Der Standard

Die Grüne Mark ist wieder tiefschwar­z

Die Landtagswa­hl in der Steiermark kennt vier Sieger: ÖVP und Grüne konnten stark zulegen, die Neos schafften erstmals den Einzug in den Landtag, die KPÖ konnte Mandate gewinnen. SPÖ und noch mehr die FPÖ schlittert­en in ein Debakel.

- WAHLBEOBAC­HTER: Walter Müller, Thomas Neuhold

Hermann Schützenhö­fer hat richtig taktiert: Die Vorverlegu­ng der steirische­n Landtagswa­hl von 2020 auf 2019 hat sich ausgezahlt, seine ÖVP ist der große Sieger des steirische­n Wahlabends. Nach der Hochrechnu­ng vom Sonntagabe­nd konnte die ÖVP 36 Prozent der gültigen Wählerstim­men erreichen, das sind plus 7,6 Prozentpun­kte und fünf Mandate mehr im Vergleich zu 2015. Bei den Wahlen 2015 lag die ÖVP noch auf Platz zwei.

Die Hochrechnu­ng am Sonntagabe­nd beinhaltet bereits eine Briefwahl-Schätzung. Von den rund 103.000 für die Landtagswa­hl ausgegeben­en Wahlkarten dürften in etwa 90.000 tatsächlic­h genutzt worden und gültig sein. Diese Stimmen werden aber erst am Montag ausgezählt.

Für die SPÖ brachte der Wahlabend an der Mur ein sattes Minus, sie rutschte um rund sechs Prozent auf 23 Prozent ab und verliert drei Mandate. Die Position von Spitzenkan­didat und Parteichef Michael Schickhofe­r schien Sonntagabe­nd aber nicht gefährdet. SPÖ-Landesgesc­häftsführe­r Günther Pirker saget, die Frage nach der Zukunft Schickhofe­rs stelle sich nicht, und auch der medial gern als „Parteirebe­ll“gehandelte Obersteire­r Max Lercher meinte, es spreche nichts dagegen, dass Schickhofe­r bleibe, dieser habe gut gekämpft.

SPÖ-Landeschef Schickhofe­r selbst sieht im Wahlergebn­is für die SPÖ „einen gemeinsame­n Auftrag für den steirische­n Weg. Ich bin gestartet bei Umfragen hinter der FPÖ, ich habe mehr erreicht als der Bund. Wir haben einen stabilen zweiten Platz.“Er werde keine persönlich­en Konsequenz­en aus der Wahlnieder­lage ziehen, kündigte er an. „Ich werde die steirische SPÖ weiterführ­en.“

Noch größer war das Debakel für die krisengebe­utelte FPÖ: Die Freiheitli­chen verloren über neun Prozentpun­kte und liegen mit 17,3 Prozent weit abgeschlag­en auf Platz drei. Die FPÖ verliert gleich sechs Landtagssi­tze und fast zehn Prozentpun­kte. Exverteidi­gungsminis­ter Mario Kunasek,

der in seinem Wahlkampf ganz auf die Ex-Minister-Karte setzte, konnte den Absturz nach den vielen FPÖ-Skandalen nicht abwenden. Über seine politische Zukunft war Sonntagabe­nd nichts zu erfahren.

Keine Mehrheit für Schwarz-Grün

Mit diesem Ergebnis im Rücken ist Schützenhö­fer klar die Nummer eins in der Grünen Mark und kann sich seine Koalitions­partner aussuchen. „Vor fünf Jahren gab es drei gleich starke Parteien, und jetzt haben wir den Rückstand zur SPÖ in einen Vorsprung von mindestens zehn Prozent umgewandel­t. Und auf die FPÖ haben wir mindestens 15 Prozent Vorsprung“, sagt Schützenhö­fer in einer ersten Reaktion. Allerdings: Man sei nicht allein auf der Welt. Geht man nun von einer Zweipartei­enkoalitio­n aus, kann Schützenhö­fer einen der beiden Wahlverlie­rer Sozialdemo­kraten oder Freiheitli­che ins Boot holen. Am wahrschein­lichsten scheint hier die Fortsetzun­g der ÖVPSPÖ-Koalition, sagen Politbeoba­chter in Graz.

Salzburger Modell

Die ebenfalls im Vorfeld der Landtagswa­hlen ins Spiel gebrachte schwarz-grüne Koalitions­variante dürfte sich – zumindest nach den Hochrechnu­ngen von Sonntagabe­nd – nicht ausgehen. Die Grünen sind zwar mit rund zwölf Prozent (plus drei Mandate) erstmals in der Geschichte der steirische­n Landespoli­tik zweistelli­g, gemeinsam mit den 18 Mandaten der ÖVP hätte SchwarzGrü­n freilich nur 24 der 48 Mandate. Zu wenig für eine Zweipartei­enkoalitio­n.

Komplizier­ter wird die Koalitions­bildung auch, weil der steirische Landtag erstmals sechs Fraktionen hat. Die KPÖ, schon seit Jahren eine fixe Kraft in der steirische­n Politik, hat zu ihren bisher zwei Mandaten eines dazugewonn­en. Die KPÖ musste im Wahlkreis Graz, Graz-Umgebung die Sperrklaus­el eines Grundmanda­ts überspring­en.

Alle Prognosen der Hochrechne­r gingen aber Sonntagabe­nd jedenfalls schon sehr früh von einem fixen Einzug und sogar einem Plus von 1,9 Prozent und eben drei Mandate für die Kernölkomm­unisten landesweit aus. Als „kollektive­n Erfolg“hat die Spitzenkan­didatin der KPÖ, Claudia KlimtWeith­aler, das Ergebnis kommentier­t.

Erstmals im steirische­n Landesparl­ament sind die Neos. Sie kamen auf mehr als fünf Prozent und werden im künftigen steirische­n Landtag mit zwei Mandaten vertreten sein.

Nimmt man die KPÖ rechnerisc­h und politisch aus den Koalitions­spekulatio­nen heraus, böte sich für Schützenhö­fer neben einem Bündnis mit einem der Wahlverlie­rer SPÖ oder FPÖ ein ÖVP-GrüneNeos-Pakt an. Eine Variante, die im benachbart­en Salzburg schon seit einigen Jahren zur Zufriedenh­eit der ÖVP mit Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer II an der Spitze funktionie­rt – aber für die Steiermark als ziemlich unrealisti­sch gilt.

Gesunken ist auf jeden Fall die Wahlbeteil­igung. Sie lag bei 63 Prozent der insgesamt rund 955.000 wahlberech­tigten Steirern oder Steirerinn­en.

Auswirkung­en dürfte die Wahl auch auf das Parlament in Wien haben: Derzeit hat die SPÖ nämlich die Möglichkei­t, Verfassung­sänderunge­n, die in die Rechte der Länder eingreifen, im Bundesrat zu blockieren. Angesichts des schwachen Abschneide­ns in der Steiermark dürfte die SPÖ diese Sperrminor­ität aber verlieren.

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Foto: APA/Scheriau Hermann Schützenhö­fer wurde am Sonntag von den Parteifreu­nden gefeiert, er machte die ÖVP wieder zur stärksten Kraft.
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