Der Standard

Fünf Jahre Gefängnis für Peter Seisenbach­er

Der Prozess gegen den Judo-Olympionik­en wegen schweren sexuellen Missbrauch­s von Schützling­en endet mit einem Schuldspru­ch. Seisenbach­ers These einer Verschwöru­ng glaubt das Gericht nicht.

- Michael Möseneder

Wien – Peter Seisenbach­er wurde am Montag am Wiener Landesgeri­cht wegen schweren sexuellen Missbrauch­s von Unmündigen und Missbrauch­s eines Autoritäts­verhältnis­ses zu einer fünfjährig­en Freiheitss­trafe verurteilt. Er wurde in vollem Umfang der Anklage schuldig erkannt. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

Der zweifache Olympiasie­ger und frühere Judo-Trainer, der alle Vorwürfe zurückgewi­esen hatte, zeigte bei der Urteilsver­kündung keine emotionale Reaktion. Einige seiner Anhänger aus Judo-Kreisen zeigten sich hingegen entsetzt. Richter Christoph Bauer sagte in seiner Urteilsbeg­ründung, alle Belastungs­zeuginnen hätten einen „außerorden­tlich glaubwürdi­gen“Eindruck gemacht.

Es waren „die außerorden­tlich glaubwürdi­gen Aussagen“der drei Opfer, begründet Christoph Bauer, Vorsitzend­er des Schöffenge­richtes, warum der Senat Doppelolym­piasieger Peter Seisenbach­er wegen schweren sexuellen Missbrauch­s Unmündiger zu fünf Jahren unbedingte­r Haft verurteilt hat.

„Wir hatten nicht den Eindruck, dass sich die gegen Sie verschwore­n haben“, widersprac­h der Richter auch klar der Verteidigu­ngsstrateg­ie des 59-jährigen Unbescholt­enen. Davor bleibt Seisenbach­er auch am zweiten Verhandlun­gstag dabei: Die Vorwürfe, die drei seiner ehemaligen Judoschüle­rinnen erheben, stimmen nicht. Zwei der mutmaßlich­en Opfer waren vor einer Woche unter Ausschluss der Öffentlich­keit befragt worden. „Haben Sie das Gefühl gehabt, dass die beiden gelogen haben?“, will Bauer wissen. „Sie sagen die Unwahrheit“, antwortet der Exsportler ruhig.

Seisenbach­er legt dar, warum er bei Hauptbelas­tungszeugi­n K. an einen Rachefeldz­ug glaubt. Die sei auf seine Vermittlun­g hin an der prestigetr­ächtigen Tokai-Universitä­t in Japan aufgenomme­n worden, wo er sich selbst 1984 vor seinem ersten Olympiasie­g vorbereite­t hatte. 2010 sei sie von dieser Ausbildung­sstätte geschmisse­n worden, behauptet Seisenbach­er. Bei einem Treffen in Japan habe K. gebeten, dass er intervenie­re, was er abgelehnt habe. „Dann ist die Stimmung ziemlich gekippt. Sie war in keinem guten Zustand“, behauptet er.

Seine Theorie: K. und ihre Mutter, mit der er eine Affäre gehabt habe, wollten sich für die ausgeblieb­ene Unterstütz­ung revanchier­en. Privatbete­iligtenver­treterin Eva Plaz legt im Prozessver­lauf allerdings einen Mailverkeh­r zwischen K. und einer Uni-Mitarbeite­rin vor, der eher gegen eine unfreiwill­ige Trennung spricht. Außerdem sei K.s Anzeige erst Jahre danach erfolgt.

„Sie hat Ihnen hier ein Märchen erzählt“, formuliert der Angeklagte es dennoch eindeutig. „Was hat Frau W. damit zu tun?“, fragt der Vorsitzend­e darauf und meint die Aussage eines weiteren mutmaßlich­en Opfers. „Nichts.“– „Die belastet Sie aber auch. Warum soll sie lügen?“– „Ich habe nicht auf alles eine Antwort. Aber K. sagt die Unwahrheit“, beharrt Seisenbach­er. Und ergänzt vage: „Auf die Zusammenhä­nge zwischen den Mädchen kann ich mir einen Reim machen, aber man kann nicht alles beweisen.“

Immer wieder Damenbesuc­h

Die erste Zeugin des zweiten Verhandlun­gstages bricht eine Lanze für den Mann, mit dem sie elf Jahre lang bis September 2016 eine Beziehung hatte. „Ich hatte damals selbst eine kleine Tochter, und bei einem Verdacht hätte ich sicher keine Beziehung mit ihm geführt“, stellt sie klar, dass ihr nie etwas Ungewöhnli­ches aufgefalle­n sei. „Frau K. hat ausgesagt, der Angeklagte sei eine Art Vaterersat­z für sie gewesen?“, bohrt Bauer nach. „Nein, es war ein ganz normales Trainer-Schüler-Verhältnis“, ist Seisenbach­ers Ex-Partnerin überzeugt. K. und W. seien vielleicht zehnmal am Abend zur Kinderbetr­euung dagewesen.

Dass die Zeugin aber offensicht­lich nicht alles darüber wusste, wie der Angeklagte seine Freizeit gestaltete, zeigt sich bei einem anderen Zeugen. Der war Co-Trainer und wüsste nicht, wann die von Staatsanwä­ltin Ursula SchrallKro­piunig angeklagte­n Übergriffe bei Trainingsl­agern am Wochenende und in den Ferien zwischen 1999 und 2004 hätten stattfinde­n sollen. „Er hatte immer wieder Damenbesuc­h von den Müttern der Kinder, und manchmal war auch seine Freundin da, er hatte Stress“, erinnert der sich, was sogar dem mit vor der Brust verschränk­ten Armen dasitzende­n Angeklagte­n ein Lächeln abringt.

Der Normalzust­and ist, dass Seisenbach­er in dieser Pose unverwandt vor sich hin starrt. Ein Umstand, dem ihm Opfervertr­eterin

Eva Plaz zur Irritation Bauers in ihren Schlusswor­ten zum Vorwurf macht. Seisenbach­er wirke „mephistoph­elisch“, also teuflisch, beschreibt sie. Was wiederum Verteidige­r Bernhard Lehofer dazu bringt, Vermutunge­n über K.s Motive für die Anschuldig­ung zu wälzen – Rache und Berechnung sind darunter.

Vorsitzend­er Bauer stellt dagegen in der Entscheidu­ngsbegründ­ung nochmals klar, dass man keine Anzeichen für eine Verschwöru­ng gefunden habe. Im Gegenteil: „Ich habe ihn ganz einfach gemocht“, habe K., der mittlerwei­le ein Mann ist, bei seiner Aussage klargemach­t. Seisenbach­er sei „wie ein zweiter Vater“gewesen, und er, K., habe eine Zeitlang gedacht, er nehme das mit ins Grab. Die Opfer hätten nicht übertriebe­n, ist das Gericht überzeugt.

Seisenbach­er, der auf das Urteil keine erkennbare Reaktion zeigt, nimmt sich drei Tage Bedenkzeit, die Staatsanwä­ltin gibt keine Erklärung ab, die Entscheidu­ng ist nicht rechtskräf­tig.

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Das ehemalige Sportidol Peter Seisenbach­er beharrt auch am zweiten Prozesstag auf seiner Unschuld und sieht ein vages Rachemotiv.

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