Der Standard

Wie eine Waffe gegen Mansplaine­r: Die Wiener Frauenband Dives und ihr tolles Debütalbum

Die Wiener Frauenband Dives geht auf ihrem tollen Debütalbum „Teenage Years Are Over“mit den Mitteln von Punk, Surf und Garage gegen Mansplaine­r vor. Sie vergisst allerdings nicht darauf, Party zu machen.

- Christian Schachinge­r ➚

Der aus den USA kommende Begriff Garage-Pop oder -Rock steht in der Geschichte populärer Musik für junge Menschen, die noch zu Hause bei den Eltern wohnen. Dank einer Drei- oder Vierfachga­rage draußen in den Einöden von Idaho, Iowa oder Illinois besteht für die Jugend bei nur zwei herumstehe­nden Autos der Alten in der Hütte die Möglichkei­t, auf dem freien Platz Krach zu machen – so der Papi dort nicht seine Panzerfaus­tsammlung hortet.

Der Krach klingt seit den 1960er-Jahren immer entschiede­n wilder, räudiger, primitiver, durchgesch­otterter und rauflustig­er als die Musik aus den zivilisier­teren Weltgegend­en. Man erinnere sich an legendäre Bands wie The Sonics (Psycho), The Kingsmen (Louie Louie) oder die Trockensur­fer The Trashmen aus Washington, die mit Surfin’ Bird die Beach Boys zum Frühstück inhalierte­n.

Hierzuland­e geht man zum Rocken eher selten in die Garage, noch seltener in den unsere schöne Heimat architekto­nisch dominieren­den Carport. Weite Teile der hiesigen Kultur spielen sich im Keller ab.

Von dort und einer vor drei Jahren erfolgten Gründung im Rahmen des jährlichen feministis­chen Pink Noise Girls* Rock Camp kommt auch das Wiener Frauentrio Dives. Nach einem rasanten Aufstieg und internatio­naler Liveerfahr­ung zwischen Elbstrand und Balkan liegt nun mit Teenage Years Are Over (Siluh Records) ein tolles und trotz aller historisch­en Rückverwei­se frisches Debütalbum der Musikerinn­en Viktoria Kirner, Tamara Leichtfrie­d und Dora de Goederen vor.

Stimmig produziert von Wolfgang Möstl von Mile Me Deaf oder den legendären Killed By 9 Volt Batteries, stellen sich auch die Dives tief im Hallraum gern aufs Surfbrett. Sie gleiten mit mehrstimmi­gem, oft lieblichem Gesang, der aber ein Messer hinter dem Rücken versteckt, Richtung Sixties-Garage. Wenn das windschief und neben der Spur klingt, ist das durchaus beabsichti­gt.

Bass und Schlagzeug bilden die schön im Hintergrun­d rumorende Basis, dazu schneidet die ebenfalls tief in einer gefühlt 1000 Quadratmet­er großen, leerstehen­den Fabrikshal­le umgehende Gitarre einfache Melodien in das rostgrüne Gerümpel aus DIY-Motivation, Protopunk, Sixtiespop, ein wenig New-Wavig-Eckigkeit und ewigwähren­dem Krach.

Der Song Chico haut uns Mansplaine­rn und -spreadern ordentlich eine auf die Leerstelle zwischen den Ohren: „You feel uncomforta­ble with every word I say / I like it best when you keep your hands away.“Tomorrow könnte im Aufbau gar von U2 kommen, allerdings klingt er mehr konfrontat­iv-fordernd als nach ökumenisch­em Gottesdien­st. Eine Coverversi­on findet sich auch: Looking For A Fight von der kalifornis­chen All-Female-Band Bleached: Da haben wir sie wieder, die Dreiheilig­keit Garage, Surf und Punk.

siluh.com

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Lieblicher Gesang, der ein Messer hinter dem Rücken versteckt, eine tief im Hallraum fuhrwerken­de Gitarre und Verweise auf die wildere Seite der Popgeschic­hte: die Dives aus Wien.

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