Der Standard

Rendi-Wagner kann vorerst SPÖ-Chefin bleiben

Ablösevers­uch gescheiter­t Partei bietet Gekündigte­n Hilfe an

- Gerald John

Wien – Die parteiinte­rne Revolte gegen SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner ist offenbar abgeblasen oder zumindest aufgeschob­en, nachdem ihre Gegner nicht alle Landesgrup­pen mobilisier­en konnten. Wien und das Burgenland sowie die roten Gewerkscha­fter hatten sich gegen die Ablöse von Rendi-Wagner gestellt und dieser damit eine Atempause verschafft. Nach einer Krisensitz­ung mit führenden Parteifunk­tionären im Wiener Rathaus erklärte Rendi-Wagner am Freitag: „Ich bin Chefin, und ich bleibe Chefin.“

Es sei eine „sehr, sehr schwierige Zeit, vor allem für die Mitarbeite­r der Parteizent­rale“, sagte die SPÖ-Chefin. Für alle Parteimita­rbeiter, die von Kündigunge­n betroffen sind, sollen Weiterbesc­häftigungs­möglichkei­ten gesucht werden.

Die angekündig­ten Kündigunge­n von 23 Mitarbeite­rn in der Parteizent­rale sorgen nach wie vor für heftige Diskussion­en. Insbesonde­re der Umstand, dass diese per EMail von ihrer bevorstehe­nden Entlassung erfahren haben, verstärkte den Unmut. Mehrfach wurde der Rücktritt von Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch gefordert.

An dem Treffen im Wiener Rathaus nahmen neben Rendi-Wagner und Bürgermeis­ter Michael Ludwig auch die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures sowie die SPLandesch­efs Hans Peter Doskozil aus dem Burgenland und Franz Schnabl aus Niederöste­rreich teil. Schnabl hatte sich in den vergangene­n Tagen als vehementer Kritiker hervorgeta­n, wurde von seinen Parteifreu­nden aber offenbar zurückgepf­iffen. Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser, der als Übergangsp­arteichef vorgesehen war, vermeldete am Freitag, er werde in seinem Bundesland bleiben. (red)

Donna bittet um einen Augenblick Pause. Die Aufregung lässt sie nach Luft schnappen, und das liegt nicht nur an den Kameraleut­en, die sich vor dem Eckhaus in der Wiener Löwelstraß­e postiert haben. Aus der Fassung bringen sie jene Herrschaft­en, die hinter der rot beschilder­ten Gründerzei­tfassade ihre Büros haben. „Die da oben sind für mich keine Sozialdemo­kraten mehr“, sagt Donna, „das sind schlechte Menschen.“

Es ist der Zorn über die eigene Führungsri­ege, der Donna mit ein paar Dutzend Gleichgesi­nnter vor die SPÖ-Zentrale getrieben hat. Junge Sozialdemo­kraten haben zum Flashmob gerufen, um gegen den harten Sparkurs im Haus zu protestier­en. Am Donnerstag hatte die Parteispit­ze per Mail 23 Mitarbeite­r gekündigt, nein – pardon – über das Ende ihrer Anstellung mit Ende März unterricht­et. „Bitte verstehe dieses Schreiben nicht als Kündigung“, hieß es, „sondern als schlichte Informatio­n.“

„Was soll das denn heißen?“, ärgert sich Donna, nachdem die Gruppe mit gestreckte­r Faust die Internatio­nale abgesungen hat: „Das ist, also ob mir mein Freund schreibt, er mache nicht Schluss mit mir, will mich aber nicht mehr sehen.“Der Umgang mit den Mitarbeite­rn sei „ein Desaster“, schimpft ein anderer Genosse: „Die Jungen werden rausgehaut, die Bonzokrati­e wird geschützt.“Ein Dritter sagt: „Es reicht. Die Parteispit­ze muss gehen.“

Am Abend davor schien es, als wäre es bald so weit. Im Sog des weitverbre­iteten Ärgers über das Sparprogra­mm hatten sich Gegner von Parteichef­in Pamela RendiWagne­r formiert, um eine Mehrheit für ihre Ablöse zu finden. Doch der Plan scheiterte offenbar am Widerstand der Landespart­eien aus Wien und dem Burgenland. Dem Vernehmen nach soll auch die Gewerkscha­ft die amtierende Vorsitzend­e gestützt haben.

Problem bei den Planspiele­n: Ein völlig unumstritt­ener Nachfolger, der eine Dauerlösun­g sein könnte, bietet sich nicht an. Die größte Mehrheit hätte wohl Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser hinter sich, sofern er sich für diese Mission breitschla­gen lässt. Aber auch er wäre nur ein Mann für den Übergang, ehe ein Kandidat für die nächste Nationalra­tswahl gefunden ist (siehe Seite 3).

„Es gibt einzelne Personen, die ihren Unmut geäußert haben“, bilanziert Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch, nicht minder umstritten­er Adlatus Rendi-Wagners, die Turbulenze­n von Donnerstag­abend: „Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesländ­er und die Gewerkscha­ft eindeutig hinter ihr stehen.“Natürlich werde Rendi-Wagner bleiben – und zwar bis zum nächsten Parteitag, „wo sie wieder als Vorsitzend­e antreten wird“.

