Der Standard

Casinos zieht mit Abberufung von Sidlo die Notbremse

Umstritten­er Finanzvors­tand muss mit sofortiger Wirkung ohne Abfindung gehen

- Renate Graber

Wien – Der Aufsichtsr­at der Casinos Austria hat am Montag die Abberufung von Peter Sidlo beschlosse­n. Der blaue Finanzvors­tand war erst im März 2019 bestellt worden. Er steht laut Justizbehö­rde im Mittelpunk­t eines Deals von FPÖ und Novomatic, mit dem im Gegenzug zu Sidlos Ernennung Glücksspie­llizenzen in Aussicht gestellt worden sein sollen. Alle Beteiligte­n bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Vor der Aufsichtsr­atssitzung hatten Gutachter den erwarteten Persilsche­in ausgestell­t: Demnach habe die Ernennung Sidlos keine Verfehlung dargestell­t. Warum dennoch die Abberufung erfolgte? Wegen drohender Reputation­sschäden für die Casinos Austria, also zur Sicherung des guten Rufs des Unternehme­ns. Maßgeblich seien Umstände nach der Bestellung des Finanzchef­s gewesen, hieß es. Sidlo, der weiterhin im Generalrat der Nationalba­nk sitzt, hat aus Casinos-Sicht keine Ansprüche nach der Abberufung, die mit sofortiger Wirkung erfolgt. Allerdings gehen Experten davon aus, dass er eine Entschädig­ung seines Dreijahres­vertrags zumindest prüfen werde.

Auch abseits der Causa Casinos hatte die FPÖ enge Beziehunge­n zur Glücksspie­lbranche. So wollte Parteichef Heinz-Christian Strache dem „Pokerkönig“Peter Zanoni helfen. Nun rutscht die Causa ins Blickfeld der Ermittler. (red)

Peter Sidlos Zeit als Finanzvors­tand in der Casinos Austria AG (Casag) ist Geschichte. Am Montagvorm­ittag hat der Aufsichtsr­at in einer außerorden­tlichen Sitzung nach heftigen Debatten entschiede­n, den früheren Wiener FPÖ-Bezirksrat und

Exchef der kleinen Investment­firma Sigma abzuberufe­n und seinen – eigentlich für drei Jahre abgeschlos­senen – Vertrag mit sofortiger Wirkung zu beenden. Die Konsequenz: Sidlo bekommt kein Geld mehr, sein Vertrag wird nicht ausbezahlt.

Dass die Personalie Peter Sidlo für den teilstaatl­ichen Glücksspie­lkonzern mit diesem Paukenschl­ag beendet ist, ist unwahrsche­inlich. Darüber, ob vor allem die sofortige Beendigung des Vorstandsv­ertrags des 45-Jährigen auch vor Gerichten halten würde, lässt sich aus juristisch­er Sicht trefflich streiten – und Sidlo wird wohl vieles tun, nur nicht so schnell nachgeben.

Eine rechtliche Auseinande­rsetzung ist ziemlich wahrschein­lich – gegeben hat es so etwas ja schon öfter. Erinnert sei an dieser Stelle nur an die Verabschie­dung von Rudolf Kemler als Chef der staatliche­n Beteiligun­gsgesellsc­haft Öbib (heute: Öbag). Der daraus resultiere­nde Gerichtsst­reit um nicht oder schon konsumiert­e Urlaubstag­e und Auflösungs­vereinbaru­ng hat mit einem Vergleich geendet; dem Vernehmen nach hat die Republik letztlich rund 300.000 Euro bezahlt.

Teure Rauswürfe

Auch der vormalige Vizegouver­neur der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB), Wolfgang Duchatczek, hat seinen Gerichtsst­reit gegen die Notenbank vor wenigen Jahren gewonnen. Er war im Rahmen des Schmiergel­dskandals in der OeNB-Tochter Notenbankd­ruckerei freigespro­chen worden; zuvor hatte ihn die OeNB quasi rausgeworf­en. In der Folge hat Duchatczek sein Verfahren um Abfertigun­g, Notenbankp­ension und derlei mehr gewonnen, es ist um etliche Millionen Euro gegangen.

Stichwort OeNB: In ihrem Generalrat hat auch Sidlo seit 2018 Sitz und Stimme. Ob seine Abberufung aus dem Casag-Vorstand Konsequenz­en auf dieses Mandat hat? Das ist – aus rechtliche­r Sicht – nicht zu erwarten. Denn aus dem OeNB-Kontrollgr­emium fliegt man nur wegen „schwerer Verfehlung­en“.

