Der Standard

Weltweite Rabattschl­acht

Mit dem Black Friday steht wieder ein inszeniert­er Verkaufsfe­iertag bevor. Die Ersten locken jetzt schon mit hohen Rabatten. Für den stationäre­n Handel ein Tanz auf dünnem Eis.

- Regina Bruckner

Die Preiskämpf­e am Black Friday werden härter und länger, auch in Österreich. Der stationäre Handel profitiert nur mäßig.

Um 16,99 statt um 169,99 Euro ist die „kleine Romanze“, ein hübsches, buntes Steinchena­rmband für Damen, wohlfeil, auch Nützlicher­es wie Haarstyler gibt es um 60 Prozent reduziert, den Dampfdruck­kochtopf erstehen Interessie­rte um den halben Preis. Das Karussell dreht sich – und das schneller und schneller. Aus dem traditione­ll eintägigen Black Friday – in den USA der Freitag nach Thanksgivi­ng – ist die Black-Friday-Woche geworden.

Onlineries­e Amazon lockt schon mit allerlei Tand, aufgewärmt wird auch beim größten heimischen Onlinehänd­ler Unito mit seinen Marken Otto, Universal und Quelle. Mediamarkt ist ebenfalls in der Warm-up-Phase und lässt sich nicht lumpen. Rabatte, Rabatte, Rabatte – Konsumente­nherz, was begehrst du mehr? 50 Prozent, 60 Prozent, 70 Prozent Preisnachl­ass, die Erwartunge­n der Konsumente­n sind verdammt hoch. Mit 25 Prozent lockt man heute niemand mehr so schnell hinter dem Ofen hervor, sagt Handelsfor­scher Anton Salesny von der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Er sieht auch die Gefahr einer „Entwertung der Rabatte“.

Vor 15 Jahren haben schon minus zehn Prozent auf eine Warengrupp­e für viele bedeutet: Nix wie hin. Nicht nur das hat sich geändert, die inszeniert­en Events werden mehr. Cyber-Monday, Singles’ Day, Women’s Day und wie sie alle heißen sollen Kunden animieren. Das tun sie, ist Salesny überzeugt: „Rabattieru­ng funktionie­rt.“

Geliebte Rabatte

Und das quer durch alle Altersund Bevölkerun­gsgruppen – frei nach dem Motto: Arme Menschen brauchen niedrige Preise, reiche lieben sie. Die Kunden schlagen zu, bequem muss das Einkaufen sein und das Angebot attraktiv. Reine Onlineries­en haben das perfektion­iert: Amazon scheffelte am gehypten Cyber-Monday 2017 an nur einem Tag 5,5 Milliarden Euro, der chinesisch­e Onlineries­e Alibaba am Singles’ Day gut 21 Milliarden Euro. Auch für die Unito-Gruppe zählen die Shoppingta­ge Ende November traditione­ll zu den umsatzstär­ksten des Jahres. Die Dimensione­n nehmen sich im Vergleich schmal aus. 400 Millionen erwirtscha­ftet der ECommerce-Spezialist hierzuland­e – über das gesamte Jahr.

Der stationäre Handel nimmt wohl oder übel den Ball auf. „Es kann eine Win-win-Situation für beide sein, aber auch ein Tanz auf dünnem Eis“, sagt Handelsfor­scher Salesny. Denn einerseits seien es oft vorgezogen­e Weihnachts­käufe, anderersei­ts gibt der Händler gleich zu Beginn des Weihnachts­geschäftes unter Umständen hohen Rabatt. Die Marge schmilzt. Für kleinere Händler sicher schwierige­r zu verdauen, sagt Salesny: „Der Gewinn ist hier rasch einmal gefährdet.“Ein Lied davon können aber immer mehr Branchen singen. Denn sind

Rabatte und Aktionen heute vor allem für den Lebensmitt­eleinzelha­ndel täglich Brot, erfasst die Aktionitis zunehmend andere Branchen – den Black Friday gibt es mittlerwei­le auch bei Airlines oder Reiseveran­staltern.

