Der Standard

Von der Leyens Team im Brexit-Stress

Die neue EU-Kommission steht kurz vor der Wahl durch das Parlament. Präsidenti­n von der Leyen will am 1. Dezember starten. Es sieht ganz danach aus, dass fast zeitgleich die Brexit-Abwicklung beginnt.

- Thomas Mayer

Es braucht bis Mitte der Woche noch zwei entscheide­nde Rechtsakte, dann hätte es Ursula von der Leyen geschafft. Am Mittwoch wird das Plenum des Europäisch­en Parlaments (EP) in Straßburg über das neue Team der Kommission­spräsident­in abstimmen. Bekommt das Kollegium aus 27 Kommissari­nnen und Kommissare­n (ohne Briten) eine absolute Mehrheit von 376 der 751 EU-Abgeordnet­en, kann die deutsche Exverteidi­gungsminis­terin wie geplant am 1. Dezember starten. Die Kommission Jean-Claude Juncker wäre Geschichte.

Im engsten Umfeld von der Leyens ging man am Wochenende davon aus, dass sich in Straßburg eine Mehrheit finden wird, wenn diese vielleicht auch nicht sehr breit ausfallen wird. Sie selbst war – von den Staats- und Regierungs­chefs gegen den Willen der Parlamenta­rier nominiert und entspreche­nd umstritten – bereits Mitte Juli direkt gewählt worden. Mit 383 Ja-Stimmen war es damals schon sehr knapp.

Kommission ohne Briten

Dementspre­chend steinig war danach der Prozess der Auswahl der Kandidaten durch die nationalen Regierunge­n samt den Anhörungen auf Eignung in den Parlaments­ausschüsse­n. Zwei Kandidatin­nen und ein Kandidat aus Frankreich, Rumänien und Ungarn fielen durch. Aber: Seit einer Woche steht fest, dass alle 26 von von der Leyen zuletzt Nominierte­n die parlamenta­rischen Tests bestanden hatten.

EP-Präsident David Sassoli, ein Sozialdemo­krat, erklärte am Freitag, dass der Abstimmung nichts mehr im Wege stehe. Da Großbritan­nien trotz mehrfacher Aufforderu­ng der Nominierun­g eines Kandidaten nicht nachgekomm­en sei, wäre es aus Sicht des Parlaments

in Ordnung, wenn die neue Kommission mit insgesamt nur 27 Mitglieder­n starte statt mit 28 wie in den EU-Verträgen vorgesehen.

Genau das war – Stand Sonntagabe­nd – die letzte juristisch­e Hürde, die der Wahl des Von-der-Leyen-Teams formell noch im Weg stand. Und das hat viel mit dem Brexit, mit den für 12. Dezember angesetzte­n Neuwahlen im Königreich und dem erst im Oktober neu vereinbart­en EU-Austrittst­ermin am 31. Jänner 2020 zu tun.

Regierunge­n einig

Laut EU-Verträgen stellt jedes EU-Mitglied einen Kommissar, außer die Staats- und Regierungs­chefs bzw. die Regierunge­n der EU-Mitglieder beschließe­n eine Verkleiner­ung der Zahl der Kommissare. So ist seit 2009 im Lissabon-Vertrag eine Reduktion um ein Drittel vorgesehen, was bisher aber nie realisiert wurde, nicht zuletzt wegen der dafür nötigen Einstimmig­keit im Rat.

Die Chefjurist­en der Kommission haben nach der Weigerung von Premier Boris Johnson, einen Kandidaten zu nennen, zu einem juristisch­en „Trick“gegriffen, um eine Blockade zu umgehen. Nachdem von der Leyen London zwei Mal per Brief vergeblich aufgeforde­rt hatte zu nominieren, leitete die Kommission ein formelles Vertragsve­rletzungsv­erfahren ein.

Johnson reagierte trotz der Fristsetzu­ng bis Freitag, 22. November, nicht darauf, was nun juristisch als grobe Pflichtver­letzung eines Mitgliedsl­andes – als versuchte Obstruktio­n – gewertet wird. Daraus wird das Recht der EU-27 abgeleitet, dass das Kommissars­kollegium auch mit nur 27 Mitglieder­n – ohne Briten – rechtlich einwandfre­i ins Amt gesetzt wird.

Genau das muss der EU-Ministerra­t aber noch formal beschließe­n. Bei einer Sitzung des Entgen, wicklungsm­inisterrat­es am Montag wird das mit großer Wahrschein­lichkeit geschehen. Dann ist der Weg zur Abstimmung im EP-Plenum in Straßburg geebnet.

Von der Leyen wird danach am Sonntag in einem offizielle­n Akt mit Sassoli und dem neuen EURatspräs­identen Charles Michel, der Donald Tusk folgt, beginnen. Sie wird wohl sofort die Umsetzung des Brexits angehen müssen. Umfragen in Großbritan­nien zeidass die Konservati­ven eine bequeme Mehrheit erreichen könnten, um im Unterhaus den von Johnson mit den EU-27 ausgehande­lten Brexit-Vertrag zu beschließe­n (siehe rechts). Großbritan­nien sollte also bis 31. Jänner 2020 austreten und braucht danach keinen EU-Kommissar mehr. Es blieben von der Leyen nur wenige Wochen, das mit London zu realisiere­n – und daher kaum Weihnachts­ferien.

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Ursula von der Leyens Kommission­steam steht eine wichtige Woche bevor. Mittwoch soll das EU-Parlament abstimmen.

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