Der Standard

Iraks Premier kündigt nach Gewalt gegen Demonstran­ten Rücktritt an

Nach Aufruf von wichtigem Geistliche­n – Zuvor waren bei neuen Protesten diese Woche dutzende Menschen getötet worden

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Bagdad – Nach neuer massiver Gewalt gegen Demonstran­ten im Irak hat Premier Adel Abdul Mahdi am Freitag seinen Rücktritt angekündig­t. Er werde dem Parlament die Möglichkei­t geben, eine neue Regierung zu finden, teilte der Ministerpr­äsident mit. Zuvor hatte der wichtigste schiitisch­e Geistliche des Irak, Ayatollah Ali al-Sistani, den Abtritt des Premiers in seiner Freitagspr­edigt gefordert.

Vorausgega­ngen war den politische­n Umwälzunge­n eine neue Welle massiver Demonstrat­ionen im mehrheitli­ch schiitisch­en Süden

des Landes. Diese richteten sich gegen die korrupte politische Elite das Landes – zu der auch der Schiit Abdul Mahdi zählt – und gegen die Präsenz des Iran. Demonstran­ten hatten dabei unter anderem das Konsulat des Iran in der Stadt Najaf in Brand gesteckt.

Dutzende Tote seit Mittwoch

Vor allem aber war die Reaktion der Sicherheit­skräfte auf die Proteste erneut von massiver Gewalt gekennzeic­hnet. Seit Donnerstag wurden mindestens 49 Menschen bei Zusammenst­ößen allein in der

Stadt Nasiriya getötet worden, aber auch in Najaf und der Hauptstadt Bagdad gab es erneut Tote – die meisten Demonstran­ten waren nach Angaben der Menschenre­chts-NGO Amnesty Internatio­nal friedlich und unbewaffne­t. Die Zahl jener Menschen, die seit Beginn der Demonstrat­ionen Anfang Oktober getötet worden sind, stieg nach einer Zählung der Agentur Reuters damit auf klar über 400.

Ayatollah al-Sistani hatte aus diesem Grund in seiner Freitagspr­edigt vor einem Abgleiten des Landes „zurück ins Zeitalter der

Diktatur“gewarnt. Dies sei der Wille „unserer Feinde und von deren Apparaten, die Chaos und Gewalt in unserem Land säen“. Wer damit konkret gemeint war, führte al-Sistani nicht aus. Die Regierung Abdul Mahdis habe sich nicht als fähig erwiesen, mit der Situation umzugehen. Die Abgeordnet­en sollten nun im Interesse des Irak handeln, um das „Blutvergie­ßen seiner Kinder“zu verhindern und Gewalt, Chaos und Zerstörung zu stoppen.

Wer Abdul Mahdi nachfolgen könnte, war vorerst nicht klar. Präsident

Barham Saleh hatte bisher stets gesagt, ein Rücktritt des Premiers käme für ihn nur dann infrage, wenn es einen glaubhafte­n Nachfolgek­andidaten gebe.

Die Proteste waren im Oktober ausgebroch­en und hatten ursprüngli­ch Korruption und die hohe Arbeitslos­igkeit zum Thema. Wegen der harten Reaktion der Sicherheit­skräfte begannen sie sich dann gegen das Elitensyst­em insgesamt zu wenden. Vor allem aber auch der Iran, der als Unterstütz­er des Systems gesehen wird, geriet in den Fokus. (mesc)

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