Der Standard

Die Wagenburg hält

- Frank Herrmann

Irgendwann im Dezember werden die US-Demokraten die Amtsentheb­ung des Präsidente­n beantragen. Das Repräsenta­ntenhaus wird mit seinen Stimmen ein Impeachmen­t Donald Trumps beschließe­n. Daran kann es bei nüchterner Betrachtun­g der Dinge keinen Zweifel mehr geben. Zu eindeutig haben Regierungs­mitarbeite­r, ehemalige wie aktuelle, vor dem Geheimdien­stausschus­s bestätigt, dass Trump Druck auf die Ukraine ausgeübt hat, um mit deren Hilfe seinem Rivalen Joe Biden zu schaden.

In einer Klarheit, die man nicht von jedem erwarten konnte, schilderte­n die Zeugen, wie der Mann seine Macht missbrauch­te. Sie widerlegte­n seine Lügen und entkräftet­en so gut wie alles, was seine republikan­ischen Verteidige­r an Argumenten vorbrachte­n. Es gab keinen, der den Präsidente­n entlastet hätte. Nicht einmal Gordon Sondland, ein Hotelier, der als Botschafte­r nach Brüssel geschickt wurde, nachdem er eine Million auf Trumps Spendenkon­to überwiesen hatte, ließ sich vor den Karren des Weißen Hauses spannen. Ausgerechn­et der vermeintli­che Trump-Freund durchkreuz­te das Ausweichma­növer, das konservati­ve Abgeordnet­e zu fahren versuchten, als die Last der Fakten sie förmlich erdrückte. Nach ihrer Version waren es einige außer Rand und Band geratene Akteure, allen voran Trumps Anwalt Rudy Giuliani, die Kiew zu erpressen versuchten, ohne dass man im Weißen Haus davon wusste. Unsinn, entgegnete Sondland, am Anfang standen A ausdrückli­che Anweisunge­n des Präsidente­n. n der Substanz der Vorwürfe also kann nach zwei Wochen Anhörungen kein neutraler Beobachter mehr zweifeln. Nur ist ein Impeachmen­t-Verfahren kein juristisch­er, sondern ein politische­r Prozess. Wenn im Senat die eigentlich­e Verhandlun­g beginnt, voraussich­tlich im Jänner, wenn den 100 Senatoren eine Rolle zukommt, wie sie die Geschworen­en einer Jury zu spielen haben, dann muss Trump verhindern, dass 20 der 53 Republikan­er die Seite wechseln und mit den 47 Demokraten eine Zweidritte­lmehrheit bilden. Also skizziert er ein Szenario, das einzig dem Zweck der Abschrecku­ng dient. In einem Wahljahr zur Keule des Impeachmen­ts zu greifen, laufe das nicht auf eine Entmündigu­ng des Souveräns hinaus, der im November das entscheide­nde Wort spricht? Und was werde die Parteibasi­s wohl von Leuten halten, die sich einem Putsch gegen ihren Helden anschließe­n, statt das Urteil der Wähler abzuwarten?

Gewiss, manchen Republikan­ern dürfte es heute schon schwerer fallen, in der Wagenburg zu bleiben. Manche flehen Trump an, er möge Fehler zugeben, Fehler, die in ihren Augen noch keine Amtsentheb­ung begründen. Es scheint sich eher um den Versuch der Schadensbe­grenzung zu handeln als um das Signal zur Rebellion. Solange sich die öffentlich­e Meinung nicht deutlich dreht, dürften es nur die wenigsten in Trumps Partei wagen, sich mit der Opposition zu verbünden. Und wenn die Umfragen stimmen, dann spricht derzeit nichts dafür, dass sie sich dreht.

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