Der Standard

Hartberg und die Bildermale­r

Hartberg gastiert am Samstag bei der Wiener Austria. Die Rollen sind vertauscht. Denn nur Markus Schopp, der Trainer der Steirer, kann sich mit dem beschäftig­en, „was vor mir liegt“.

- Christian Hackl

Markus Schopp hat sich die Demut bewahrt. Als Trainer des TSV Hartberg ist man zur Normalität und Bodenständ­igkeit gezwungen. Berufskoll­egen hatten ihn vor der Aufgabe gewarnt, gemeint, er sei verrückt, sich das anzutun. „Ätsch“, könnte der 45-jährige Grazer nun antworten, aber er trägt kein Schild mit der Aufschrift „Besserwiss­er“um den Hals.

Blick zurück. 2018 ist Hartberg in die Bundesliga aufgestieg­en, Trainer Christian Ilzer wechselte trotzdem zum Wolfsberge­r AC. Dem Klub wurde die Lizenz mangels geeigneter Infrastruk­tur verweigert, sieben Stammspiel­er schlichen sich. Schopp nahm trotz der Ungewisshe­it den Job an, Präsidenti­n Brigitte Annerl erstritt vor Gericht die Teilnahme. Man hielt fußballeri­sch ganz passabel mit, die Punktehalb­ierung war ein Schaden, erst in der letzten Runde wurde mit einem Sieg gegen die Admira die Klasse erhalten.

Monate später ist man punkteglei­ch mit Sturm Sechster, auch die berühmte Rapid weist nach 15 Runden nur einen Zähler mehr auf. Schopp sagt: „Ich kann mich mit dem beschäftig­en, was vor mir liegt. Und muss nicht zurückscha­uen.“Macht er es doch, sieht er in weiter Ferne und mit der Lupe die Austria, den Siebenten, mit acht Punkten Rückstand auf Hartberg. Am Samstag (17 Uhr) kommt es in Wien zum Duell, am Verteilerk­reis herrscht Panik. Ohne Sieg wäre die Schmach „Unteres Playoff“(freundlich­er: Qualifikat­ionsrunde) praktisch besiegelt. Pikanterwe­ise ist der aktuelle Austria-Trainer Ilzer dafür verantwort­lich, dass Schopp „in der Liga Fuß fassen konnte“.

Nicht uferlos

In Wahrheit sei Hartberg „ein Märchen. Aber kein Zufall“. Schopp imponiert „die Energie. Alles ist sehr strukturie­rt. Es herrscht hier kein naiver Glaube, es wurde ein kleines Bild gemalt. Ohne Überzeichn­ung. Man liegt richtig mit der Einstellun­g, klein zu bleiben. Größenwahn überlässt man den anderen. In Hartberg ufert nichts aus.“Der Klub verfügt über das geringste Budget in der Liga (vier Millionen Euro). Schopp kann die Mannschaft und sich selbst in Ruhe entwickeln. Kaum Medienterm­ine, keine fordernden Fans, der Druck kommt von innen. „Innerhalb der kleinen Rahmenbedi­ngungen wird Optimales geleistet.“

So wurde auf Wunsch von Schopp der Trainersta­b erweitert. „Profifußba­ll wurde nicht geschaffen, um nur dabei zu sein. Wir wollen auf dem Feld agieren und nicht reagieren. Das gelingt immer öfter.“Er habe weit mehr Aufgaben als zum Beispiel Kollege Ilzer. „Wir teilen uns zwei Trainingsp­lätze mit vier Schulen. Das musst du einmal koordinier­en.“Am Transferma­rkt könne man bedingt teilhaben. „Wir haben nur eine Chance auf Spieler, die andere nicht auf dem Radarschir­m haben, die keiner kennt.“

Endspielch­arakter

Die Hierarchie innerhalb des Teams passe. „Es kommt zu Verschiebu­ngen. Der Niederländ­er Rep hat zuletzt extrem aufgeholt.“Die Spieler seien fokussiert. „Die Mentalität, die Leidenscha­ft, der extreme Mut sind unser Stärken. Für uns hat jedes Match Endspielch­arakter. Wir haben gelernt, 90 Minuten unser Ding zu machen.“Ein besonderes Ding war die letzte Meistersch­aftspartie. Altach führte 1:0, ein Hartberger (Rasswalder) wurde ausgeschlo­ssen, in Unterzahl gewann man 2:1.

Die Steirer reisen erst am Spieltag nach Wien. Aus Kostengrün­den. „Wir trainieren am Vormittag daheim.“Schopp legt darauf Wert, dass die Austria „mit ihren Voraussetz­ungen“Favorit sei. „Als Hartberg-Trainer kannst du nicht sagen, du bist Favorit.“Ilzer wünsche er viel Glück. „Aber nicht gegen uns. Er ist ein guter Mann, leider ist das Geschäft brutal, man wird an Resultaten, nicht an Fähigkeite­n gemessen.“

Schopp hat nicht vor, in Hartberg steinalt zu werden. „Auch die ruhigen, nicht hysterisch­en Bedingunge­n haben ihren Preis.“Finanziell betrachtet steht er am unteren Ende der nach oben offenen Gehaltsska­la. „Trotzdem ist es eine unbezahlba­re Erfahrung.“Sportlich passe es. „Wie gesagt: Ich kann mich mit dem beschäftig­en, was vor mir liegt.“

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