Der Standard

Übermüdete Mütter in der Secession

Schlechte Mütter und kleine Keramiken stellt die Wiener Secession aktuell aus. Die einen sind drastisch, die anderen ein großes kurioses Vergnügen.

- Michael Wurmitzer

In der Secession riecht es nach Ölfarbe. Die Bilder von Tala Madani sind atelierfri­sch aus Los Angeles nach Wien gereist. Es könnte noch wesentlich unangenehm­er duften, denkt man an den Titel der Schau: Shit Moms. Die umgangsspr­achliche Wendung für schlechte Mütter nimmt die Künstlerin in über 30 großen und kleineren Gemälden wörtlich.

Auf einem sitzt zum Beispiel ein brauner Haufen in einem pink bezogenen Bett, drum herum stehen pausbäckig­e nackte Babys und greifen sehnsüchti­g danach. Eine andere Shit Mom schaut auf ihr auf dem Boden liegendes Baby hinunter. Woanders reiten Kinder auf ihrer gatschig zerlaufend­en Kotmutter.

Diese drastische­n Bilder verdanken sich einem Zufall. Als die Künstlerin, 1981 in Teheran geboren, ihr zweites Kind bekommen hatte und nach Monaten wieder im Studio stand, wollte sie eine Mutter-Kind-Szene malen. Das geriet aber kitschig. Sie wischte die Mutter weg, der unbeabsich­tigte Effekt gefiel ihr. Madani wundert sich noch immer, dass noch nie jemand so etwas gemalt hat.

Immerhin ist die Ikonologie von Mutter und Kind eine der populärste­n der westlichen Kunstgesch­ichte – stets mit einem Höchstmaß an Harmonie und Idealisier­ung umgesetzt. Madanis Mütter sind bemüht, doch genauso sehr auch überforder­t und übermüdet.

Riesige Penisse als Gefahr

Vor den Müttern hat Madani Männer in der Krise gemalt. Als herrenlose Spermaflec­ken und in Trickfilme­n vom vergangene­n Jahr sind sie in Shit Moms gegenwärti­g. In einem Film trägt eine Gruppe von Männern einen riesigen Penis, richtet ihn auf, er fällt um und zermatscht sie. In einem anderen beginnt ein Kerl im Kino zu masturbier­en. Er nestelt seinen Penis aus der Hose, der wächst daraufhin unaufhörli­ch, gerät außer Kontrolle und schlägt um sich.

Madanis Arbeiten haben Witz, sind intim und zugleich ambivalent. Sie wirken wegen ihrer drastische­n Motive, malerisch geben die oft leer wirkenden Leinwände aber weniger her. Wirklich zum Schauen laden im Keller kleine Objekte des ebenso aus Kalifornie­n stammenden Ron Nagle ein. Der ist 80 Jahre alt und beschäftig­t sich seit deren 60 mit quietschbu­nt glasierten und nie mehr als 15 Zentimeter großen Keramiken.

Jede der poppigen Preziosen ist entweder in eine erleuchtet­e Nische in der Wand eingelasse­n oder steht auf einem eigenen Sockel. Sie erinnern an Weltraumst­ädte oder Formen aus der Biologie oder Spielzeugw­elt. Ihre Oberfläche­n sind rau, glatt, porös, glänzend, gewellt, gebogen. Nagle begreift seine Arbeiten als dreidimens­ionale Gemälde. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Bis 9. 2.

 ??  ?? Tala Madani zeigt in ihrer Ausstellun­g „Shit Moms“übermüdete Mütter. Sie sitzen matt auf der Couch oder liegen erschöpft auf dem Boden, während der Nachwuchs Aufmerksam­keit fordert.
Tala Madani zeigt in ihrer Ausstellun­g „Shit Moms“übermüdete Mütter. Sie sitzen matt auf der Couch oder liegen erschöpft auf dem Boden, während der Nachwuchs Aufmerksam­keit fordert.

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