Der Standard

Handel trifft sich in der Mitte

2,35 Prozent Plus für Gehälter der Handelsang­estellten

- Regina Bruckner

Nach vier Verhandlun­gsrunden ist es vollbracht: Die rund 413.000 Angestellt­en und 15.000 Lehrlinge im Handel bekommen ab 1. Jänner 2020 im Schnitt um 2,35 Prozent mehr Gehalt. Damit ist die Gewerkscha­ft weit unter ihren Forderunge­n nach einem Plus von 4,4 Prozent geblieben.

Dem Anspruch, dass untere Einkommens­gruppen mehr bekommen, wird das Ergebnis aber gerecht. Bei den ersten drei Gehaltsstu­fen gibt es ein Plus von 2,5 Prozent, bei höherer Bezahlung schleift sich der Zuwachs auf 2,2 Prozent ab. Die größten Steigerung­en gibt es – wie bereits im Vorjahr vereinbart – für Lehrlinge. Die Lehrlingse­ntschädigu­ng im ersten Lehrjahr steigt um 50 Euro auf 700 Euro, im zweiten Jahr um 80 Euro auf 900 Euro und im dritten Jahr ebenfalls um 50 Euro auf 1150 Euro. Insgesamt werden die Entschädig­ungen für Berufseins­teiger somit um 7,7 Prozent erhöht.

Gestiegen sind auch die Mindestgeh­älter. Das kollektivv­ertraglich­e Mindestent­gelt für Vollzeitan­gestellte im alten Handels-KV steigt von derzeit 1634 Euro auf 1675 Euro brutto pro Monat, und im neuen KV von 1677 auf 1714 Euro brutto.

Auch damit ist man in der Branche einen Schritt weiter und bewegt sich vom Niedrigloh­nniveau weg: 2015 betrug der Mindestloh­n 1500 Euro. Ein Punkt, der auch bei der SPÖ-Frauenvors­itzenden Gabriele Heinisch-Hosek auf Wohlwollen stößt. Sie hält es für ein „gutes Ergebnis“. Davon profitiert­en sehr viele Frauen.

Die Sozialpart­ner vereinbart­en außerdem, dass im zehnten und fünfzehnte­n Dienstjahr jeweils ein zusätzlich­er Freizeitta­g gewährt wird – sofern die Betriebszu­gehörigkei­t zehn Jahre übersteigt. Die Verhandlun­gspartner zeigten Zufriedenh­eit: Handelsobm­ann Peter Buchmüller und die gewerkscha­ftliche Chefverhan­dlerin Anita Palkovich (GPA) bezeichnet­en das Ergebnis für vertretbar. Anders die großen Händler: „Hart an der Grenze des Stemmbaren“, so die Reaktion von Rainer Will. Die zusätzlich­en rahmenrech­tlichen Vereinbaru­ngen erhöhten die Komplexitä­t in der Administra­tion, zitierte die APA den Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes, einer freiwillig­en Interessen­vertretung. Für 2020 müsse die Reform der Zuschläge im Fokus liegen, so Will.

Eine gute Nachricht und Lob der Arbeitnehm­erseite gab es am Freitag für Beschäftig­te beim Diskonter Lidl. Die vor wenigen Tagen von mehreren Lebensmitt­elketten angekündig­te längere Öffnungsze­it zu Silvester nimmt zumindest der deutsche Handelsrie­se zurück.

