Fünf Jahre Gefängnis für Peter Seisenbacher
Der Prozess gegen den Judo-Olympioniken wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Schützlingen endet mit einem Schuldspruch. Seisenbachers These einer Verschwörung glaubt das Gericht nicht.
Wien – Peter Seisenbacher wurde am Montag am Wiener Landesgericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er wurde in vollem Umfang der Anklage schuldig erkannt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Der zweifache Olympiasieger und frühere Judo-Trainer, der alle Vorwürfe zurückgewiesen hatte, zeigte bei der Urteilsverkündung keine emotionale Reaktion. Einige seiner Anhänger aus Judo-Kreisen zeigten sich hingegen entsetzt. Richter Christoph Bauer sagte in seiner Urteilsbegründung, alle Belastungszeuginnen hätten einen „außerordentlich glaubwürdigen“Eindruck gemacht.
Es waren „die außerordentlich glaubwürdigen Aussagen“der drei Opfer, begründet Christoph Bauer, Vorsitzender des Schöffengerichtes, warum der Senat Doppelolympiasieger Peter Seisenbacher wegen schweren sexuellen Missbrauchs Unmündiger zu fünf Jahren unbedingter Haft verurteilt hat.
„Wir hatten nicht den Eindruck, dass sich die gegen Sie verschworen haben“, widersprach der Richter auch klar der Verteidigungsstrategie des 59-jährigen Unbescholtenen. Davor bleibt Seisenbacher auch am zweiten Verhandlungstag dabei: Die Vorwürfe, die drei seiner ehemaligen Judoschülerinnen erheben, stimmen nicht. Zwei der mutmaßlichen Opfer waren vor einer Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt worden. „Haben Sie das Gefühl gehabt, dass die beiden gelogen haben?“, will Bauer wissen. „Sie sagen die Unwahrheit“, antwortet der Exsportler ruhig.
Seisenbacher legt dar, warum er bei Hauptbelastungszeugin K. an einen Rachefeldzug glaubt. Die sei auf seine Vermittlung hin an der prestigeträchtigen Tokai-Universität in Japan aufgenommen worden, wo er sich selbst 1984 vor seinem ersten Olympiasieg vorbereitet hatte. 2010 sei sie von dieser Ausbildungsstätte geschmissen worden, behauptet Seisenbacher. Bei einem Treffen in Japan habe K. gebeten, dass er interveniere, was er abgelehnt habe. „Dann ist die Stimmung ziemlich gekippt. Sie war in keinem guten Zustand“, behauptet er.
Seine Theorie: K. und ihre Mutter, mit der er eine Affäre gehabt habe, wollten sich für die ausgebliebene Unterstützung revanchieren. Privatbeteiligtenvertreterin Eva Plaz legt im Prozessverlauf allerdings einen Mailverkehr zwischen K. und einer Uni-Mitarbeiterin vor, der eher gegen eine unfreiwillige Trennung spricht. Außerdem sei K.s Anzeige erst Jahre danach erfolgt.
„Sie hat Ihnen hier ein Märchen erzählt“, formuliert der Angeklagte es dennoch eindeutig. „Was hat Frau W. damit zu tun?“, fragt der Vorsitzende darauf und meint die Aussage eines weiteren mutmaßlichen Opfers. „Nichts.“– „Die belastet Sie aber auch. Warum soll sie lügen?“– „Ich habe nicht auf alles eine Antwort. Aber K. sagt die Unwahrheit“, beharrt Seisenbacher. Und ergänzt vage: „Auf die Zusammenhänge zwischen den Mädchen kann ich mir einen Reim machen, aber man kann nicht alles beweisen.“
Immer wieder Damenbesuch
Die erste Zeugin des zweiten Verhandlungstages bricht eine Lanze für den Mann, mit dem sie elf Jahre lang bis September 2016 eine Beziehung hatte. „Ich hatte damals selbst eine kleine Tochter, und bei einem Verdacht hätte ich sicher keine Beziehung mit ihm geführt“, stellt sie klar, dass ihr nie etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei. „Frau K. hat ausgesagt, der Angeklagte sei eine Art Vaterersatz für sie gewesen?“, bohrt Bauer nach. „Nein, es war ein ganz normales Trainer-Schüler-Verhältnis“, ist Seisenbachers Ex-Partnerin überzeugt. K. und W. seien vielleicht zehnmal am Abend zur Kinderbetreuung dagewesen.
Dass die Zeugin aber offensichtlich nicht alles darüber wusste, wie der Angeklagte seine Freizeit gestaltete, zeigt sich bei einem anderen Zeugen. Der war Co-Trainer und wüsste nicht, wann die von Staatsanwältin Ursula SchrallKropiunig angeklagten Übergriffe bei Trainingslagern am Wochenende und in den Ferien zwischen 1999 und 2004 hätten stattfinden sollen. „Er hatte immer wieder Damenbesuch von den Müttern der Kinder, und manchmal war auch seine Freundin da, er hatte Stress“, erinnert der sich, was sogar dem mit vor der Brust verschränkten Armen dasitzenden Angeklagten ein Lächeln abringt.
Der Normalzustand ist, dass Seisenbacher in dieser Pose unverwandt vor sich hin starrt. Ein Umstand, dem ihm Opfervertreterin
Eva Plaz zur Irritation Bauers in ihren Schlussworten zum Vorwurf macht. Seisenbacher wirke „mephistophelisch“, also teuflisch, beschreibt sie. Was wiederum Verteidiger Bernhard Lehofer dazu bringt, Vermutungen über K.s Motive für die Anschuldigung zu wälzen – Rache und Berechnung sind darunter.
Vorsitzender Bauer stellt dagegen in der Entscheidungsbegründung nochmals klar, dass man keine Anzeichen für eine Verschwörung gefunden habe. Im Gegenteil: „Ich habe ihn ganz einfach gemocht“, habe K., der mittlerweile ein Mann ist, bei seiner Aussage klargemacht. Seisenbacher sei „wie ein zweiter Vater“gewesen, und er, K., habe eine Zeitlang gedacht, er nehme das mit ins Grab. Die Opfer hätten nicht übertrieben, ist das Gericht überzeugt.
Seisenbacher, der auf das Urteil keine erkennbare Reaktion zeigt, nimmt sich drei Tage Bedenkzeit, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.