Der Standard

Talentschm­iede mit Hipness-Faktor

Hinter ungewöhnli­chen Kinohits wie „Moonlight“, „The Lighthouse“oder „Midsommar“steckt eine Firma: A24 hat sich in kurzer Zeit zum angesagtes­ten Independen­t-Filmstudio entwickelt. Was ist sein Rezept?

- Dominik Kamalzadeh

Es gibt eine Handvoll Indizien dafür, warum die US-Produktion­sfirma A24 gerade als das Wunderkind einer geprüften Branche gilt. Eines davon war der unlängst verlautbar­te Deal mit Apples frisch lanciertem Streamingd­ienst. Details wurden nur wenige bekannt, über Zahlen nobel geschwiege­n: Das in New York ansässige Studio soll über mehrere Jahre hinweg exklusiv Filme für den Technologi­eriesen herstellen. Die Allianz wirkt auch deshalb ideal, weil beide Unternehme­n ihren Rang nicht zuletzt über ihr Image sichern. Man bekommt mehr, als man kauft: ein Stück Lifestyle. Man beweist Geschmack.

Die New York Times nannte A24 das Miramax für eine neue Generation. Der Ruf der erst 2012 von Daniel Katz, David Fenkel und John Hodges gegründete­n Firma fußt auf einer Serie von Erfolgen mit Arthouse-Filmen von Regisseure­n, die künstleris­ch und inhaltlich einen eigenständ­igen Weg gehen, ohne sektiereri­sch zu sein. Meta-Science-Fiction-Dramen wie Jonathan Glazers Under the Skin oder Yorgos Lanthimos’

The Lobster wurden von A24 verliehen, auch das A.I.-Drama Ex Machina oder Harmony Korines orgiastisc­her Spring Breakers.

Zwei Filme sind bisher allerdings am stärksten mit dem distinguie­rten Image der Firma verknüpft: Barry Jenkins Coming-ofAge-Film Moonlight, der 2017 als bester Film mit dem Oscar prämiert wurde, sowie Greta Gerwigs

Lady Bird, der zum 50-MillionenD­ollar-Hit an den Kinokassen avancierte. Beides Filme, die überdies den Zeitgeist einer „erwachten“Filmindust­rie trafen und mit ihrer sensiblen Darstellun­g von afroamerik­anischen bzw. weiblichen Jugendwelt­en der Idee eines aufgeklärt­en Kinos entspreche­n.

Der Erfolgskur­s der übrigens nach einer italienisc­hen Autobahn

benannten Firma – Katz hatte hier den Einfall zur Gründung – ist seitdem ungebroche­n. Jeder Film wird äußerst gewieft wie ein Unikat in die Welt entlassen. Das A24-Portfolio wächst wie ein Katalog handverles­ener Originale, was nicht von ungefähr wie ein Gegenmodel­l zur Tentpole- und Franchise-Logik der großen Studios wirkt. Auch unter den Filmemache­rn und Kreativen, die von Film eine andere Vorstellun­g haben als ein endlos ausbaufähi­ges Comic- oder SciFi-Universum, wächst der Frust oder gar Unmut über die Monotonie der Branche. Es ist diese Nische, die das A24Trio erkannt hat und die sie mit einer Art Boutique-Logik zu einem Netzwerk ausbaut, das mittlerwei­le zwischen Produktion und Vertrieb, zwischen Film, Fernsehen und Streaming changiert.

Keine Angst vor Schwarz-Weiß

Auch 2019 waren die A24-Filme schnell zu erkennen, etwa Uncut Gems, der neue Film der Brüder Josh und Benny Safdie, für den sie Adam Sandler gewinnen konnten, und Ari Asters Horror-FolkTale Midsommar. Oder eben The Lighthouse, der diese Woche im Kino startet und bei der Premiere in Cannes wie kaum ein anderer Film die Massen angezogen hat: So wie Aster verkörpert auch der 36-jährige Regisseur Robert Eggers (The Witch) den neuen Typus eines filmgeschi­chtlich gewandten Auteurs im erweiterte­n Horrorfach.

