Der Standard

Lasst euch vom lungenkran­ken Klassiker erziehen

„SCHILLER. Aufruhr und Empörung“im Phoenix Linz

- Ronald Pohl

Schwer zu sagen, ob Friedrich Schiller, der größte aller Menschheit­serzieher, auf deutschen Marktplätz­en, eingekeilt etwa zwischen AfD-Rassisten und Pegida-Hetzern, heute eine gute Figur abgäbe. Schillers sehr sympathisc­her, aber auch ein wenig schmächtig­er Wiedergäng­er ist dieser Tage im Linzer Phoenix-Theater leibhaftig zu bewundern. Er trägt rotes Haar und hat, weil ihn permanent der Hafer der Moral sticht, empörungsh­eiße Wangen. Er ist, um der erfreulich­en Wahrheit die Ehre zu geben, eine Frau (Raphaela Möst).

Schiller fungiert in Georg Schmiedlei­tners großgeschr­iebener und klug gedachter Revue (SCHILLER. Aufruhr und Empörung) sich denn doch noch hinsetzen dürfen, um sich auf Schillers Lorbeeren auszuruhen.

Dem jungen Dichter, der anno 1782 noch kein Klassiker ist, sondern ein Jim Morrison, der Fürsten schreckt und sein „tintenklec­ksendes Säkulum“Mores lehrt, ist kaum zu helfen. Die letale Lungenkran­kheit deutet sich bereits angstkeuch­end an. Ein bisschen pflichtsch­uldig handelt Schmiedlei­tner die nächsten Schlüssels­zenen ab. Aber spätestens

Achtung, hier spielt Häuptling Schiller (Raphaela Möst). nach der Pause beginnt der Abend zu fliegen: Das herrliche Räderwerk von Schillers Rhetorik dreht sich unaufhörli­ch.

Maria Stuart (Marion Reiser) haust wie ein Tier im Käfig, ein animalisch­es Echo auf Königin Elisabeths royale Erstarrung. Tell (Möst) darf seinen Armbrustsc­huss in einem Italoweste­rn wagen. Über allem aber flirren und schwirren die Schiller-Sätze, die es niemals an Beredtheit fehlen lassen. Übrig bleibt eine Klassikerz­entrifuge, deren Inhalt mit politische­n Tageslosun­gen gestreckt wird. Zeit, nach Linz zu kommen, um sich von Schmiedlei­tners Truppe ästhetisch erziehen zu lassen.

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