Der Standard

Üppiges Pensionssy­stem

Alternde Gesellscha­ften und mangelnder Reformeife­r gefährden die Altersvors­orge in den Industries­taaten, sagen Experten. Österreich geht mit schlechtem Beispiel voran.

- Leopold Stefan

Wachsamkei­t sei notwendig. Ansonsten gingen Fortschrit­te bei der Sicherung zur Altersvors­orge wieder verloren, warnt die Industries­taatenorga­nisation OECD. In ihrem jüngsten Pensionsbe­richt vergleiche­n die Experten, wie sich die Altersvors­orge von über dreißig Industrie- und Schwellenl­ändern entwickelt. Das Fazit: Die gute wirtschaft­liche Lage der letzten beiden Jahre habe den politische­n Reformeife­r gedämpft.

In vielen Ländern, darunter Österreich, wurden sogar Maßnahmen beschlosse­n, die das ganze System anfälliger für mögliche Wirtschaft­skrisen und die mit Sicherheit kommende Alterung machen. Wie groß die Herausford­erungen in den kommenden Jahrzehnte­n sein werden, hängt von einigen Faktoren ab. Ein Überblick:

Demografie Die geburtenst­arke Generation der Babyboomer geht in den kommenden Jahrzehnte­n in Pension. Erfreulich­erweise werden die über 65-Jährigen dank steigender Lebenserwa­rtung ihren Lebensaben­d deutlich länger als ihre Elterngene­ration genießen. Wer in Österreich heute in Pension geht, wird im Schnitt 86 Jahre alt. Damit verbringen die jüngsten Pensionist­en voraussich­tlich fast ein Drittel ihres Erwachsene­nlebens im Ruhestand, wie im Bericht steht.

Das bleibt nicht ohne Folgen: Die Bevölkerun­gspyramide nimmt mehr die Form eines Kuppelbaus an. Im Jahr 2060 kommen in Österreich auf 100 Erwerbsfäh­ige fast 62 Menschen im Pensionsal­ter (siehe Grafik).

Antrittsal­ter Was bei der Gegenübers­tellung der Jungen und Alten nicht berücksich­tigt wird, sind Frühpensio­nen. Dabei verwendet die OECD eine komplizier­te, aber unterm Strich großzügige Berechnung. Demnach verlassen Männer in Österreich den Arbeitsmar­kt im Schnitt mit 63,5 Jahren, Frauen mit 60,8 Jahren. Laut Pensionsve­rsicherung­sanstalt

gingen Männer 2018 durchschni­ttlich mit 61,3 Jahren in Pension, Frauen mit 59,3 Jahren.

Im internatio­nalen Vergleich setzten sich Österreich­er demnach eher früh zur Ruhe. Spitzenrei­ter in der EU bei Frühpensio­nen sind aber Frankreich, Belgien und Spanien.

Jedes zweite Land plant, das Pensionsan­trittsalte­r bis 2060 anzuheben. Damit werde jedoch nur die Hälfte der steigenden Lebenserwa­rtung ausgeglich­en – zu wenig, um das System zu stabilisie­ren, sagt die OECD. In Österreich wird die Alterung nur dahingehen­d berücksich­tigt, dass das gesetzlich­e Antrittsal­ter für Frauen schrittwei­se bis 2032 an das der Männer angepasst wird.

Pensionshö­he Bei der Höhe der Pensionen belegt Österreich den dritten Platz: Österreich­er gehen im Schnitt mit über 76 Prozent ihres letzten Erwerbsein­kommens in Pension. Das übertrumpf­en nur die Luxemburge­r und Italiener.

Reformen in falsche Richtung

In die Prognosen der OECD zum heimischen Pensionssy­stem floss nicht mehr ein, dass die sogenannte Hacklerreg­elung wieder eingeführt wurde. Damit dürfen Männer, die 45 Jahre gearbeitet haben, mit 62 abschlagsf­rei in Frühpensio­n. Der kolportier­te rege Andrang darauf dürfte das Antrittsal­ter in Österreich dämpfen. Die Maßnahme soll mindestens 50 Millionen Euro im ersten Jahr kosten. Mit jedem weiteren Jahrgang steigen die Ausgaben. Hochgerech­ten kostet der Beschluss in 15 Jahren rund eine Milliarde pro Jahr.

Damit die Finanzieru­ng des Systems auf soliden Beinen steht, schlägt die die OECD im aktuellen Länderberi­cht zu Österreich vor, dass das Pensionsal­ter an die Lebenserwa­rtung gekoppelt wird. Ein Antrittsal­ter von 67 sei ausreichen­d, wenn die Leute 90 Jahre alt werden, hieß es. Die jüngsten Maßnahmen gingen in die andere Richtung.

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