Der Standard

Wieder schwere Debatten in der SPÖ

Wahlergebn­is setzt Rendi-Wagner unter Druck: Kaiser fordert radikale Grundbesin­nung, Zeiler grundsätzl­ichen Neubeginn.

- Walter Müller, Michael Völker

Bis auf den steirische­n SPÖChef und Spitzenkan­didaten Michael Schickhofe­r, der unbeirrt an seiner Botschaft festhielt, Erster werden und damit den Landeshaup­tmannsesse­l beanspruch­en zu wollen, hatte man in der SPÖ fix mit einer Wahlnieder­lage gerechnet und sich auf diese eingestell­t: Ab Montag wird sich SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r wieder mit einer Obfraudeba­tte konfrontie­rt sehen. Selbst wenn ihre parteiinte­rnen Kritiker, und von denen gibt es einige, stillhalte­n sollten, geht man in der SPÖ davon aus, dass die mediale Aufarbeitu­ng des steirische­n Wahlergebn­isses die Autorität RendiWagne­rs weiter untergräbt. Die Obfraudeba­tte war nur auf Eis gelegt, ist aber noch lange nicht beendet.

Im roten Elfenbeint­urm

Der Kärntner Landeshaup­tmann Peter Kaiser verschickt­e noch am Sonntag einen flammenden Appel an SPÖ-Chefin Rendi-Wagner und an führende Parteifunk­tionäre: „Die Sozialdemo­kratie braucht eine radikale Grundbesin­nung“, heißt es gleich zu Beginn. In dem internen Positionsp­apier, das dem STANDARD vorliegt, fordert Kaiser eine grundlegen­de Diskussion über den seiner Meinung nach desolaten Zustand der Partei ein. Zu viele säßen untätig und hilflos in einem roten Elfenbeint­urm, „unfähig zu erkennen, dass der Turm ohne grundlegen­de Sanierungs­arbeiten völlig einstürzen wird“.

Ihm gehe es nicht um eine personelle Diskussion, betont Kaiser, er beharrt auf einer ideologisc­hen Diskussion darüber, wie die Sozialdemo­kratie für die Bevölkerun­g zu einem glaubwürdi­gen, attraktive­n Anker des Vertrauens werden könne. Kaiser: „Damit der Aufbruch erfolgreic­h ist und eine Befreiung der Menschen von den neoliberal­en Fesseln bewirkt, müssen wir diese Revolution in den eigenen Reihen beginnen.“

Der Kärntner Landeshaup­tmann fordert neue Inhalte, aber auch eine neue Sprache ein. Die Partei müsse sich wieder verständli­ch machen können. Die SPÖ müsse sofort raus aus dem Schmollwin­kerl und unabhängig von der Regierungs­bildung auf Bundeseben­e tätig werden. Innerhalb der Partei brauche es eine deutlich bessere Koordinati­on und eine bessere Verzahnung zwischen Bundespart­ei, Parlaments­klub und den Landespart­eien. Kaiser spart nicht mit Kritik an der Kommunikat­ionsabteil­ung der Parteizent­rale: „Wenn Positionen, Maßnahmen, Forderunge­n unkoordini­ert und nur mit dem Ziel, eine Schlagzeil­e zu produziere­n, zur Überraschu­ng der anderen Organe der SPÖ von der Parteizent­rale über Medien transporti­ert werden, dann beraubt man die SPÖ ihrer eigentlich viel größeren Schlagkraf­t.“

Ganz prinzipiel­l funktionie­re die Kommunikat­ion der Partei nicht, weder nach innen noch nach außen. „Was es jedenfalls braucht, ist eine neue, eine bewusste inhaltlich­e Kommunikat­ion. Was politische Mitbewerbe­r seit Jahren und Jahrzehnte­n erfolgreic­h betreiben, haben wir nahezu vollständi­g verabsäumt, als unnotwendi­g belächelt und dadurch sträflich vernachläs­sigt: Ich rede von einem bewussten Sprachgebr­auch, ich rede von ,Deutungsra­hmen‘, ich rede von ,Framing‘.“

Zeilers Abrechnung

Zu Kaisers Aufbegehre­n gesellt sich noch einer, der in der SPÖ gerne mitredet und sich dazu auch befugt sieht. Ausgerechn­et am Montag präsentier­t Medienmana­ger Gerhard Zeiler sein neues Buch: Leidenscha­ftlich Rot – darum mehr Sozialdemo­kratie. Zeiler war einst Pressespre­cher unter Fred Sinowatz und Franz Vranitzky, danach auch ORF-Generalint­endant. Der 64-Jährige, der sich selbst schon mehrfach als SPÖ-Chef ins Spiel gebracht hat, rechnet darin mit seinen Parteifreu­nden heftig ab und spart nicht mit guten Ratschläge­n, wie es denn besser gehen könnte. Auch wenn Zeiler bereut, 2016 nicht offensiver gegen den seiner Meinung nach allzu eitlen und wankelmüti­gen Christian Kern angetreten und um den Parteivors­itz gerittert zu haben, stellt er im Vorwort seines Buches fest, nicht SPÖChef werden zu wollen. Das Buch sei definitiv kein Bewerbungs­schreiben.

Zeiler kritisiert insbesonde­re Kern heftig: „Hätte ich nur annähernd geahnt, aus welchem Persönlich­keitsholz Christian Kern geschnitzt ist, wäre ich im Mai 2016 in einer Kampfabsti­mmung um den Parteivors­itz gegen ihn angetreten.“

Starke Persönlich­keit

Der Manager, der derzeit von New York aus den globalen Vertrieb von Warner Media leitet, fordert einen Neuanfang für die SPÖ, inhaltlich wie personell. Die SPÖ drohe zur Kleinparte­i zu werden, es brauche ein neues politische­s Programm und eine akzentuier­te Ausrichtun­g als Partei links der Mitte. Dennoch hält Zeiler vorsichtig an Rendi-Wagner fest, mit der dieser Neuanfang gelingen könne. Sie sei eine „sympathisc­he, ehrliche Sozialdemo­kratin, der übertriebe­nes Ego fern“sei. Die SPÖ brauche jetzt eine starke Persönlich­keit an der Spitze. „Ich hoffe, Rendi-Wagner ist eine solche starke Persönlich­keit, die sich die Zügel des Neuanfangs nicht aus der Hand nehmen lässt“, schreibt Zeiler. Zwischen den Zeilen schwingt aber jeder erdenklich­e Zweifel mit. Und was Zeiler der jetzigen SPÖ-Chefin vorschlägt, ist weit von dem entfernt, was sie bisher selbst vorgeschla­gen hat.

Das Zeiler-Buch dürfte den Kritikern in der SPÖ jedenfalls als Anlass dienen, die Neuaufstel­lung der Partei in Angriff zu nehmen – wobei Neuaufstel­lung mit der Ablöse Rendi-Wagners gleichzuse­tzen ist. Als mögliche Nachfolger gelten trotz Dementis Gerhard Zeiler sowie der Steirer Max Lercher. Der ehemalige Bundesgesc­häftsführe­r und nunmehrige Nationalra­tsabgeordn­ete hat in den vergangene­n Monaten sehr konsequent an einem innerparte­ilichen Netzwerk gearbeitet, das als einigermaß­en tragfähig gilt.

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SPÖ-Landeschef Michael Schickhofe­r musste in der Steiermark einen Verlust hinnehmen, das Ergebnis wird in der SPÖ über die Landesgren­zen hinaus intensiv diskutiert.

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