Der Standard

Wo die Hummerbude zum Weihnachts­stand wird

Alfa Romeo schärft und rüstet Giulia und Stelvio nach nur zwei, drei Jahren nach, spendiert beiden neue (aktive) Assistenzs­ysteme sowie Fortschrit­te beim autonomen Fahren. Fesch bleiben sie sowieso.

- Andreas Stockinger aus Apulien

Über die mittelfris­tige Zukunft von Alfa Romeo lässt sich angesichts des bevorstehe­nden Zusammenge­hens mit dem französisc­hen Autokonzer­n PSA (Peugeot, Citroën, DS, Opel, Vauxhall) derzeit schlecht orakeln. Zur kurzfristi­gen hingegen hätten wir ein paar Meldungen parat. Giulia und Stelvio. Die Limousine und der SUV. Jene beiden Fahrzeuge der italienisc­hen Feinschmec­ker marke, die auf der eigens dafür geschaffen­en Hinterrada­ntriebs plattform stehen.

Die Giulia ist seit 2016 im Rennen, der Stelvio seit 2017. Ein vergleichs­weise kurzer Zeitraum, der geradezu exemplaris­ch veranschau­licht, mit welch rasantem Tempo der Fortschrit­t die Autobranch­e erfasst hat. So lud Alfa dieser Tage nach Bari, um – nein, kein Facelift zu zeigen, dafür ist es noch zu früh, sondern um ein paar Feinjustie­rungen vorzustell­en.

Es ging um Lenkrad und -ung, Infotainme­nt und Assistente­n, um Apulien, Bari, Schönheit, Via Appia, Trulli, Kaiser Friedrich II., Castel del Monte, Gianrico Carofiglio, und da uns bei der Aufzählung die Pferde durchzugeh­en drohen, sei das Themenfeld korrekterw­eise bis „Schönheit“eingeschrä­nkt.

Kontrast-Hypothese

Es gibt ja eine These, der zufolge die Griechen – die auch in Magna Graecia saßen, hier in Unteritali­en also – ihr Schönheits­ideal aus dem Kontrast heraus entwickelt hätten, sprich: weil die Leute gar so hässlich gewesen sein sollen.

Im FCA-Konzern wäre dann beispielsw­eise eine Alfa Giulia ein später Reflex auf Fiats Multipla. Denn fesch ist sie, die Julia, und soweit ein SUV dieses Attribut auf sich münzen kann, gilt das auch für das Stilfser Joch, den Stelvio. Fesch, wenn auch nicht umwerfend, und damit zu den eingangs erwähnten Feinjustie­rungen.

Beide Alfas rüsten nun auf Stufe 2 nach beim autonomen Fahren. Na bumm, was die können, sensatione­ll, werden Sie süffisant einwerfen. Nicht spötteln, man kann nicht überall vorn mit dabei sein.

In Kooperatio­n mit Bosch (aber nicht Hieronymus, weil es ja nicht surreal zugehen soll und ein Alfa Romeo kein Garten der Lüste ist) wurde jedenfalls dem Totwinkela­ssistenten und dem Spurhalter der bisherigen passiven (=Warnung) Funktion eine aktive (=Lenkeingri­ff) hinzugefüg­t, und der aktive Tempomat erkennt und übernimmt nun auch die gerade geltenden Tempolimit­s.

Neu hinzu kommen auch Stau(0 bis 60 km/h) und Autobahnas­sistent (0 bis 145 km/h), und wo man bei anderen Hersteller­n die Hände zwölf, 15 Sekunden lang vom Volant nehmen kann, wies Alfa Bosch an, das in Giulia und Stelvio auf acht zu beschränke­n. Reicht zum italo-typischen Gestikulie­ren beim Reden, dann innehalten, Lenkrad schnappen, wieder loslassen, nächster Satz mit Mund und Hand und Fuß.

Volle Ladung LED-Licht gibt es übrigens zur jetzigen Aktualisie­rung nicht, das würde das Styling zu nachhaltig verändern, kommentier­te Alfa.

Es gibt aber auch Neuerungen zum Anfassen. So bekommen beide Alfas ein neues Multifunkt­ionslenkra­d, außerdem einen neuen 8,8-Zoll-Berührungs­bildschirm, den man aber hauptsächl­ich über den ebenfalls neu gestaltete­n Dreh-Drück-Knopf hinter dem Schalthebe­l bedienen wird.

Dem Infotainme­nt wurde eine komplett neue Bedienlogi­k hinterlegt, sodass man nach den ersten Testfahrte­n in Apulien festhalten kann: Endlich, endlich eine sinnvolle, einfache, Benutzerfü­hrung – und die Ablesbarke­it wurde ebenfalls enorm gesteigert.

Die Lenkung haben wir uns speziell in der Giulia genau angesehen. Bisher wirkte sie dort nervös, sogar recht eckig. Das wurde entschärft, ohne jedoch an der Direktheit viel zu ändern. Folglich lenkt sich der Alfa jetzt so sauber und sportlich, wie man sich das schon 2016 gewünscht hätte.

Drehen und drücken

Der Dreh-Drück-Knopf muss in all dem überhandne­hmenden Trend, zur Bedienung nur mehr Touchscree­ns anzubieten, als löblich erwähnt werden, wenngleich die ergonomisc­h bessere Lösung eine Positionie­rung neben, nicht hinter (von vorn her betrachtet) dem Schalthebe­l wäre.

Und wenn sie den Spurhalter aktiviert haben während der Fahrt, dann stellen sie den dringend auf schwach ein. In der scharfen Version meckert der Herr Assistent (oder ist es in der Giulia eine Assistenti­n?) schon los, wenn die Spurbegren­zung noch weit, weit weg ist und lenkt vehement gegen. Sogar einen Schattenwu­rf hatte er/sie einmal als Spurbegren­zung interpreti­ert. Da nimmt man entrüstet immer wieder einmal acht Sekunden lang die Hände vom Steuer.

Marktstart für die aufgerüste­ten Alfas ist Anfang 2020, die Marke feiert da ihr 110-Jahres-Jubiläum. Und wen das interessie­rt: Weltweit setzten die traditions­reichen Italiener im Vorjahr 120.300 Fahrzeuge ab, elf Prozent mehr als 2017. In Österreich wurden heuer in den ersten zehn Monaten 1306 Alfa Romeos neu zugelassen – Rangliste: Stelvio (565) vor Giulietta (495) und Giulia (212).

Wie es weitergeht bei Alfa? Trotz der Kooperatio­nsgespräch­e scheint modellpoli­tisch zumindest dies fix: Aus der im März am Genfer Salon gezeigten SUV-Studie Tonale wird 2021 ein Serienmode­ll etwa in Größe des Jeep Compass (4,39 m lang) – auf jener Plattform, auf der auch schon Jeep Renegade (4,24 m) und Fiat 500X (4,25) stehen, und apropos: So groß wie Renegade und 500X wird auch jener 2022 debütieren­de Alfa sein, auf den viele schon mit Hochspannu­ng warten, den ersten Batterieel­ektrik-Alfa nämlich. Selbstvers­tändlich ein: SUV.

 ??  ?? Neue Cockpitwel­t im Stelvio: neues Multifunkt­ionslenkra­d, größerer Bildschirm – und vor allem endlich logische Bedienführ­ung und gute Ablesbarke­it.
Neue Cockpitwel­t im Stelvio: neues Multifunkt­ionslenkra­d, größerer Bildschirm – und vor allem endlich logische Bedienführ­ung und gute Ablesbarke­it.

Newspapers in German

Newspapers from Austria