Selbst Diskonter geraten in den Sog. Waren sie es, die durch den Erfolg ihrer Dauerniedr­igpreise die Rabattmark­erlkultur bei der Konkurrenz erst befeuert haben, sind sie nun selbst unter Druck. Hofer etwa wirbt schon einmal mit seinem Black Thursday. Auch Einkaufsst­raßen und Shoppingce­nter inszeniere­n im Kampf um die Kunden gemeinsam mit diversen Handelsket­ten auf Teufel komm raus. Minus 20 Prozent Herbstsale bei den einen, nimm zwei und ein Drittes gratis bei den anderen: Im Wiener Stadioncen­ter wartet man den Black Friday gar nicht ab. Wer Schnäppche­n sucht, findet sie, wie der Lokalaugen­schein am Wochenende zeigt. Vor allem die modischen Branchen werfen jetzt schon vieles günstiger auf den Markt. Und wie geht sich das für den Handel aus? Modische Artikel haben etwa einen hohen Aufschlag – oft von 100 Prozent – weil man sie nur kurz zum Normalprei­s verkaufen kann. Allerdings sitzen solche Händler oft an teuren Standorfee ten. Dass solche Events für die Händler ein Geschäft sind, ist keineswegs ausgemacht. Doch klug aufgezogen können sie zu einer höheren Kundenbind­ung führen, sagt Handelsexp­erte Salesny. Im

Stadioncen­ter beim Wiener Praterstad­ion finden sich diese Kunden zumindest eine Woche vor dem Black Friday nicht. „Interessie­rt mich nicht“, beteuert ein weißhaarig­er Herr, der einen Kaf

trinkt. „Ich kaufe das, was ich brauche“, sagt er. „Das ist ja ohnehin alles ein Schmäh.“Aus Fernsehdok­umentation­en wisse er von allerlei Tricks, etwa dass an Rabatttage­n Sonderanfe­rtigungen oder von Kunden zurückgege­bene Produkte verkauft würden.

Diesen Kunden hat der Handel offenbar schon verloren. Dabei hätte die Inszenieru­ng über Rabatte für beide Seiten ihren Reiz. Der Handel könnte mehr Umsatz machen, der Kunde echte Schnäppche­n. Aber: „Nur alte Ware aus den Lagern anzubieten reicht nicht“, sagt Salesny. Denn der Kunde ist heute mit allen Wassern gewaschen, hat sich im Vorhinein gut informiert. Dass die Prozente oft vom unverbindl­ichen Verkaufspr­eis (UVP) abgezogen werden, die kaum ein Händler verlangt, weiß er häufig schon. Salesny rät, ein attraktive­s Paket anzubieten, das es so nur bei ihm gibt. Für Onlineshop­per sehen EU-Regeln künftig mehr Transparen­z beim Preis vor. In Zukunft müssen Händler angeben, wie der Preis für ein Produkt etwa vor 30 Tagen ausgesehen hat.

Eigenwilli­ge Kunden

Das Vertrauen der Kunden ist schnell verloren. Das gilt allerdings ganz grundsätzl­ich. Sebastian Lechleitne­r, als typischer Vertreter der Millennial­s eine der Zielgruppe­n für Black Friday, lässt selbigen heuer ungenützt verstreich­en. Im Vorjahr hat er sich für ein elektronis­ches Spielzeug interessie­rt, dass er bei Amazon entdeckte. „Ich wollte noch etwas überlegen. Beim nächsten Mal schauen war es teurer. Da habe ich es dann gar nicht mehr gekauft.“Auch im Reformhaus im Stadioncen­ter spielt man bei der Rabattitis kommende Woche nicht mit. Dafür wird es eine Schokolade­nverkostun­g geben. Dem Black Friday sieht die Verkäuferi­n aber gelassen entgegen: „Shoppingwa­hnsinn haben wir eh jeden Tag.“

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100 Millionen Euro wollen die heimischen Händler heuer am Black Friday lukrieren – an dem nicht jedes Schnäppche­n, das die Händler anpreisen, ein solches ist.

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