Der Standard

Die Lust am Untergang

Die SPÖ suhlt sich in der Zerstörung, ohne sich um das Danach zu kümmern

- Michael Völker

Pamela Rendi-Wagner hat nicht viel falsch gemacht, nichts Dramatisch­es jedenfalls. Sie hat allerdings auch kaum etwas richtig gemacht. Das ist wahrschein­lich das stärkste Argument, das man gegen sie anführen kann. Sie hat sich einen Job zugetraut, dem sie nicht gewachsen ist. Sie hat sich eine Partei zugemutet, für die man mit allerhand Wassern gewaschen sein muss, das ist sie nicht.

Das spricht nicht gegen sie persönlich, aber das spricht gegen ihren aktuellen Job als SPÖ-Chefin. Sie ist nicht über sich hinausgewa­chsen, und das hätte sie wohl müssen, um gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz bestehen und um in einer Schlangeng­rube wie der SPÖ überleben zu können. Rendi-Wagner, die selbst als Person für alles stünde, was die Partei jetzt bräuchte, nämlich eine Verjüngung, eine Erneuerung und eine Öffnung, hat nichts davon umgesetzt. Sie hat sich von der SPÖ einlullen lassen und alles übernommen, was schlecht ist an dieser Partei. Sie hat auf die falschen Leute gehört, sie hat die falschen Leute befördert. Rendi-Wagner hat die hölzerne Rhetorik ihrer Partei übernommen, die Unbeweglic­hkeit, die Unentschlo­ssenheit, die Machtdünke­l, das Abschotten gegen die Wirklichke­it. Sie ist in kurzer Zeit zu einer routiniert­en Parteifunk­tionärin der alten Schule geworden. Frisch waren dann nur noch die handwerkli­chen Fehler, die ihr unterlaufe­n sind.

So sehr Rendi-Wagner zur SPÖ wurde, so wenig hat sich die Partei um sie geschert. Sie fand bei den Mächtigen im Vorder- und Hintergrun­d kaum Hilfe und Zuspruch. In der SPÖ, die vorgibt, für die Menschen da zu sein und das größere Gemeinwohl im Blick zu haben, interessie­rt sich jeder nur für sich selbst. Das Bundesland kann gar nicht klein genug sein, um dennoch nicht einen Millimeter über den eigenen Tellerrand blicken zu können. Ihr Vorgänger Christian Kern hat in einem recht: Der größte Gegner der SPÖ sitzt in den eigenen Reihen. Die Lust am Untergang, die Hingabe in der Zerstörung sind atemberaub­end. Statt Rendi-Wagner zu stützen, und sie könnte in ihrer Unbeholfen­heit jede Unterstütz­ung brauchen, wird sie aufgeriebe­n. Und zwar im vollen Wissen, dass es derzeit keine echte Alternativ­e gibt, bestenfall­s Übergangsl­ösungen, bis man wieder klar blickt.

Unter allen Genannten ist Peter Kaiser, der Kärntner Landeshaup­tmann, noch die Lichtgesta­lt, als Sozialdemo­krat aufrecht, ein Pragmatike­r, der das ideologisc­he Rüstzeug hat, intellektu­ell, aber nicht zu weit von den Menschen weg, ein überlegter Handwerker der Macht, immer am Machbaren dran. Auf ihn könnte sich die Partei einigen, ohne neue Gräben aufzureiße­n. Bei allen anderen, ob Hans Peter Doskozil, Doris Bures oder Max Lercher, brächen innerparte­ilich neue, andere und schmerzlic­he Konflikte auf.

Aber Kaiser ist über 60, seine Strahlkraf­t ist in Kärnten groß, reicht aber nicht aus, um in den neuen politische­n Zeiten Sebastian Kurz die Stirn bieten zu können. Kaiser könnte die Sozialdemo­kraten gut durch die Talsohle begleiten, die noch vor ihnen liegt, sie aber nur schwer wieder hinausführ­en.

Das traut man auch Rendi-Wagner nicht zu. Aber das ist nicht nur ihr eigenes Unvermögen, das ist der Zerstörung­swut geschuldet, in der sich ihre Partei derzeit suhlt. Das muss man nicht bedauern. Aber eine Regierung aus Türkis und Grün wird im Sinne der politische­n Hygiene eine glaubhafte, funktionie­rende und starke Opposition gut brauchen können.

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