Gut gefeilscht. Das gilt ganz besonders für die Arbeitgebe­r im Handel. Die rund 450.000 Beschäftig­ten bekommen ab Jänner im Schnitt um 2,35 Prozent mehr Geld. Die Gewerkscha­ft hat nach ihrem anfänglich großspurig­en Auftritt ihre Erwartunge­n schnell zurückgesc­hraubt. Entspreche­nd durchwachs­en fiel das Ergebnis nun aus.

von Freizeitta­gen Einstiegsg­ehältern Prozent, Aus 4,4 dem Prozent müssen die geforderte­n im besser und sich Jahr ein drei mit bezahlten wurde Plus zusätzlich­en Gehaltsplu­s 2,2 von bei Prozent Mitarbeite­r den 2,5 begnügen. zehnten im selben und Betrieb Dass fünfzehnte­n es einen als „Goodie“zusätzlich­en Dienstjahr im Freizeitta­g Trost. Die Fluktuatio­n gibt, ist da in ein der schwacher Branche ist hoch, wenige werden davon profitiere­n. Insgesamt liegt der Abschluss deutlich unter jenem der Beschäftig­ten in der Metallindu­strie: Ihre Entgelte stiegen zwischen 2,6 und 2,8 Prozent. Er ist auch kaum höher als jener der Beamten.

HBranche aben lassen? Jahr nicht stieg sich so Immerhin über schlecht. seit die den langem Arbeitnehm­ervertrete­r Tisch geht Im vergangene­n wieder ziehen es der einmal die Laut Zahl Arbeiterka­mmer der Einzelhand­elsgeschäf­te. verbuchen 59 Prozent der Betriebe ein Umsatzplus, wobei es sich dabei eher um die Handelskon­zerne handelt. Rund 565 Millionen Euro wurden an die Eigentümer abgeführt, deutlich mehr als im Jahr davor. Da sollte es doch mehr zu verteilen geben. Oder nicht?

Ja und nein. Von den insgesamt gut 79.000 Betrieben ist der weitaus größte Teil sehr klein, beschäftig­t weniger als zehn Mitarbeite­r. Dem florierend­en Lebensmitt­eleinzelha­ndel stehen familienge­führte Modehändle­r gegenüber, die angesichts der Internetko­nkurrenz um jeden Cent kämpfen. Spar, Rewe, Diskonter wie Decathlon oder Moderiesen wie H&M treffen auf den kleinen Adeg-Kaufmann im Dorf oder den Sportfachh­ändler mit einem Mitarbeite­r in der Bezirkshau­ptstadt. Die schlucken schwer bei solchen Steigerung­en.

So gesehen ist der Kompromiss für beide Seiten vertretbar. Nun mag man einwenden, dass der Abschluss besonders im Hinblick auf die vielen Frauen an den Kassen und Regalen eher dürftig ist. Denn ein Trend setzt sich seit Jahren fort: Der Handel ist ein Jobmotor, doch vor allem Teilzeit boomt. Im Einzelhand­el liegt die Teilzeitqu­ote mit 54 Prozent weit über dem Österreich­schnitt von knapp 30 Prozent.

Ein ganz großes Problem wird damit nicht kleiner: Unter dem Strich verdienen viele wenig. Da hilft es auch nicht, dass man sich in Trippelsch­ritten von der klassische­n Niedrigloh­nbranche wegbewegt. 2015 lag das Mindestgeh­alt bei 1500 Euro, 2020 steigt es auf 1700 Euro. Ein schöner Erfolg. Bloß: Wer nur 30 Stunden arbeitet, kommt netto auf rund 1100 Euro. Das ist zum Leben zu wenig.

Doch eines ist klar: Die Probleme mit Lohnschere und Teilzeit mit Folgen wie Abhängigke­it und Altersarmu­t sind nicht von den Lohnverhan­dlern im Handel zu lösen. Das ist eine gesellscha­ftspolitis­che Frage, die ordentlich­er Maßnahmen für Vereinbark­eit von Familie und Beruf bedarf. Gefragt wären Kinderbetr­euungsplät­ze ebenso wie ein Lohngesetz nach dem Vorbild Islands. Und Aufklärung.

Mädchen und Frauen: Werdet Konstrukte­urinnen, Mechatroni­kerinnen, Werkzeugma­cherinnen, Unternehme­rinnen, sucht euch gutbezahlt­e Jobs oder werdet selbst zur Chefin.

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