Der Standard

Skisport als Teil der NS-Ideologie

Die Entwicklun­g des Winterspor­ts wird von sieben Institutio­nen aus Vorarlberg und dem Allgäu erforscht. Dabei wird die NS-Zeit nicht mehr ausgeklamm­ert. In Dornbirn berichtete­n Forscher über ihre Arbeit.

- Jutta Berger

Prinzipiel­l habe sich die Bereitscha­ft zur Auseinande­rsetzung mit der NS-Thematik in Tourismusr­egionen verbessert, sagt der Klostertal­er Historiker Christof Thöny. Es sei jedoch auch eine gewisse Ambivalenz vorhanden. Einerseits würde die wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng akzeptiert, gegen eine breite Auseinande­rsetzung sei jedoch immer noch das Argument „Schon wieder dieses Thema“zu hören.

„Sport war politisch, und die politische Ausrichtun­g der Turnund Skivereine war klar“, sagte der Dornbirner Stadtarchi­var Werner Matt beim vierten Vorarlberg­er Zeitgeschi­chtetag, der sich mit Skisport und Nationalso­zialismus auseinande­rsetzte.

Ein anschaulic­hes Beispiel für Matts Aussage ist ein Foto aus dem Dornbirner Stadtarchi­v. Sechs Tage vor dem Anschluss Österreich­s wurde am 6. März 1938 das Skirennen des Turngaus auf dem Bödele zum Aufmarsch der Deutschnat­ionalen. War doch, wie der Salzburger Historiker Andreas Praher erläuterte, der Dornbirner Fabrikant und Skiverband­sfunktionä­r Theodor Rhomberg Landesleit­er der illegalen NSDAP. Die Politik des ÖSV wurde durch deutschnat­ionale Kräfte definiert, sagt Praher.

Nach der Machtübern­ahme „kam zum Zug, wer sich verdient gemacht hatte, illegales Parteimitg­lied gewesen war“. So wurde beispielsw­eise die Skischule St. Anton von den SS-Männern Hans Aichinger und Hubert Salcher geleitet. Für die Nationalso­zialisten wurde der Skisport zu einem wesentlich­en Propaganda­mittel. „Sie konnten über den Skisport Wirkungsma­cht entwickeln“(Praher). So wurden im ersten Kriegswint­er in Tirol und Vorarlberg 128 Skirennen durchgefüh­rt.

Widerstand in St. Anton

Nicht alle Tiroler und Vorarlberg­er Skiverbänd­e waren mit der deutschnat­ionalen Ausrichtun­g einverstan­den. Sie wandten sich gegen den Arierparag­rafen, der bereits 1923 im ÖSV eingeführt wurde. So trat der Skiclub Arlberg 1924 aus dem ÖSV aus und dem Allgäuer Skiverband bei. „Wir sollten uns nicht aus politische­n Gesichtspu­nkten zwingen lassen, Mitglieder aus anderen als sportliche­n Gründen abzulehnen“, zitierte Jochen Unger, der die Geschichte der Verbände erforscht, den St. Antoner Skipionier Rudolf Gomperz.

Gomperz, ein jüdischer Ingenieur aus Wien, war Wegbereite­r für den Skitourism­us und das Skischulwe­sen am Arlberg. Zusammen mit Hannes Schneiders perfektion­ierte er die Fahrtechni­k, organisier­te erste Skikurse, auch für den Skiverein der jüdischen Hakoah. Gomperz wurde 1942 im

Vernichtun­gslager Maly Trostinec ermordet. Sein Freund Hannes Schneider, Skischulgr­ünder und Darsteller in zahlreiche­n Bergund Skifilmen, weigerte sich, den Arierparag­rafen zu akzeptiere­n. Schon einem Tag nach dem Anschluss wurde er verhaftet, nach einem Monat wieder freigelass­en und fortan schikanier­t. Schneider wanderte 1939 in die Vereinigte­n Staaten aus und wurde dort erfolgreic­her Entwickler von Skigebiete­n. Die nach ihm benannte Foundation Friends of Hannes Schneider ist Teil des Interregpr­ojekts.

Einfach wird die Recherche der Geschichts­forschung nicht gemacht. Jochen Unger bemängelt fehlende Originaldo­kumente im Allgäu wie in Vorarlberg. Praher ortet „große Lücken im zeithistor­ischen Archiv des ÖSV“. Anders als der Alpenverei­n sei der ÖSV bis dato noch nicht als Auftraggeb­er von kritischer zeithistor­ischer Forschung in Erscheinun­g getreten, kritisiert Christof Thöny.

Die Geschichte des Winterspor­ts wird im Rahmen des Interregpr­ojekts „Virtuelles Geschichts­forum“erforscht. Über eine Website will man Regionalge­schichte allgemein verständli­ch darstellen und vermitteln.

 ??  ?? Dornbirn, 6. März 1938. Ein Skirennen wird zum Aufmarsch, die ersehnte Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten steht kurz bevor.
Dornbirn, 6. März 1938. Ein Skirennen wird zum Aufmarsch, die ersehnte Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten steht kurz bevor.

Newspapers in German

Newspapers from Austria