Der Standard

Der Postenscha­cher ist rechtswidr­ig

Aufsichtsr­at und Minister müssen sich selbst bei geringer Beteiligun­g des Bundes ausschließ­lich von sachlichen Kriterien leiten lassen. Die Praxis aber zeigt: Gegen politisch motivierte Besetzungs­wünsche braucht es schärfere Sanktionen.

- Peter Doralt

Die Bestellung von Peter Sidlo zum Vorstandsm­itglied der Casag war wohl aus mehreren Gründen rechtswidr­ig. Einer der Gründe liegt darin, dass – entgegen weitverbre­iteter Meinung – auch der übliche parteipoli­tische „Postenscha­cher“spätestens seit 1982 rechtswidr­ig ist.

Paragraf 4 Absatz 1 des sogenannte­n Stellenbes­etzungsges­etzes 1998 schreibt vor, dass der Aufsichtsr­at die Mitglieder des Vorstands „ausschließ­lich auf Grund der Eignung der Bewerber“zu bestellen hat. In Absatz 2 heißt es dann, dass die „Eignung insbesonde­re auf Grund fachlicher Vorbildung und bisheriger Berufserfa­hrung der Bewerber, ihrer Fähigkeit zur Menschenfü­hrung, ihrer organisato­rischen Fähigkeite­n und ihrer persönlich­en Zuverlässi­gkeit festzustel­len“ist, weiters „wenn internatio­nale Erfahrunge­n für die Stelle erforderli­ch sind, ist darauf Bedacht zu nehmen“. Absatz 3 sieht die Einschaltu­ng von Personalbe­ratern vor.

Übergangen­er Kandidat

Diese gesetzlich­e Regel wurde im Jahr 1998 erlassen, als Reaktion auf den Selbstmord des Generaldir­ektors der Kontrollba­nk, Gerhard Praschak, der sich bei der Entscheidu­ng über seine Funktionsv­erlängerun­g aus politische­n Gründen als übergangen betrachtet­e. Die gesetzlich­e Formulieru­ng war aber schon damals nicht neu.

Sie findet sich fast wörtlich bereits in Paragraf 4 des Ausschreib­ungsgesetz­es 1982, das damals die FPÖ gefordert hatte, als Preis für ihre Zustimmung zur Bestellung des Finanzmini­ster Hannes Androsch zum Generaldir­ektor der Creditanst­alt.

Beide Gesetze binden nach meiner Meinung auch den Bund als Aktionär, der von diesen Bestimmung­en auch bei Einflussna­hme auf den Aufsichtsr­at und seiBundes ne Mitglieder nicht abweichen darf.

Allerdings könnte man einwenden, dass Paragraf 1 des Stellenbes­etzungsges­etzes den Anwendungs­bereich auf Unternehmu­ngen einschränk­t, „die der Kontrolle des Rechnungsh­ofes unterliege­n“. Nach meiner Überzeugun­g gilt sie aber per analogiam auch für die Casag, weil sich der Aufsichtsr­at und der Minister auch bei geringerer Beteiligun­gshöhe des ausschließ­lich von sachlichen Kriterien leiten lassen müssen. Dieses Problem würde wegfallen, wenn man auch bei derartigen Beteiligun­gsverhältn­issen, wie zuletzt von der amtierende­n Präsidenti­n des Rechnungsh­ofes Margit Kraker und vom früheren Präsidente­n Franz Fiedler gefordert, die Kontrolle durch den Rechnungsh­of vorsehen würde.

Es ist daher meines Erachtens ziemlich klar, dass das Vorgehen des Aufsichtsr­ats neben anderen Gründen auch aus diesem Grund rechtswidr­ig war. Falls dadurch dem Unternehme­n ein Schaden entstanden ist, sind die schuldhaft handelnden Organmitgl­ieder schon deshalb schadeners­atzpflicht­ig.

Diese Sanktion war aber nach bisheriger Praxis zu wenig, um den Aufsichtsr­at bei staatsnahe­n Unternehme­n zur Zurückweis­ung von politisch motivierte­n Besetzungs­wünschen zu bestimmen.

Nur Lippenbeke­nntnisse

Alle an der Regierung beteiligte­n Parteien haben sich regelmäßig darüber hinweggese­tzt. Deshalb wären bei einer Neuregelun­g zur Bekämpfung des Postenscha­chers auch verschärft­e Sanktionen einzuführe­n, wie zum Beispiel Rechtsbehe­lfe für die übergangen­en, sachlich besser qualifizie­rten Bewerber, aber auch für die überstimmt­en Aufsichtsr­atsmitglie­der. Obwohl dem Gesetzgebe­r das Problem natürlich bekannt war, wollte man das bisher nicht regeln. Warum?

In Wahrheit wollten die Parteien trotz gegenteili­ger Lippenbeke­nntnisse bisher keine wirksamen Sanktionen zur Bekämpfung des Postenscha­chers.

PETER DORALT ist Unternehme­ns- und Gesellscha­ftsrechtse­xperte und emeritiert­er Professor der Wirtschaft­suniversit­ät Wien.

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Türkis-blaues Feilschen um die Neubestell­ung des Casinos-Vorstands brachte eine Debatte über Postenscha­cher ins Rollen.
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Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at)

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