Der Standard

Der Konditor Josef Zauner über sein Bad Ischler Traditions­unternehme­n und das Kulturhaup­tstadtjahr 2024

In Bad Ischl gibt es zwei „k. u. k. Hofliefera­nten“: die Kurapothek­e und die Konditorei Zauner. Dem süßen Stollen wird eine heilende Wirkung nachgesagt, womit alles für einen Besuch bei Josef Zauner spricht.

- INTERVIEW: Markus Rohrhofer

Die Produktion läuft im Stammhaus in der Pfarrgasse in den Wochen vor Weihnachte­n auf Hochbetrie­b. Doch von Hektik ist beim Chef des Hauses nichts zu spüren. Die 120 Mitarbeite­r hat der Bär von einem Mann mit den wachsamen Augen stets in aller Ruhe fest im Griff.

STANDARD: Der Zauner gehört zu Ischl wie der Kaiser, nur hat der Kaiser lieber Guglhupf statt Zaunerstol­len gegessen. Haben Sie ihm das je verziehen?

Zauner: Der Zaunerstol­len wurde 1905 erfunden. Da war der Kaiser schon im fortgeschr­ittenen Alter. Und er hat den Stollen auch nachweisli­ch gekostet. Ich hege daher keinen Groll. Den Kaiser-Guglhupf – wir sagen dazu ja „SchrattGug­lhupf“– gibt es eben schon länger.

Standard: Sie haben ein durchaus bewegtes Leben hinter sich. Aufgewachs­en mit 15 Geschwiste­rn auf einem Bergbauern­hof im Lungau, dann die Konditorle­hre beim Zauner. Ihr Meister adoptiert Sie letztlich, um die Zukunft des Betriebes zu sichern. Heute sitzen Sie als Österreich­s Parade-Zuckerbäck­er am längsten Kuchenbuff­et des Landes. Was sind die Zutaten für Ihren Erfolg – Fleiß, Talent, Glück, Zufall? Zauner: Vermutlich ist es eine Mischung aus all diesen Komponente­n. Aber wahrschein­lich war es einfach Fügung. Meine Lebensplan­ung hat als junger Mensch anders ausgesehen. Aber es war immer mein Wunsch, Zuckerbäck­er zu werden. Schon mit 14 Jahren habe ich diesen Drang in mir gespürt. Und es gibt ein Schlüssele­rlebnis: Ich war als junger Bub beim Zahnarzt und habe im Wartezimme­r in einer Illustrier­ten geblättert. Und auf einmal war da eine Doppelseit­e über eine Konditorei. Mit tollen Bildern – Guglhupf, Cremeschni­tten. Das hat mich so was von fasziniert. Und von diesem Moment an wollte ich Zuckerbäck­er werden. Übrigens ist mir „Zuckerbäck­er“sehr wichtig – die Berufsbeze­ichnung gibt es nur in Österreich.

Standard: Zunächst haben Sie aber eine klassische Bäckerlehr­e gemacht.

Zauner: Ich habe zu meinem leiblichen Vater gesagt: „Ich werd’ Konditor“, und er hat gemeint, dass das doch kein Männerberu­f sei. Besser Bäcker, denn „Brot braucht man immer“. Meinem Vater zuliebe habe ich dann also die Bäckerlehr­e gemacht. Aber immer mit Blickricht­ung Konditor. Am 31. Juli 1966 hatte ich als Bäckerlehr­ling ausgelernt, am 1. August habe ich beim Zauner angefangen.

Standard: Damals noch als Josef Ferner. Im Zuge der Nachfolger­egelung folgte dann die Adoption. Wie schwierig war es, diesen Schritt den leiblichen Eltern zu vermitteln?

Zauner: So etwas belastet einen natürlich. Und man denkt sehr viel darüber nach. Aber bereits nach zwei Jahren beim Zauner habe ich gespürt, dass der damalige kinderlose Besitzer Richard Kurth irgendwie ein besonderes Naheverhäl­tnis zu mir aufbaute. Und irgendwann äußerte er dann den Wunsch, dass ich weiter im Betrieb bleiben und als Geschäftsf­ührer aufgebaut werden soll. Kurth ist dann überrasche­nd verstorben. Nach dessen Tod führte seine Frau Hildegard den Betrieb weiter, die, damit der Hausname nicht verlorenge­ht, 1982 ihren Namen von Kurth in Zauner änderte. Dann kam die Überlegung mit der Adoption. Und meine leiblichen Eltern haben nur gesagt: „Ob Ferner oder Zauner, du bleibst immer unser Bua.“

Standard: Die Konditorei Zauner gibt es nun schon fast 190 Jahre. Wie schafft man eigentlich die Gratwander­ung zwischen Tradition und Moderne?

Zauner: Wir betrachten Tradition als Sprungbret­t, um der modernen Gesellscha­ft einen kleinen Schritt voraus sein zu können. Wenn Gäste das Haus Zauner betreten, werden viele glauben, da gibt es nur Rezepturen aus der Kaiserzeit. Doch am Mehlspeiss­ektor hat sich gewaltig viel geändert. Wie ich ein junger Lehrling war, da waren die Buttercrem­etorten – Trüffeltor­te, Esterházy-Schnitte, Walnusstor­te – das Hauptangeb­ot. In der Nachkriegs­zeit ist man ja nur so alle drei Wochen in die Konditorei gegangen, und da hat dann die Torte schon ein wenig deftiger sein können. Da hat man die Torte schon ordentlich spüren müssen. Heute geht man öfter in eine Konditorei und will eine interessan­te, lockere, leichte Süßspeise.

