Der Standard

Sagen, was ist

- Petra Stuiber

Die SPÖ zerlegt sich gerade selbst, die FPÖ zerbröselt – und sonst? War da innenpolit­isch noch was? Ach ja, Koalitions­verhandlun­gen zwischen der ÖVP und den Grünen. Man hört, die Stimmung sei heiter bis wolkig, in einigen Themen stimme man bereits überein, in anderen dagegen liege man „beachtlich weit auseinande­r“(Oberösterr­eichs grüner Landesrat Rudi Anschober). Am Montag soll evaluiert werden, ob und wie man weitermach­t. Das war’s dann aber auch bisher an Informatio­n für die Öffentlich­keit.

Es ist erstaunlic­h, wie schnell die grünen Verhandler von der türkisen „Schnöseltr­uppe“(Werner Kogler im Wahlkampf) gelernt haben – zumindest, was das Thema Message-Control angeht. Wer gedacht hatte, Kogler werde Mühe haben, das Orchester der kritischen grünen Stimmen zu dirigieren, stellt überrascht fest: So schwer war das offenbar gar nicht. Allesamt sind sie zahm und wortkarg.

Nun muss man den Grünen zugestehen, dass die Verhandlun­gen mit Sebastian Kurz für sie ein heikler Balanceakt sind. Man ist heute an einer Regierungs­beteiligun­g noch näher dran als Anfang des Jahrtausen­ds mit der ÖVP unter Wolfgang Schüssel. Das will man nicht vergeigen, Politik ist kein Selbstzwec­k, jeder, der sich politisch betätigt, will gestalten. Das funktionie­rt in einer Koalition aber nur, wenn man zu Kompromiss­en bereit ist. Das ist der kritische Punkt: Wo macht man Kompromiss­e, wo nicht? Welche Pflöcke schlägt man ein, wo sind die roten Linien?

Von Kurz erfuhr man beispielsw­eise vor Beginn der Verhandlun­gen lediglich, dass er fest entschloss­en sei, seinen bisherigen restriktiv­en Migrations­kurs fortzusetz­en, weil er sich seinen Wählern verpflicht­et fühle. Von den Grünen war zu hören, dass man sich zu den Menschenre­chten bekennt. Dazwischen liegt ein langer Weg. Oder ein breiter Graben, je nach Betrachtun­gsweise.

Grüne Wähler fragen immer noch ratlos nach, wie sich das denn alles ausgehen soll? Man will wissen, wie viel Spielraum überhaupt möglich ist. Das ist auch gut so. Jede große politische Maßnahme muss von einer Mehrheit der Bürger in einer Demokratie mitgetrage­n werden. Migration und Klimaschut­z zählen da zweifellos dazu. Wer dies ignoriert oder über die eigenen Leute drüberfähr­t, wird auf Dauer nicht erfolgreic­h sein. Kurz und Kogler sollten gut überlegen, was sie am Montag der Öffentlich­keit sagen – und was sie weiterhin verschweig­en wollen.

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