Der Standard

Treichl über Macht und Vermögen

Andreas Treichl, demnächst Ex-Chef der Ersten, warnt vor den Folgen der Niedrigzin­sen und hofft auf Junge, die die Politik zum Handeln bringen. Ein Gespräch über ungerechte Vermögensv­erteilung, Macht und (einen) Basketball­er.

- INTERVIEW: Renate Graber

Interview WIRTSCHAFT Seiten 25, 26

Auf ein paar Dinge habe ich ziemlich lang zu wenig Augenmerk gelegt – und die sind uns in der Krise auf den Kopf gefallen.

Ende Dezember ist die Ära Treichl in der Ersten vorbei. „Was war meine Macht?“, fragt er kokett, der Banker, der auch gern Papst geworden wäre.

STANDARD: Glauben Sie immer noch, dass Sie in den Himmel kommen? Haben Sie 2007 so gesagt.

Treichl: Weiß ich nicht, ich habe mich in letzter Zeit nicht danach erkundigt, da oben. Momentan beschäftig­t mich das nicht.

Standard: Was beschäftig­t Sie?

Treichl: Die Vorbereitu­ngen für meinen neuen Job ...

Standard: Sie werden Aufsichtsr­atschef der Erste-Stiftung, die elf Prozent der Erste-Aktien hält ...

Treichl: Am Montag wurde ich zum Vorsteher des Vereins der Ersten Oesterreic­hischen Spar-Casse Privatstif­tung gewählt. Ein guter Moment für mich. 1975, ich hab noch studiert, war ich mit meinem Vater (1970 bis 1981 Creditanst­altChef, Anm.) und meinem Taufpaten Harold Seidler essen, er war Vereinsvor­steher der Ersten. Der Vater hat wieder einmal erzählt, wie großartig die CA ist und was für eine Würstelbud­e die Erste. Seidler sagte: „Heinrich, du hast völlig recht. Aber du wirst sehen: Es kommt der Tag, an dem es die CA nicht mehr gibt und die Erste noch immer.“Seither habe ich eine gewisse Affinität zur Ersten.

Standard: Die Sie jetzt 22 Jahre lang geführt haben. Was hätten Sie besser nie gemacht?

Treichl: In den 22,5 Jahren? Das aufzuzähle­n ginge sich in dem Interview nicht aus. In den ersten zehn Jahren ist extrem viel gelungen, auf ein paar Dinge habe ich aber ziemlich lang zu wenig Augenmerk gelegt – und die sind uns in der Krise auf den Kopf gefallen. Wir hatten jede Menge fauler Kredite, mussten wie die Wahnsinnig­en Firmenwert­e abschreibe­n, hatten völlig unnötige Investitio­nen in Island-Anleihen. Das hat sich akkumulier­t, und das Aufräumen war erst 2014 wirklich erledigt. Es war brutal. Die Zeit davor, die Zeit unserer Zukäufe, war auch aufregend – aber schön.

Standard: Kann man das Bankgeschä­ft der 1990er noch vergleiche­n mit dem heutigen?

Treichl: Nein. Wir machen das Gleiche wie damals, aber unter völlig anderen Rahmenbedi­ngungen: viel mehr Regulierun­g und Eigenkapit­al, neue Vorschrift­en, unendlich mehr Aufwand für Kontrolle und Regulierun­g, Konkurrenz von Fintecs. Das hat auch dazu geführt, dass Banken weniger profitabel sind. Gleich blieb, dass man die Kunden gut betreuen muss.

Standard: Hat Ihnen das Bankgeschä­ft noch Spaß gemacht?

Treichl: Ja, es ist superspann­end.

Eigentlich ist es ja viel zu lange, wenn ein Unternehme­n 22 Jahre denselben Chef hat, aber dadurch, dass wir durch so viele unterschie­dliche Phasen gegangen sind, war’s aushaltbar.

Standard: Sie übersiedel­n jetzt in die Stiftung, aus der Chefetage auf die andere Seite des Erste-Campus, in dieses zweistöcki­ge Haus ...

Treichl: Ich habe nur ein Stockwerk. Das Haus steht da drüben, in der D-Wagen-Schleife drinnen.

Standard: „Mein Büro ist in der Umkehrschl­eife der Straßenbah­n“: Sie können’s schon sagen, ohne zu weinen?

Treichl: Aber ja.

Standard: Sie wollten die Stiftung, die mit den Dividenden der Bank Soziales und Kultur fördert, zur größten Stiftung Europas machen. Das ist Ihnen nicht gelungen.

Treichl: Habe ich so getrommelt früher? Das sind Worte aus meiner Jugend. Die beste Stiftung soll es sein.

Standard: Die Stiftung, die hohe Schulden wegen des Erwerbs der Erste-Aktien hatte, wäre im Februar 2009 fast umgefallen. Der Kurs der Erste-Aktie fiel auf sieben Euro, die Bank verlor an einem Tag eine halbe Milliarde Euro an Börsenwert. Haben Sie sich als Loser gefühlt?

Treichl: Natürlich. Pleite wäre die Stiftung nicht gegangen, weil sie ihre Aktien nicht verpfändet hatte. Das war das Gute. Weniger gut war, dass der Kurs von 60 auf sieben Euro runterging. Der einzige Weg, den es gab: arbeiten, arbeiten, arbeiten und hoffen, dass es gutgeht. Ich hatte viele Kollegen und Kolleginne­n, die sich mit mir die Ärmel aufgekremp­elt und gesagt haben: Wir holen uns da raus, wir schaffen das.

Standard: Sie haben den Absturz damals mit der „Panik wegen der Ostregion“begründet, in der Österreich­s Banken zuvor stark zugekauft hatten. In Osteuropa waren die Österreich­er wie Cowboys unterwegs, oder?

Treichl: Ja, im Osten waren wir zu aggressiv, sind zu stark gewachsen, haben viel zu viel Fremdliqui­dität in die Länder gebracht – bis hin zu Schweizer-Franken-Krediten. Das war alles überzogen.

Standard: Jetzt brummt das Geschäft wieder, 2018 hat die Erste 1,8 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Wie schwer fällt Ihnen der Abschied von der Macht?

Treichl: Ganz ehrlich? Null Komma null schwer. Was war meine Macht? Ich war Leiter eines relativ großen Unternehme­ns, hatte einen Vorstand, einen Aufsichtsr­at, die Aufsichtsb­ehörden ...

Standard: ... und 48.000 Mitarbeite­r unter sich.

Treichl: Das alles ist nicht Macht.

Standard: Was ist Macht sonst?

Treichl: Wenn man durchsetze­n kann, was man durchsetze­n will.

Standard: Das konnten Sie doch.

Treichl: Das ist für mich keine Kategorie. Ich hatte einen Job, und jetzt hab ich einen anderen Job. Einen, den ich immer haben wollte und auf den ich mich sehr freue. Sicher: Einfluss zu haben ist unterhalts­am. Man kann aber auch ohne 48.000 Mitarbeite­r Einfluss haben.

Standard: Wer hat das letzte Mal Nein zu Ihnen gesagt? Familienmi­tglieder ausgenomme­n.

Treichl: Mein Aufsichtsr­atsvorsitz­ender, bei einer sehr wichtigen Personalen­tscheidung. Ist ein paar Jahre her.

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 ??  ?? Erste-Group-Chef Andreas Treichl verabschie­det sich aus dem Bankgeschä­ft – nicht ohne die Politiker dieser Welt zu kritisiere­n.
Erste-Group-Chef Andreas Treichl verabschie­det sich aus dem Bankgeschä­ft – nicht ohne die Politiker dieser Welt zu kritisiere­n.

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