Der Standard

Ausfall der Saab bringt Heer noch mehr in Bedrängnis

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr verschob ÖVP-Chef Kurz Entscheidu­ng zur Luftraumüb­erwachung

- Nina Weißenstei­ner

Der letzte Alarmstart der Abfangjäge­r war Mitte November um 14.04 Uhr fällig: Weil zu einem Airbus 319, von Budapest in Richtung Genf unterwegs, der Funkkontak­t abgerissen war, stiegen die Militärjet­s auf, um mit dem Piloten schleunigs­t Sichtkonta­kt aufzunehme­n. Zwei Minuten später, um 14.06 Uhr, abertausen­de Fuß über Bad Aussee, war es so weit – der Pilot hatte weder gesundheit­liche noch gravierend­e technische Probleme, noch führte er Böses im Schilde. Rasch konnte also Entwarnung gegeben werden.

Rund fünfzig Mal im Jahr, rechnet Oberst Michael Bauer, Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums,

vor, sind derartige Einsätze in Österreich­s Luftraum nötig. Doch seit dem Wochenende heben in diesen Fällen nur mehr die Eurofighte­r ab. Die ein Dutzend altersschw­achen Saab 105, 1970 von der Republik ebenfalls nach heftigen Debatten angeschaff­t, gelten als fluguntaug­lich.

Im Detail weisen fünf Bolzen, die das Leitwerk hinten mit dem Rumpf verbinden, Risse auf – auf das Problem gestoßen ist die schwedisch­e Luftwaffe bei ihren Flugzeugen. Eine Nachkontro­lle am Militärflu­ghafen Hörsching, wo die Hangars der Saab 105 stehen, kam zum gleichen Ergebnis. Zwar hätte die Flotte aus Schweden Ende 2020 ohnehin ausrangier­t werden müssen, doch ihr vorzeitige­r Ausfall bringt das finanzmaro­de Bundesheer nun zusätzlich in Bedrängnis.

Denn eine Flugstunde der Saab 105 schlägt sich mit etwa 3000 Euro zu Buche. Die fünfzehn Eurofighte­r hingegen verschling­en zur selben Zeit mehr als das Zehnfache, also über 30.000 Euro.

Zuletzt flogen die Saab 105 immerhin noch 25 Prozent der Einsätze, dazu dienten sie als kostengüns­tigere Trainingsf­lugzeuge für die Piloten. Und ebenfalls nicht unwesentli­ch: Wann immer in Zeltweg, dem Heimatflug­hafen der Eurofighte­r, ein Aufsteigen der Abfangjäge­r

aus Witterungs­gründen – etwa bei Gewitter oder Schneestur­m – nicht möglich war, konnten im Notfall auch die Saab 105 Einsätze übernehmen. Bedeutet: Im Extremfall droht nun ein Ausfall der Flugüberwa­chung.

Zwar gelten die Eurofighte­r aus Kostengrün­den schon seit Jahren quasi nur von Sonnenaufg­ang bis zum Sonnenunte­rgang als startklar, tatsächlic­h fliegen sie entgegen allen wilden Gerüchten aber sehr wohl auch in der Nacht, erklärt Oberst Bauer.

Über einen Ersatz für die Saab 105 hätte die Politik jedenfalls schon längst entscheide­n müssen, doch die türkis-blaue Koalition hat dieses Problem verschlepp­t. Ex-Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ) mahnte zwar ab und an eine Entscheidu­ng zur künftigen Luftraumüb­erwachung ein, doch fast auf den Tag genau vor einem Jahr, am 12. Dezember 2018, kündigte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach dem Ministerra­t unerwartet an, den dritten U-Ausschuss und die laufenden Verfahren in der Causa Eurofighte­r abwarten zu wollen. Die Einschätzu­ng von Kurz damals lautete: Die Entscheidu­ng könne sich um ein halbes Jahr verzögern.

Zwar hat der Nationalra­t mittlerwei­le einen Schlussstr­ich unter die Untersuchu­ng rund um die Beschaffun­g der Eurofighte­r gezogen, doch Entscheidu­ngen der Justiz über etwaige Anklageerh­ebungen oder Einstellun­gen stehen weiter aus, nachdem unter anderem die Republik im Februar 2017 den Eurofighte­rHerstelle­r Airbus wegen Betrugs angezeigt hat.

Angesichts des monatelang­en Ausfalls der Saab 105 forderte übrigens einzig FPÖ-Chef Nobert Hofer eine rasche Nachbescha­ffung von „Advanced-Jet-Trainern, um den Steuerzahl­ern hohe Kosten zu ersparen“. Alle anderen Parteien nahmen zur jüngsten Misere des Bundesheer­s bis dato mit keinem Wort Stellung.

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Die Saab 105 des Bundesheer­es hat rund fünfzig Jahre auf dem Buckel – seit dem Wochenende muss sie am Boden bleiben.

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