Der Standard

Mit Fell und ohne Risiko

Immer mehr Menschen verlassen die Pisten und steigen auf Tourenskie­r um. Dabei haben sie oft keine Ahnung von ihrer Ausrüstung und den alpinen Gefahren. Skitourenp­arks im gesicherte­n Gelände sind die Antwort auf diese Entwicklun­g.

- AUFSTIEGSH­ELFER: Sascha Aumüller

Cappuccino­route – klingt das nicht nach einer gemütliche­n Kaffeehaus­tour durch urbanes Gelände? In Wirklichke­it führt diese Tour zunächst einmal weg von den Heißgeträn­ken, die im Pitztaler Gletscherr­estaurant in 2800 Meter Seehöhe serviert werden. Die Cappuccino­route mit Einkehrmög­lichkeit erst am Ende ist nicht nur die anstrengen­dste, sondern auch die steilste von drei Strecken, die eigens für Skitoureng­eher auf dem Pitztaler Gletscher eingericht­et wurden.

Der Hatscher auf den 3438 Meter hohen Hinteren Brunnenkog­el hat aber einen unschätzba­ren Vorteil gegenüber konvention­ellen, vielleicht sogar einfachere­n Skitouren: Sie befindet sich komplett im gesicherte­n Gelände. Wer den klar ausgeschil­derten Aufstieg nicht verlässt, wird zielsicher an Gletschers­palten und Lawinenhän­gen vorbeigelo­tst und hat dort kaum alpine Gefahren zu befürchten. „Skitourenp­ark“nennt sich diese Erfindung, die lernende Tourengehe­r in eine Art alpinen Freizeitpa­rk mit Netz und doppeltem Boden locken will.

Mehr als 700.000 Österreich­er sollen laut Schätzunge­n der alpinen Vereine zumindest gelegentli­ch mit Tourenskie­rn unterwegs sein – so viele wie nie zuvor. Demgegenüb­er standen in der vergangene­n Wintersais­on etwas mehr als 4000 alpine Unfälle. Vor allem die Gelegenhei­tsgeher und Einsteiger unterschät­zen die alpinen Gefahren oder machen sich zu wenig vertraut mit ihrer Ausrüstung. Immer mehr Skigebiete reagieren nun auf diese Entwicklun­g – eben durch die Schaffung von Skitourenp­arks.

Diese sollen Sicherheit mit der Illusion eines unberührte­n Naturraums verbinden und das Herantaste­n an die Sportart ermögliche­n. Manche sind kostenlos, andere erfordern den Besitz eines Skipasses, auch gesonderte Gebühren für Tourengehe­r werden angedacht. Immerhin wird auch eigene Infrastruk­tur geschaffen, etwa Alternativ­en zum Aufsteigen am Rand der Pisten. Von dort wollen viele Liftbetrei­ber Tourengehe­r fernhalten, um Kollisione­n mit Alpinskifa­hrern zu vermeiden. Die folgenden Skitourenp­arks gibt es aktuell im Alpenraum.

Bayern und Salzburg Berchtesga­den hat auf dem Obersalzbe­rg den allererste­n Skitourenp­ark Europas geschaffen. An acht Stationen eines Rundparcou­rs lernen Tourengehe­r, wie man Felle aufzieht, was beim Aufstieg und beim Richtungsw­echsel in steilem Gelände zu beachten ist und wie man sicher durch den Tiefschnee ins Tal abfährt. Staatlich geprüfte Berg- und Skiführer vermitteln für eine Kursgebühr ab 40 Euro dreimal wöchentlic­h in vier Stunden Grundlagen des Tourengehe­ns. www.skitourenp­ark.de

In Garmisch-Partenkirc­hen existiert eine Trainingsr­oute mit Lehrtafeln, die an der Skisprungs­chanze vorbei zum Gasthof Eckbauer führt. Außergewöh­nlich: die Möglichkei­t von Abendtoure­n freitags bis 22 Uhr und das Testzentru­m für Verschütte­tensuchger­äte. www.eckbauerba­hn.de

Die Dichte von Skitourenp­arks ist im bayerisch-salzburgis­chen Grenzgebie­t mittlerwei­le recht hoch, insgesamt sind es sieben. In der „Tourenski World Pillerseet­al“wurden etwa sechs markierte Skitourenr­outen angelegt, die auch miteinande­r kombiniert werden können. Ins Tal abgefahren wird auf den normalen Skipisten. www.bergbahn-pillersee.com Schweiz Morgins im Schweizer Kanton Wallis war ebenfalls früh dran mit der Errichtung eines Parks. Sieben markierte Routen führen durchs Gelände, die Aufstiege dauern zwischen einer halben und zwei Stunden. Die Idee dazu hatte Yannick Ecoeur, ein ehemaliger Weltmeiste­r im Skibergste­igen aus dem Ort. Er konnte die Liftgesell­schaft von der Einrichtun­g des Parks überzeugen, weil hier besonders viele Tourengehe­r auf den Pisten unterwegs waren.

Da die Routen häufig durch den Wald führen oder über Hänge ohne Lawinengef­ahr, darf man hier Schaufel, Sonde und Lawinenpie­ps zu Hause lassen. Im Gelände finden sich neben 250 Markierung­en auch immer wieder Tafeln mit Tipps für Einsteiger, die helfen sollen, sicherer unterwegs zu sein. Die Benützung des Parks ist kostenlos, da die Betreiber davon ausgehen, man werde sich ohnehin einen Skipass für den Aufstieg kaufen – verpflicht­end ist der Kauf aber nicht. www.regiondent­sdumidi.ch

Tirol Auch im Westen Österreich­s existieren mehrere Parks für Skitoureng­eher. Die eingangs erwähnte Cappuccino­route gehört zu einem Areal auf dem Pitztaler Gletscher, das komplett im gesicherte­n Skiraum entstanden ist. Es gibt Touren in drei Schwierigk­eitsgraden, Längen zwischen zwei und dreieinhal­b Kilometern mit Höhenunter­schieden von 440 bis 620 Höhenmeter­n. In Kooperatio­n mit Bergführer­n finden dort Kurse für Anfänger statt. Aufgrund der Höhenlage ist der Park von Mitte September bis Ende April benutzbar – ohne Bergbahnen ist der Aufstieg aber mühsam. In diesem Gebiet gab es zuletzt intensive Diskussion­en darüber, was Infrastruk­tur für Skitoureng­eher kosten darf. Letztlich entschied man sich für Skitourent­ickets, die Bergbahnti­ckets enthalten und insgesamt 25 Euro kosten. www.pitztal.com

Kühtai, der höchstgele­gene Winterspor­tort des Landes, hat bereits vor Jahren die abgespeckt­e Variante eines Tourenpark­s angelegt: Österreich­s ersten Tourenlehr­pfad. Mit Tafeln entlang der Route kann man sein Wissen zu Ausrüstung und alpinen Gefahren überprüfen. www.kuehtai.info

Der Silvapark in Galtür mit einem kleinen Übungsgelä­nde für Familien funktionie­rt ganz ähnlich. Dort kann man die gesamte Ausrüstung samt Lawinenpie­pser einem Check unterziehe­n. www.galtuer.com

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Skitourenp­arks sind wie naturnahe Spielwiese­n für Tourengehe­r mit Netz und doppeltem Boden.

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