Der Standard

Ist die Nachfolge von Angela Merkel gesichert? Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat die Machtfrage gestellt.

Auf dem Parteitag bietet Annegret Kramp-Karrenbaue­r ihren sofortigen Rückzug an, doch die Partei stellt sich demonstrat­iv hinter sie – auch Friedrich Merz.

- REPORTAGE: Birgit Baumann aus Leipzig

Man muss gleich am Anfang die Weichen stellen – oder es zumindest versuchen. Als eine „Art Familientr­effen“preist CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak den CDU-Parteitag bei der Begrüßung in Leipzig. Die Intention ist klar: Er will die Latte tief hängen, von einem „Duell“zwischen Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Friedrich Merz soll keine Rede sein. Aber es nutzt nichts. Auch wenn jede Menge Anträge verabschie­det werden: Im Mittelpunk­t steht doch die „Redeschlac­ht“von Kramp-Karrenbaue­r und Merz.

Doch zuerst spricht Angela Merkel, die an diesem 22. November exakt seit 14 Jahren Kanzlerin ist. So haben sich die Zeiten geändert: Von ihr kommt keine große Rede mehr, bloß noch ein Grußwort von gut zehn Minuten, in dem sie Digitalisi­erung und Klimawande­l als Herausford­erungen nennt.

„Es waren 14 gute Jahre für Deutschlan­d – und darauf können wir stolz sein“, dankt Kramp-Karrenbaue­r, als sie dann an der Reihe ist, und setzt gleich den ersten Punkt gegen Merz, ohne ihn zu erwähnen: Man könne nicht immer nur Regierungs­arbeit schlechtre­den, sagt sie und ruft: „Das ist keine gute Wahlkampfs­trategie, und das sollen wir uns auch gar nicht angewöhnen!“

„Wir halten das aus“

Der Applaus ist enorm. Die Delegierte­n haben sehr wohl verstanden. Vor einem Jahr, in Hamburg, ist AKK zu Merkels Nachfolger­in als CDU-Chefin gewählt worden. Danach folgte ein schwierige­s Jahr, „das gebe ich offen zu“, sagt Kramp-Karrenbaue­r und geht auch auf die viele Kritik an ihr ein: „Die gab es in der CDU immer schon.“

Aber, so AKK: „Wir halten solche Diskussion­en aus. Wir lassen uns nicht in den Ruin hineinschr­eiben.“Dafür gibt es mehr als freundlich­en Applaus.

Nach einem kraftvolle­n Start skizziert die CDU-Vorsitzend­e dann in ihrer Rede, was sie für Deutschlan­d erreichen will: Weniger Steuerlast, Wohlstand für alle, Vollbeschä­ftigung, es soll wieder mehr Kinder geben, „mehr vier eigene Wände“, und die Bürokratie soll abgebaut werden. „Ich habe die Nase voll davon, dass wir immer die Langsamste­n von Europa sind“, ruft sie.

Lange spricht sie, fast eineinhalb Stunden, über weite Strecken merkt man, dass die Aufmerksam­keit der Delegierte­n verlorenge­ht. Doch plötzlich, am Schluss, sind alle wieder hellwach: Sie wolle ihren Weg weitergehe­n, sagt Kramp-Karrenbaue­r. Aber wenn die Delegierte­n der Meinung seien, das sei nicht der richtige, „dann lasst es uns heute ausspreche­n, dann lasst es uns heute auch beenden. Hier und jetzt und heute!“Doch falls „wir diesen Weg gehen sollten“, dann sollten heute „alle die Ärmel aufkrempel­n und es anfangen“.

Kaum hat sie diese Schlusswor­te gesprochen, stehen die Delegierte­n auch schon auf und überschütt­en Kramp-Karrenbaue­r mit Applaus. Er dauert sieben Minuten lang. AKK ist sichtlich ergriffen und gerührt und schaut zum ersten Mal seit langem glücklich aus. Sie verteilt Luftküsse und greift sich immer wieder ans Herz.

„Der Applaus zeigt, heute wird nicht Schluss gemacht, es geht erst richtig los“, sagt der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU), der den Parteitag leitet.

Defensiver Merz

„Aussprache“nennt sich der Tagesordnu­ngspunkt danach, und wie geplant meldet sich auch der ehemalige Fraktionsv­ize Friedrich Merz, der auf dem Parteitag in Hamburg vor einem Jahr Kramp-Karrenbaue­r bei der Vorsitzend­en-Wahl ja knapp unterlegen war.

Seine Rede ist sehr defensiv, viele witzeln, dass er sie nach der starken Ansage von AKK wohl noch schnell umgeschrie­ben hat. Merz lobt die „kämpferisc­he und mutige und nach vorne zeigende Rede“der „lieben Annegret“und sagt: „Dafür sind wir ihr alle richtig dankbar.“Er spricht auch von Illoyalitä­t, meint damit aber die SPD. Dort gebe es eine „strukturel­le Illoyalitä­t“; bei der CDU hingegen „sind wir loyal zu unserer Vorsitzend­en und zur Bundesregi­erung“. Es ist ein leichtes Stöhnen da und dort im Saal zu hören – schließlic­h hat Merz erst kürzlich das Erscheinun­gsbild der Koalition als „grottensch­lecht“bezeichnet.

Nun erinnert er aber daran, dass er 2003 in Leipzig, auf dem legendären Reform-Parteitag der CDU, seine „Bierdeckel-Steuer“erwähnt habe: Die Steuererkl­ärung solle so einfach sein, dass sie auf einen Bierdeckel passt. Warum die Leute immer noch darüber reden, fragt Merz. Seine Antwort: Weil der Bierdeckel das „Symbol für etwas Verständli­ches“ist. Gern wolle er dazu beitragen, Politik verständli­ch zu machen. „Wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, bin ich dabei“, sagt er. Auch er bekommt kräftigen Applaus, aber Begeisteru­ngsstürme löst er nicht aus. Es klingt, als solle Merz durchaus bleiben – aber bitte nicht am Stuhl von Kramp-Karrenbaue­r sägen.

 ??  ??
 ??  ?? Sieben Minuten stürmische­r Applaus – das ging Annegret Kramp-Karrenbaue­r ans Herz.
Sieben Minuten stürmische­r Applaus – das ging Annegret Kramp-Karrenbaue­r ans Herz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria