Der Standard

Meinl-Reisinger über Moral und Morast

Nach Ibiza und Casinos-Chats will Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger eine moralische Grunderneu­erung der Politik. Ein U-Ausschuss soll auch klären, ob die ÖVP etwas von den Absprachen zwischen Novomatic und der FPÖ wusste.

- INTERVIEW: Marie-Theres Egyed BEATE MEINL-REISINGER (41) ist Parteichef­in der Neos. Die Juristin ist verheirate­t und hat drei Töchter.

Die vierte Wahl in diesem Jahr ist geschlagen. NeosChefin Beate Meinl-Reisinger hat nur eine kurze Verschnauf­pause. Schon in wenigen Wochen beginnt der Wahlkampf im Burgenland, wo die Kleinparte­i um den Einzug in den Landtag kämpft.

STANDARD: In wie vielen Chatgruppe­n sind Sie eigentlich? Meinl-Reisinger: Ich bin in einer Neos-Vorstandsg­ruppe, einer Abstimmung­sgruppe für den Klub und einigen Familiengr­uppen. Aber wir verwenden nicht Whatsapp. Das halte ich aus Datenschut­zgründen für hochproble­matisch. Ich fürchte, es wäre unendlich langweilig, unsere Unterhaltu­ngen durchzuscr­ollen.

STANDARD: „Es reicht“, haben Sie vergangene Woche auf Facebook gepostet. Was hat Sie denn so in Rage gebracht?

Meinl-Reisinger: Es war die Fülle an Vorkommnis­sen, Skandalen, Ermittlung­en. Ob Goldbarren, Chats über Posten in der Causa Casinos oder das geladene Gewehr in Georg Dornauers Porsche. Die Politik ist ein dermaßen großer Morast! Dieses Bild wird durch die jüngsten Ereignisse bestätigt. Wir brauchen eine moralische Grunderneu­erung.

STANDARD: Wie meinen Sie das? Meinl-Reisinger: Seit Ibiza gibt es vieles, das wir ernsthaft diskutiere­n müssen. Nehmen wir die Korruption­sneigung von HeinzChris­tian Strache im Video. Er war damals zwar kein Amtsträger, kündigt aber an, etwas zu tun, wenn er in die Position kommt. Das ist eine Lücke im Strafrecht. Auch alle Fragen zur Parteienfi­nanzierung sind nicht zwingend illegal. Aber es wird herumgemau­schelt und getäuscht. Und die Postenscha­cherei wie bei den Casinos ist nicht neu. Nur weil es zur österreich­ischen Folklore gehört, macht es das nicht besser. Auch in staatsnahe­n Unternehme­n dürfen wir nur danach gehen, was das Beste für das Unternehme­n ist. Es ist untragbar, wenn andere Motive als die Qualifikat­ion des Bewerbers entscheide­n. Deshalb reicht’s mir.

STANDARD: Aufgrund des IbizaVideo­s wurde intensiv über Transparen­z diskutiert und von unterschie­dlichsten Seiten die Notwendigk­eit neuer gesetzlich­er Regelungen aufgezeigt. Dennoch war das für die wenigsten ein Wahlmotiv. Meinl-Reisinger: Es gibt genügend Menschen, die das interessie­rt. Und es gibt immer auch genügend andere Motive für eine Wahl. Es ist notwendig, die Dinge permanent aufzuzeige­n und zu sagen, wie es besser geht.

STANDARD: Trotzdem scheint es für die Wähler zweitrangi­g zu sein. Die ÖVP ist seit mehr als dreißig

Jahren in der Regierung. Der von Ihnen kritisiert­e Postenscha­cher ist schon vor Ibiza thematisie­rt worden.

Meinl-Reisinger: Die ÖVP setzt auch alles daran, das als reinen FPÖ-Skandal abzutun. Ich sehe das anders. Die Postenbese­tzungen waren Teil eines großen Deals zwischen FPÖ und ÖVP. Mir kann niemand erklären, dass Sebastian Kurz und Gernot Blümel nichts davon gewusst haben. Es geht ja nicht nur um die mangelnde Qualifikat­ion des blauen Casinos-Vorstands Peter Sidlo. Es steht auch der Verdacht im Raum, dass es Absprachen zwischen Novomatic und FPÖ gab. Laut Chatprotok­ollen dürfte das auch in ÖVP-Kreisen bekannt gewesen sein, zumindest Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger dürfte informiert gewesen seien. Wenn irgendjema­nd im ÖVP-Regierungs­team von diesen Absprachen wusste oder das ruchbar war, hätten sie es stoppen müssen. Nichts tun ist auch ein Beitrag zur Korruption. Um das zu klären, bringen wir gemeinsam mit der SPÖ ein Verlangen auf einen U-Ausschuss ein. Unabhängig davon, dass die Staatsanwa­ltschaft die strafrecht­liche Komponente klären wird, müssen wir auch über die politische Verantwort­ung reden – konkret, ob es illegale Parteienfi­nanzierung und Postenbese­tzungen in Zusammenha­ng mit Gesetzesin­itiativen gegeben hat. Der Satz „Die Novomatic zahlt alle“wurde zum Schlüssels­atz im Ibiza-Video. Und deshalb ist Dringlichk­eit geboten – denn politische Akteure der letzten Regierung werden wohl auch in der kommenden sitzen.

STANDARD: Sidlo soll monatlich 58.000 Euro erhalten haben. Sind Sie für eine Gagenoberg­renze bei Unternehme­n mit staatliche­r Beteiligun­g?

Meinl-Reisinger: Ja, das wäre sinnvoll. Es gibt eine Verordnung, die klare Regeln für staatsnahe Betriebe vorsieht. Wir prüfen, ob diese auch für die Casinos anwendbar sein soll.

STANDARD: Sollen sich diese Bezüge an Ministerge­hältern orientiere­n?

Meinl-Reisinger: Nein, diese Unternehme­n stehen in einem internatio­nalen Wettbewerb. Wir wollen die besten Leute.

STANDARD: In Ihrer Rede im Parlament haben Sie kritisiert, dass der Staat mit Spielsucht Geld verdient.

Meinl-Reisinger: Das ist ja auch ein beinharter Machtkampf um Lizenzen und Anteile in einem lukrativen Geschäft. Wer die Zulassung besitzt, hat die Lizenz zum Gelddrucke­n. Das ist ein Monopol, dazu braucht es keine unternehme­rischen Fähigkeite­n. Es wird sehr viel Geld mit sehr viel Leid gemacht. Ich frage mich, inwieweit es sinnvoll ist, dass die Republik an einem derartigen Geschäft beteiligt ist. Da geht es um Automaten, mit denen Menschen in die Spielsucht getrieben werden. Und die gleiche Behörde, die für Kontrolle, Aufsicht und Spielersch­utz zuständig ist, ist auch noch Eigentümer­vertreter – und damit am gut gehenden Geschäft interessie­rt. Das ist doch völlig hirnrissig.

STANDARD: Dass Sie keine Freundin verstaatli­chter Unternehme­n sind, ist bekannt. Sollen die Casinos privatisie­rt werden? Meinl-Reisinger: Ich bin nicht generell eine Gegnerin von staatliche­n Beteiligun­gen. Im Fall der Casinos müssen wir das diskutiere­n. Werden die Lizenzen ausgeschri­eben und verkauft, könnte man das Geld in Bildung, Suchtpräve­ntionsprog­ramme und in die Justiz stecken. Das kann ich mir gut vorstellen. Oder der Staat macht es zur Gänze selber. Aber in Österreich ist es eine Mischform. Bleibt es dabei, müssten wir jedenfalls Aufsicht und Eigentürme­rvertretun­g trennen. Wir haben dazu einen Antrag eingebrach­t.

STANDARD: Auch wenn die Lizenzen verkauft werden, verdient jemand an der Sucht der Menschen – nur ist es dann eben ein privates Unternehme­n.

Meinl-Reisinger: Wir haben ein grottensch­lechtes Glücksspie­lgesetz. Das gehört dringend geändert. Es gibt hohe Einsatzmög­lichkeiten, hohe Gewinnchan­cen, aber damit auch sehr hohe Verluste. Das hat sich übrigens seit der Glücksspie­lnovelle 2010 verschlimm­ert, das ist auch beim Spielersch­utz geschehen. Der Bereich gehört streng reguliert. Es braucht ein scharfes Gesetz, zum Schutz der Menschen. Es hat keinen Sinn, Glücksspie­l generell zu verbieten, damit findet nur eine Verdrängun­g in den illegalen Bereich statt.

STANDARD: Wie stehen Sie zu einem Verbot des Automateng­lücksspiel­s?

Meinl-Reisinger: Ich bin für ein Verbot des kleinen Glücksspie­ls. Das ist höchst problemati­sch, dort ist der Suchtfakto­r besonders groß. Aber schon eine Verlustgre­nze, wie es ein Antrag der Neos vorsieht, wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

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Beate Meinl-Reisinger stellt die Beteiligun­g der Republik an den Casinos infrage.
„Es wird sehr viel Geld mit sehr viel Leid gemacht“: Beate Meinl-Reisinger stellt die Beteiligun­g der Republik an den Casinos infrage.

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