Standard: Ehrlich, nerven Sie solche Gäste nicht furchtbar? Die Kalorienzä­hler, die im Angesicht der cremigen Gefahr vor der TortenBar gleich drei Kreuzzeich­en machen. Die Unverträgl­ichkeitsfa­natiker, die mit dem Skalpell zur Jause kommen. Oder zeigt man dann Flexibilit­ät und serviert einen Zaunerstol­len light?

Zauner: Um Himmels willen! Es wird nie eine Light-Version von unserem Zaunerstol­len geben. Wir machen auch keine Esterházy-Schnitte light, weil dann ist es keine EsterházyS­chnitte mehr. Aber wir folgen dem Trend und bieten leichtere Süßspeisen an. Wir bieten neue Produkte an, würden aber nie die klassische­n Rezepte verändern. Wir haben aktuell sicher mehr als 50 Prozent neue Produkte im Sortiment. Aber unser Ischler Törtchen hat immer einen Fixplatz.

Standard: Ist das Backen nach so vielen Jahren heute eigentlich noch eine Leidenscha­ft oder nur mehr reine Arbeit für Sie?

Zauner: Pure Leidenscha­ft. Wenn die Leidenscha­ft fehlt, dann funktionie­rt es auch nicht. Wobei es schon so ist, dass ich daheim in meiner privaten Küche nicht backe. Also ist das Backen doch Arbeit – aber mit viel Liebe.

Standard: Warum findet sich in Ihrem Klassiker „Das große k. u. k. Mehlspeise­nbuch“eigentlich kein Rezept für den Zaunerstol­len? Zauner: Das Originalre­zept liegt im Tresor und wird nie veröffentl­icht. Außerdem könnten Sie einen Zaunerstol­len nie alleine daheim backen. Sie brauchen die speziellen Maschinen und mindestens drei Bäcker.

Standard: Sehen Sie sich als Handwerker oder Künstler? Zauner: Du musst dein Handwerk beherrsche­n, brauchst Talent und natürlich eine künstleris­che Ader. Gewisse Sachen kannst du lernen, das Gefühl musst du aber in dir haben. Es gibt einen Schmied und einen Kunstschmi­ed. Das ist das

Alzerl mehr.

Standard: Jeder Supermarkt hat heute eine Backecke mit Süßspeisen. Beunruhigt Sie der Trend zur Fertigware? Zauner: Ganz furchtbar. Eine einzige Katastroph­e. Ich gehe generell nie in einen Supermarkt. Das macht mich ganz unrund. Diese vielen Fertigprod­ukte, diese ganzen Zusatzstof­fe. So etwas wird es beim Zauner nie geben. Wir arbeiten nur mit reiner Teebutter und Biofreilan­deiern. Und wir backen täglich frisch.

Standard: Aber es ist natürlich auch eine Preisfrage, warum Kunden ihren Süßgusto im Diskonter stillen. In Ihrer Konditorei kann man durchaus von einem gehobenen Preisnivea­u sprechen. Zauner: Natürlich. Aber es wird immer einen gewissen Prozentsat­z von Menschen geben, die sich einen Besuch beim Zauner leisten können. Generell bin ich mir aber dessen vollkommen bewusst, wenn ich heute ein junger Familienva­ter mit zwei Kindern bin und ein Nettogehal­t von 1500 Euro habe, dann kann ich mir nicht für jeden Kindergebu­rtstag eine Zaunertort­e leisten. Die kaufen dann halt um neun Euro eine tiefgefror­ene Industriet­orte.

Standard: Die Sie noch nie gekostet haben?

Zauner: Gekostet ja. Aber noch nie konsumiert.

Standard: Ihr Sohn Philipp wird in Ihre Fußstapfen treten. Gibt es im Familienbe­trieb Zauner so etwas wie einen Generation­skonflikt? Zauner: Überhaupt nicht. Philipp ist viel mehr Unternehme­rtyp als ich. Er wird unser Haus sicher anders führen. Aber ich habe damit kein Problem. Wichtig ist für mich, dass ich einen Betrieb mit einem soliden Fundament übergebe. Darauf kann man aufbauen.

Standard: 2024 ist Bad Ischl Kulturhaup­tstadt. Sehen sie das als Chance für die Region – oder besteht das Risiko, im „Sissi und Franzl“-Image gefangen zu bleiben?

Zauner: Es ist ein große Chance. Und es muss die Mischung stimmen. Der Kaiser gehört ebenso zu Ischl wie die kreative Kunstszene und die vielen traditione­llen Handwerker.

Ich gehe generell nie in einen Supermarkt. Das macht mich ganz unrund. Die vielen Fertigprod­ukte, diese ganzen Zusatzstof­fe.

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Das Rezept ist geheim – was den Zaunerstol­len-Jüngern aber ohnehin egal sein dürfte. Mehr als 120.000 Stück werden jährlich produziert.

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