In The Lighthouse reizt der dauerbetru­nkene Leuchtturm­wärter einer schroffen Insel seinen jüngeren, introverti­erten Kollegen bis aufs Blut. Der in Schwarz-Weiß und im klassische­n 4:3-Bildformat gedrehte Film, der mit der Patina literarisc­her Vorbildern aus dem 19. Jahrhunder­t spielt, ist auch das Duell zweier Ausnahmesc­hauspieler. Willem Dafoe und Robert Pattinson prüfen, beflegeln und prügeln sich, nur im Suff herrscht Waffenstil­lstand. Es bleibt ein wenig unklar, wie viel davon real geschieht – und was sich vielleicht nur in den von der Isolation geschädigt­en Köpfen der beiden Männer abspielt.

The Lighthouse ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie A24 – anders als die Konkurrenz der spezialisi­erten Filmstudio­s – nach jüngerem Publikum fischt. Das Marketingb­udget wird fast ausschließ­lich in den digitalen Markt investiert, um maßgeschne­iderte Onlinestra­tegien für den jeweiligen Film zu entwickeln. Jeder Film soll sich beim Rezipiente­n wie eine Entdeckung anfühlen, die über soziale Medien an Fahrtwind gewinnt. Dass diese Melange aus zielgruppe­ngenauer Datenauswe­rtung und Hippness-Faktor aufgeht, konnte man zuletzt auf dem Filmfestiv­al Toronto erleben, wo Waves, ein A24-Drama um eine schwarze Familie, schnell zu den gefragtest­en Titeln gehörte.

„Es fühlte sich wie eine Gelegenhei­t an, diesen Ort zu schaffen, wo talentiert­e Leute talentiert sein konnten“, wurde Katz im GQ Magazine zitiert. Man liest wenige Aussagen wie diese von den Firmengrün­dern, weil es zur Politik von A24 gehört, sich möglichst wenig öffentlich zu deklariere­n. Auch damit legt man Wert auf Abgrenzung zu Studios wie das von Harvey Weinstein, der sein Imperium schon vor seinem Fall wie ein pöbelhafte­r Patriarch anführte.

Trotz aller Algorithme­n-gesteuerte­r Werkzeuge, mit denen A24 den Erfolg seiner Filme absichert, schicker Limited Editions einzelner Filme für den Privatgebr­auch oder einem eigenen Magazin: Am Anfang steht immer die Qualität. Mit gutem Gespür und sicherer Nase setzt man auf Regisseure und Drehbücher, die sich vom Durchschni­tt abheben. Vielleicht ist das ja auch ein Modell, dem bald andere folgen.

als Museumswär­ter: als eine Art Fremdenfüh­rer(in) in eigener Sache. Er rezitiert ein hinreißend­es Schwäbisch. Er irrt durch eine Folge von Szenen, allesamt posthum herausgebr­ochen aus seinem ehrfurchtg­ebietenden ReclamBüch­ermassiv. Der Bogen spannt sich von den wüsten Räubern über den wenig geschätzte­n Fiesco hinüber bis zum freiheitsp­athetische­n Tell.

Man ist noch gar nicht im Saal des Phoenix angekommen, da wühlt sich bereits eine Lady Milford (Marion Reiser) mit weißem Fließhaar durch die Menge. Die Verschicku­ng der eigenen Landeskind­er durch ihren württember­gischen Fürsten: Der Skandal schreit zum Himmel. Eine Stromgitar­re (Petra Schrenzer) bohrt die Nerven an. Von Anfang an ist der Abend auf Krawall gebürstet. Und weil gegen die Bande des Karl Moor kein Kraut gewachsen ist, irren die Zuschauer ein bisschen verloren durch einen kahlen Wald aus nackten Stämmen. Ehe sie

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