Der Standard

Rekordbete­iligung bei Bezirkswah­len in Hongkong

Protestbew­egung wollte ein Zeichen setzen und mobilisier­te in ihrem anhaltende­n Kampf gegen den Einfluss Pekings

-

Hongkong – Technisch gesehen handelte es sich nicht wirklich um eine Schlüsselw­ahl: Die politische Bedeutung der Hongkonger Bezirksrät­e ist marginal. Und doch war das Interesse enorm. Bereits am Nachmittag hatte sich eine hohe Wahlbeteil­igung abgezeichn­et. Die Marke von 47 Prozent, die der Gesamtbete­iligung beim letzten Urnengang im Jahr 2015 entspricht, war bereits um 15.30 Uhr (Ortszeit) erreicht – ganze sieben Stunden vor dem Schließen der Wahllokale. Eine Stunde vor Wahlschlus­s erreichte sie dann einen Rekordwert von knapp 70 Prozent. Ergebnisse wurden in der Nacht auf Montag erwartet. Die hohe Beteiligun­g deutete jedoch laut Beobachter­n auf die Hoffnungen hin, die viele Hongkonger mit der aktuellen Protestbew­egung verbinden würden.

Die insgesamt 452 Bezirksrät­e, über die die etwa vier Millionen Wahlberech­tigten entscheide­n sollten, verfügen kaum über politische Macht – schon gar nicht, was das angespannt­e Verhältnis zwischen der Sonderverw­altungszon­e Hongkong und der chinesisch­en Zentralreg­ierung in Peking betrifft. Die gewählten Vertreter haben vor allem beratende Funktion und können der Hongkonger

Regierung Vorschläge unterbreit­en, etwa zur Verbesseru­ng der Lebensqual­ität in ihren Stadtteile­n.

Doch hatte die Wahl hohen Symbolchar­akter. Für die Demokratie­bewegung Hongkongs ging es darum, sich des Rückhalts in der Bevölkerun­g zu versichern. Hintergrun­d: Die kommunisti­sche Führung in Peking und linientreu­e Medien stellen die jüngsten Proteste oft als Randale einer gewalttäti­gen Minderheit dar. Ein Erfolg der Opposition­skandidate­n, so das Kalkül, könnte dieser Argumentat­ion den Wind aus den Segeln nehmen und ein anderes Bild der Kräfteverh­ältnisse zeichnen.

Kundgebung­en ausgesetzt

Das Opposition­slager hatte von Anfang an auf eine hohe Wahlbeteil­igung gehofft und seine Anhänger zur Stimmabgab­e aufgerufen. Für den Wahltag selbst wurde deshalb auch ein Aussetzen der anhaltende­n Proteste gegen die pekingtreu­e Regierung angekündig­t, die eigenen Anhänger wurden im Internet zur Zurückhalt­ung aufgerufen. Tatsächlic­h blieb es tagsüber weitgehend ruhig.

Die Proteste hatten sich heuer im Juni entzündet, als ein geplantes Gesetz, das Auslieferu­ngen an Festland-China erlaubt hätte, für Aufregung sorgte. Die Regelung ist inzwischen vom Tisch, aber die Angst vor dem wachsenden Einfluss Pekings ist geblieben. Seit der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkoloni­e an China im Jahr 1997 gilt in Hongkong der Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“. Viele fürchten jedoch, dass Rechte wie Versammlun­gs- und Meinungsfr­eiheit sukzessive beschnitte­n werden. (red)

 ??  ?? Lange Schlangen vor den Wahllokale­n zeugten bereits früh von reger Beteiligun­g. Die Opposition hoffte auf Zuspruch.
Lange Schlangen vor den Wahllokale­n zeugten bereits früh von reger Beteiligun­g. Die Opposition hoffte auf Zuspruch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria