Der Standard

Im Schatten der Koalitions­bildungen

Die SPÖ hat die Steiermark verloren. Dass es so kommen wird, weiß sie seit Jahren. Wie es jetzt gekommen ist, gibt ihr wenige Hinweise zur Verteidigu­ng des Burgenland­es und von Wien.

- Peter Plaikner

So einfach ergrünt die scheinbar g’mahte Wahlwies’n also doch nicht in einem Bundesland. 2013 in Salzburg brauchte es dazu den spektakulä­ren Finanzskan­dal neben einer Wende der Wende von Rot zurück zu Schwarz. In der Steiermark hingegen reichten der internatio­nale wie der bundesweit­e Trend und ein wachsendes Stadt-Land-Gefälle nicht aus, um die grünen Bäume in den Himmel der Koalitions­option für Sandra Krautwasch­l wachsen zu lassen. Für die erträumte Verdoppelu­ng der Stimmen hätte es bei Kandidatin und Programm mehr als Durchschni­ttspersona­l und Dutzendwar­e gebraucht. 100.000 Euro Wahlwerbun­g via Facebook – mehr als von jeder anderen Partei – machen kein solches Manko wett.

Die Landläufig­keit von Person und Programm trifft in jedem Wortsinn auch auf die einst avantgardi­stische und heute noch pechschwar­ze steirische Volksparte­i zu, die dennoch vom Aufwind der türkisen neuen Bundes-ÖVP profitiert. Platz eins hätte sie auch ohne Sebastian Kurz und Co zurückerob­ert. Ohne Ibiza-Affäre und deren Folgen wäre der erste Herausford­erer von Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer allerdings eine FPÖ unter Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek gewesen – ungeachtet des hausgemach­ten Liederbuch­skandals, der in der Steiermark selbst seltsam wenig Wellen schlug.

Rote Dogmen wackeln

Angesichts der sehr unterschie­dlichen nationalen Einflüsse auf die regionalen Parteierfo­lge gibt vor allem das Ergebnis der SPÖ viel Anlass für Orakel in Hinblick auf die nächsten Wahlen. „Kommt die Pam?“, war in Graz kaum Thema. „Kommt Dosko?“, wäre die bessere Frage gewesen. Nicht nur, weil Eisenstadt eine Viertelstu­nde Autofahrt näher liegt als Wien. Das Burgenland wählt in zwei Monaten.

Michael Schickhofe­rs betonte Abwendung von der Bundespart­ei in der Steiermark war das stärkste sozialdemo­kratische „Los von Wien!“seit Bildung der rot-blauen Koalition in Eisenstadt. Ein Rezept lässt sich daraus aber weder für Hans Peter Doskozil noch für Michael Ludwig ablesen. Das liegt erstens daran, dass sie als Landeshaup­tmann und Bürgermeis­ter 2020 mit dem Vorteil des Titelverte­idigers in ihre erste Wahl als Spitzenkan­didat gehen. Zweitens sind für das respektabl­e steirische Ergebnis die nach Kärntner Muster absolviert­en 100.000 Hausbesuch­e ausschlagg­ebend. Drittens ist Schickhofe­r kein Rechtsabbi­eger wie Doskozil, sondern ein junger Großkoalit­ionär alter Schule.

Wenn es Einflüsse von außen gibt, dann steht das Burgenland im Schatten der Koalitions­bildungen im Bund und in der Steiermark. Käme dort wie in Salzburg ein Dreier mit Pink, zöge sich die schwarz-grüne Partnersch­aft vom Bodensee bis zum Semmering durch vier Bundesländ­er. Bei einem steirische­n

Schwarz-Blau durchbräch­e hingegen ein FPÖ-Mitregiere­n von Oberösterr­eich bis Burgenland die Landkarte.

Doch Schützenhö­fer wird mit Schickhofe­r die aktuell einzige Fortsetzun­g des häufigsten regionalen Koalitions­modells der Zweiten Republik betreiben – so wie es umgekehrt als SPÖVP auch nur noch in Kärnten existiert. Es sei denn, Doskozil beendet auf diese Weise Rot-Blau, das als erklärtes No-Go einer größeren Sozialdemo­kratie die Burgenländ­er zu Misfits der reinen roten Lehre abstempelt.

Es sind vor allem diese ihre Dogmen, die mit jeder Niederlage der SPÖ noch mehr wackeln. Nach dem Ausbluten zur FPÖ verliert sie neben ihrer einst proletaris­chen Hauptzielg­ruppe nun auch die jüngere Kernklient­el der Sozialaufs­teiger nicht nur im urbanen Raum an die Grünen. Die daraus keimende Todesangst führt zur Unvernunft der Anbiederun­g an rechten Sicherheit­swahn, linkspopul­istische Sozialroma­ntik und grünen Klimaschut­ztrend, während die Gewerkscha­ften so tapfer wie vergeblich der Digitalisi­erung trotzen.

Schickhofe­r hat diese auch interne Abwehrschl­acht vorerst zugleich verloren – die SPÖ ist nicht mehr Nummer eins in der Steiermark – und gewonnen: Sein Kurs eines pragmatisc­hen Miteinande­rs wirkt durch den überschaub­aren Prozentpun­kteverlust bestätigt. Vorgänger Franz Voves hat aus der Polepositi­on heraus 2010 etwas weniger, aber 2015 eine weit größere Einbuße hinnehmen müssen. Allerdings bei einer rasant aufstreben­den FPÖ.

Im Burgenland verlief der blaue Aufstieg langsamer. Dort reichte es 2015 nur zu weniger Stimmenant­eilen, als allein der steirische Zuwachs in Prozentpun­kten betrug. Doch genug für eine Mitterecht­s-Koalition gegen die SPÖ unter Hans Niessl (samt Grünen). Deshalb zeitigten die damals am gleichen Tag abgehalten­en Wahlen in der Steiermark und im Burgenland zwar konträre, aber gleicherma­ßen verblüffen­de sozialdemo­kratische Folgewirku­ngen: vom verschenkt­en Landeshaup­tmann bis zur tabuisiert­en Partnerwah­l. Die Möglichkei­t einer Regierung kontra Doskozil wird 2020 eher größer als geringer.

Wann wählt Wien?

Das gilt auch für Wiens Michael Ludwig und sein Gegenmodel­l Rot-Grün. Hier ist die vorerst wichtigste Frage: Wann? Während die personelle Aufstellun­g der Koalitionä­re klar ist, müssen beide über die Wirkung von TürkisGrün im Bund spekuliere­n – sowie dem Restrisiko der Varianten mit Blau oder Rot.

Neben der Frage, wo ÖVP-Allzweckwa­ffe Gernot Blümel nach der Regierungs­bildung sein wird, grassiert die heimliche Hoffnung auf das Antreten einer Liste Strache als rechter Spaltpilz in Wien. Ob hier der für Rot und/oder Grün günstigere Wahltag im Herbst oder Frühjahr sein wird, entscheide­t sich erst durch Starttermi­n, Partei- sowie Personalzu­sammensetz­ung der Koalition im Bund.

PETER PLAIKNER ist Politik- und Medienbera­ter, Mitherausg­eber der „Edition Netpol – Politische Kommunikat­ion“und Geschäftsf­ührer von Impact (Institut für Medien und Politik – Analyse, Consulting, Training).

 ??  ?? SPÖ-Spitzenkan­didat Michael Schickhofe­r ist mit dem Wahlergebn­is in der Steiermark zwar nicht glücklich, dennoch ist – verglichen mit der Nationalra­tswahl – der Prozentpun­kteverlust überschaub­ar.
SPÖ-Spitzenkan­didat Michael Schickhofe­r ist mit dem Wahlergebn­is in der Steiermark zwar nicht glücklich, dennoch ist – verglichen mit der Nationalra­tswahl – der Prozentpun­kteverlust überschaub­ar.

Newspapers in German

Newspapers from Austria