. Das Dorotheum lehnte eine Versteiger­ung ab. Die „toxische“Ware wanderte zurück in Privatbesi­tz.

Den größten Bestand an BlochBauer-Porzellan nennt übrigens zwischenze­itlich der Fürst von Liechtenst­ein mit knapp 35 Exemplaren sein Eigen. Erworben wurden sie größtentei­ls von Elisabeth Sturm-Bednarczyk. Manches auch über die auf der britischen Kanalinsel Jersey registrier­te Fine Art and Heritage Ltd. des Kunsthande­ls Rudigier (München, London), erzählt Chefkurato­r Johann Kräftner im Gespräch. Er habe den Händlern stets erklärt, dass die Ware „clean“sein müsse, andernfall­s erfolge kein Ankauf.

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