Sidlo hatte zwar in den vergangene­n Monaten freiwillig­erweise nicht an den Generalrat­ssitzungen teilgenomm­en, in der jüngsten Sitzung, in der es auch um die Arbeitswei­se von Gouverneur Robert Holzmann (FPÖ) ging, war er dann aber schon wieder dabei. Beurlaubt ist er in der OeNB nicht.

Und was hat nun zu Sidlos Ablöse gefüht? Eine doch recht turbulente Aufsichtsr­atssitzung, in der Casag-Vorstandsv­orsitzende Bettina Glatz-Kremsner (ehedem Vizepartei­obfrau der ÖVP) und die Arbeitnehm­ervertrete­r im Aufsichtsr­at eine gewichtige Rolle gespielt haben.

Das Gremium unter Führung von Raiffeisen-Generalanw­alt

Walter Rothenstei­ner war ja zusammenge­kommen, um über den internen Prüfberich­t zur Bestellung Sidlos zu beraten. Erstellt haben den Rechtsanwa­lt Georg Schima, Forensiker der KPMG und als „Aufpasser“übers Procedere Anwalt Stephan Frotz. Ihn hatte der größte Casag-Aktionär, die Sazka-Group, in die Prüftruppe moniert. Die Sazka war von Anfang an gegen die Bestellung Sidlos gewesen, hatte sich in der Abstimmung dann der Stimme enthalten. Sie hielten Sidlo, wie Personalbe­rater Egon Zehnder, nicht für den Job geeignet. Inzwischen ermittelt die Korruption­sstaatsanw­altschaft gegen Sidlo, Rothenstei­ner und zwei seiner Stellvertr­eter im Präsidium, Novomatic-Chef Harald Neumann und Josef Pröll. Es geht um den Vorwurf, hinter Sidlos Bestellung sei ein Deal zwischen FPÖ und Novomatic gestanden, auch gegen Exvizekanz­ler HeinzChris­tian Strache (FPÖ), Johann Gudenus (Ex-FPÖ), Exfinanzmi­nister Hartwig Löger und seinen Generalsek­retär Thomas Schmid (heute: Öbag-Chef) wird ermittelt. Sie alle bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Appell der Casag-Chefin

Zurück zum Montag. Gleich zu Beginn der Aufsichtsr­atssitzung meldete sich Bettina Glatz-Kremsner zu Wort, mit dem Appell, man möge klare und rasche Entscheidu­ngen im Sinne des Unternehme­ns treffen. Die Mitarbeite­r seien besorgt, soll die Casag-Chefin argumentie­rt haben. In die gleiche Kerbe, nur viel tiefer, schlugen dann die Belegschaf­tsvertrete­r im Aufsichtsr­at. Die Frage sei nicht, ob Sidlo schuldig oder unschuldig sei, meinten sie sinngemäß, sondern ob er gut für die Casag sei. Und: Sie stellten einen Antrag auf Sidlos Abberufung. Der kam auch, nach bewegten Diskussion­en und einem ersten Abblockver­such, zur Abstimmung. Die Beschuldig­ten (Rothenstei­ner, Neumann, Pröll) enthielten sich der Stimme, ein Novomatic-Vertreter soll dagegen votiert haben, alle anderen – und damit die Mehrheit – waren für die vorzeitige Abberufung des (seit Monaten) beurlaubte­n Vorstandsm­itglieds.

In den Worten der Casag sei das „zum Wohle des Unternehme­ns“geschehen, „maßgebend waren Umstände nach der Bestellung Sidlos, die nicht Gegenstand der internen Untersuchu­ng“gewesen seien. Damit sind die Erkenntnis­se aus den Hausdurchs­uchungen gemeint, etwa die Chatprotok­olle zur Causa Postenscha­cher.

Der Aufsichtsr­at bekam von den internen Prüfern laut Casag-Aussendung einen Persilsche­in ausgestell­t. Sowohl bei der Bestellung Sidlos als auch bei der Trennung von den zwei Altvorstän­den habe er korrekt gehandelt. Letztere hat sehr viel Geld gekostet und u. a. Rothenstei­ner den Verdacht der Untreue eingetrage­n.

Schriftlic­h liegen die Prüfberich­te noch nicht vor, Schima und Frotz haben vom Ergebnis berichtet. Wobei Frotz dem Vernehmen nach Bedenken zum Prozedere geäußert hat. Angeblich hätte er es für opportun gehalten, dass auch Nichtbesch­uldigte und außenstehe­nde Experten das Ergebnis begutachte­n sollten.

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Peter Sidlo hat eine Funktion weniger. Nach seinem Rauswurf bei der Casinos Austria AG fungiert er aber immer noch als Generalrat in der Nationalba­nk.
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