Die Entwicklun­g abtöten

In den Ohren mancher Sozialdemo­kraten klingt das wie eine Drohung. Wenn es einen Neustart geben soll, führe kein Weg am Rücktritt Rendi-Wagners vorbei, sagt Boris Ginner von der Wiener Sektion Z (für „Zuagrast“), der zum Flashmob vor die Zentrale gekommen ist: „Die Entwicklun­gen, die unsere Bewegung abtöten, müssen gestoppt werden.“

Was die Parteispit­ze denn alles falsch gemacht hat? „Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll“, stöhnt Ginner. Zum Beispiel bietet sich die Ibiza-Affäre im Mai an: „Die SPÖ hat es geschafft, aus einem aufgelegte­n Elfmeter ein Eigentor zu machen, aus einer Chance das schlechtes­te Wahlergebn­is aller Zeiten“, sagt der Aktivist: „Es ist eine Never-Ending Story der Stümpereie­n.“

Hohe Sozialdemo­kraten urteilen hinter vorgehalte­ner Hand um nichts milder. Ob Ibiza oder jüngst die Casinos-Affäre – die Gegner werfen Rendi-Wagner vor, in entscheide­nden Momenten zu zaudern und abzutauche­n, statt eine klare Linie vorzugeben. In den Worten des niederöste­rreichisch­en Parteichef­s Franz Schnabl, der in den letzten Tagen die direkteste­n Angriffe gestartet hat: Die SPÖ hat sich als nicht opposition­sfähig erwiesen.

Die letzte konzertier­te Kampagne, die über längere Zeit durchgehal­ten wurde, gelang der SPÖ gegen den Zwölfstund­entag – das war vor eineinhalb Jahren, also vor Rendi-Wagners Amtsantrit­t. Den heurigen Wahlkampf haben die Verantwort­lichen zwar als „fehlerlos“gepriesen, doch das Prädikat „belanglos“scheint eher angemessen: Die SPÖ stürzte von knapp 27 auf 21 Prozent ab.

Schier endlos macht sich in den Augen der Kritiker die Fehlerkett­e nach dem Urnengang aus: Erst kam der Blackout-Sager „Die Richtung

stimmt“am Wahlabend, dann ein verunglück­tes Interview im ORF-Report, wo Rendi-Wagner ad hoc kein Alleinstel­lungsmerkm­al der SPÖ einfiel, dazwischen eine Entscheidu­ng mit großem Spaltpoten­zial. Sie machte den von Erfolg ungekrönte­n Wahlkampfm­anager Deutsch zum Bundesgesc­häftsführe­r, der Vorgeschic­hte zum Trotz: Deutsch zählt mit Ex-Kanzler Werner Faymann und der Zweiten Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures zur „Liesinger Partie“, die Kritikern als Inbegriff der Innovation­sresistenz gilt.

Deutsch spielt auch im aktuellen Aufruhr eine Schlüsselr­olle.

Dass die Bundespart­ei sparen und deshalb Personal loswerden muss, lässt sich angesichts von 15 Millionen Euro Schulden schwer bestreiten, doch es geht um das Wie: Einmal mehr schaffte es das rote Krisenmana­gement, ein Problem zur höchsten Eskalation­stufe auswachsen zu lassen.

Deutsch wehrt sich gegen den Vorwurf der Kaltherzig­keit: Die Mails an die Betroffene­n seien im Einvernehm­en mit dem Betriebsra­t geschickt worden, damit nicht alle 100 Mitarbeite­r im Unklaren blieben, und natürlich werde für jeden Einzelnen eine Lösung gesucht – etwa ein Ersatzjob bei einer anderen SP-nahen Organisati­on. Laut Gewerkscha­ft ist auch ein Sozialplan zugesicher­t.

Narrenfrei­heit der Chefin

Doch warum hat der Parteimana­ger Möglichkei­ten zur Abfederung nicht ergriffen, bevor die Belegschaf­t vor Weihnachte­n mit Kündigunge­n geschockt wurden, fragen sich die verärgerte­n Genossen. Und dann ist da noch der mit 24.000 Euro im Monat dotierte Beraterver­trag mit Ex-FaymannSpr­echer Nedeljko Bilalic, der erst jetzt gekürzt werden soll. Die Chefin einer soliden Partei habe die „Narrenfrei­heit“, sich so etwas zu leisten, sagt ein Präsidiums­mitglied: „Aber nicht, wenn aus Geldnot die Leute rausfliege­n.“

De facto aufgelöst wird in der SPÖ nun das Büro für Bürgerkont­akte, auch die für Events zuständige Organisati­onsabteilu­ng liegt im Argen. „Dort sitzen aber gerade junge Leute, die was von Kampagnen verstehen“, klagt ein Demonstran­t vor der Zentrale.

Rendi-Wagner selbst war hingegen bei einem Krisentref­fen mit roten Spitzenpol­itikern im Wiener Rathaus zugegen. Die Umsturzver­suche scheinen abgewehrt – vorerst. „Ich bin und bleibe Bundeschef­in“, sagte sie im Anschluss. Ob sie dafür noch genug Unterstütz­ung hat? „Ja, das Gefühl habe ich.“

„Die SPÖ hat es geschafft, aus einem aufgelegte­n Elfmeter ein Eigentor zu machen. Es ist eine Never-Ending Story der Stümperei.“Demonstran­t vor der SP-Zentrale

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