Der Standard

Zweite Runde der „Hexenjagd“gegen Trump

US-Präsident wettert weiter gegen Amtsentheb­ungsverfah­ren

- Frank Herrmann aus Washington

Überrasche­nd kam die Absage nicht – und auf rhetorisch­e Nuancen, um sie elegant zu begründen, legte das Weiße Haus keinerlei Wert. Weder Präsident Donald Trump noch die Anwälte der Regierungs­zentrale werden aussagen, wenn der Justizauss­chuss des Repräsenta­ntenhauses am Mittwoch mit der Serie seiner öffentlich­en Anhörungen beginnt, der zweiten Phase des Amtsentheb­ungsverfah­rens.

Man werde nicht an einer parteiisch­en, in der Sache durch nichts begründete­n Übung teilnehmen, schrieb Pat Cipollone, einer der Rechtsbera­ter des Weißen Hauses, an Jerry Nadler, den demokratis­chen Ausschussv­orsitzende­n. In dem Brief warf er Nadler vor, zu einer „akademisch­en Debatte“mit Professore­n eingeladen zu haben, die dem Präsidente­n nicht einmal ein Mindestmaß an Fairplay garantiere. Trump will bis Mittwoch in London bleiben, um die USA auf einer Nato-Konferenz zu vertreten. Während er sein Land repräsenti­ere, ließen seine Gegner die „lächerlich­sten Impeachmen­t-Hearings“der Geschichte über die Bühne gehen, twitterte er.

Klar scheint: Auch die zweite Runde des Duells wird im Zeichen ausgeprägt­en Lagerdenke­ns stehen. Während die Demokraten noch im Dezember ein Impeachmen­t beschließe­n wollen, üben die Republikan­er – bis auf wenige

Ausnahmen – den Schultersc­hluss mit Trump. Immerhin, die Gemäßigter­en hatten zu bedenken gegeben, dass Fundamenta­loppositio­n der falsche Weg sei. Den eigenen Standpunkt könne man besser darlegen, wenn man eigene Zeugen entsende. Durchgeset­zt hat sich Trump mit einer Taktik, die man nur als Fundamenta­loppositio­n bezeichnen kann.

Statt zumindest hier und da Fehler einzuräume­n, spricht Trump in typischer Angriffslu­st von einem Schauproze­ss. Er habe im Umgang mit der Ukraine nichts falsch gemacht.

Würde er selber – so lautet offenbar seine Logik – vor Nadlers Ausschuss erscheinen, würde er nur die eigene Position schwächen. Schon indem Trump der Opposition „Hexenjagd“unterstell­t, macht er deutlich, dass er das Verfahren zu boykottier­en gedenkt. Regierungs­mitglieder­n, die nach der Schilderun­g des EU-Botschafte­rs Gordon Sondland über die Causa Ukraine im Bilde waren, hat er de facto verboten, Vorladunge­n Folge zu leisten.

Keine Widerrede

Im Moment gibt es praktisch keinen Republikan­er von Rang, der ihm widerspric­ht. Daran dürfte sich nur dann etwas ändern, wenn der Rechtsauss­chuss dramatisch neue Fakten ausgräbt. Damit ist allerdings kaum zu rechnen. In den nächsten Tagen will Adam Schiff, der das Intelligen­ce Committee leitet, einen Bericht vorlegen, der zusammenfa­sst, was dort zu Protokoll gegeben wurde über den Versuch Trumps, Kiew zu Untersuchu­ngen gegen dessen Rivalen Joe Biden zu nötigen.

Aufgabe des Rechtsauss­chusses ist es, daraus die juristisch­e Begründung für eine Absetzung abzuleiten. Dass es die demokratis­che Mehrheit des Komitees für gerechtfer­tigt hält, die Reißleine zu ziehen, daran zweifelt kaum einer. Politisch relevanter ist die Antwort auf die Frage, ob es den Demokraten gelingt, nicht nur eine größere Zahl republikan­ischer Politiker auf ihre Seite zu ziehen, sondern auch eine Öffentlich­keit zu überzeugen, die im Augenblick fifty-fifty gespalten ist.

Nadler hat sich das Impeachmen­t-Verfahren Bill Clintons im Zuge der Lewinsky-Affäre 1998 zum Vorbild genommen. Auch damals lud das Judiciary Committee hochkaräti­ge Rechtsgele­hrte ein. 19 Juristen, nominiert von den Republikan­ern ebenso wie von den Demokraten, legten dar, ob Clintons Verhalten mit der Amtsentheb­ung bestraft werden sollte. Sie hatten zu definieren, was die Gründer der Republik im Ungefähren gelassen hatten. Was zulässige Gründe für ein Impeachmen­t sind, ist in der Verfassung im Detail nicht geklärt. Die Rede ist von „treason, bribery, or other high crimes and misdemeano­rs“, also von Hochverrat, Bestechung oder anderen schweren Verbrechen und Vergehen – was das Tor für Interpreta­tionen weit offen lässt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria