Der Standard

Holpriger Start für Gesundheit­skasse

Auch nach der Zusammenle­gung der Gebietskra­nkenkassen wird es keine einheitlic­hen Leistungen für die Versichert­en geben. Die Gewerkscha­fter sprechen von absichtlic­her Verzögerun­g der „Harmonisie­rung nach oben“.

- Thomas Neuhold

Wenn es eine österreich­weit einheitlic­he Krankenkas­se für rund 7,2 Millionen Versichert­e gibt, muss es für alle Versichert­en einen einheitlic­hen Leistungsk­atalog geben. Was logisch klingt, wird es auch nach der Zusammenle­gung der neun Gebietskra­nkenkassen zur Österreich­ischen Gesundheit­skasse ÖGK mit 1. Jänner vorerst nicht geben. Das Thema Harmonisie­rung ist im sogenannte­n Überleitun­gsausschus­s heftig umstritten.

Bis heute seien alle Anträge der sozialdemo­kratischen Gewerkscha­fter im Überleitun­gsausschus­s, die auf eine Harmonisie­rung der Leistungen nach oben abzielten – also auf das höchste Level, das eine der neun fusioniert­en Länderkass­en angeboten hatte –, immer wieder mit der Mehrheit der Dienstgebe­r und des ÖVPArbeite­r und Angestellt­enbundes vertagt worden, sagt Andreas Huss. Er ist stellvertr­etender Vorsitzend­er des Ausschusse­s.

Zuletzt sei ein Antrag am 19. November vertagt worden, nach welchem die für den Versichert­en günstigste vertraglic­he Vereinbaru­ng zu gelten habe und somit die höchstmögl­iche Kostenerst­attung zu gewähren sei. „Zum dritten Mal“, sagt Huss. Kostenvolu­men im Jahr: 14 Millionen Euro. BauHolz-Gewerkscha­fter Huss sieht hinter der nicht erfolgten Angleichun­g der Satzungen – also des Leistungsp­ortfolios der Kassen – eine grundsätzl­iche strukturel­le Schieflage der neuen ÖGK: „Die Unternehme­rvertreter im Ausschuss, die selbst nicht einmal über die ÖGK versichert sind, nützen ihre Mehrheit, um über die Beiträge der Dienstnehm­er zu entscheide­n.“

Eine Argumentat­ion, die ziemlich genau der aktuell beim Verfassung­sgerichtsh­of anhängigen Klage gegen die Sozialvers­icherungsr­eform entspricht. In dieser Klage wird von einem Verstoß gegen die verfassung­srechtlich­en Grundsätze der Selbstverw­altung ausgegange­n.

Rollstuhl und Blutzucker­test

Damit würde man den Dienstnehm­ern höhere Kostenersa­tzzahlunge­n vorenthalt­en, obwohl Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ausdrückli­ch eine „gleiche Leistung für gleiche Beiträge sowie eine Leistungsh­armonisier­ung nach oben“zugesagt habe.

Dass eine Leistungsa­ngleichung nach oben sehr wohl möglich sei, hätten die Jahre 2016 bis 2018 gezeigt. In diesem Zeitraum wäre eine Harmonisie­rung über alle Versicheru­ngsträger inklusive Selbststän­dige und Beamte in 23 Fällen gelungen, sagt Huss. Er war in diesem Zeitraum Obmann der Salzburger Gebietskra­nkenkasse. Die Palette reicht vom Kostenersa­tz bei Rollstühle­n über Kontaktlin­sen bis zu Blutzucker­teststreif­en. Kostenvolu­men pro Jahr: 84 Millionen Euro.

„Viel Arbeit für Echtbetrie­b“

Matthias Krenn, Hotelier und FPÖ-Politiker aus Kärnten, hat als Vorsitzend­er des Überleitun­gsausschus­ses für die von Huss kritisiert­en Vertagunge­n der Harmonisie­rung eine Erklärung: Der Schwerpunk­t der Arbeit liege derzeit einfach auf der Überleitun­g in die neue Struktur. „Da ist viel Arbeit für den Echtbetrie­b zu leisten“, sagt Krenn. Zudem wären die Anträge für die Mitglieder des Ausschusse­s einfach zu kurzfristi­g gekommen, sagt er im STANDARD-Gespräch. Eines aber sagt auch Krenn: Bis zur endgültige­n und vollständi­gen Angleichun­g dürften „drei bis vier Jahre“vergehen. Die neun Kassen hätten sich in der Vergangenh­eit sehr unterschie­dlich entwickelt.

Laut Bernhard Wurzer, seit Juli dieses Jahres Generaldir­ektor der ÖGK, steht das Thema Leistungsh­armonisier­ung wieder am 17. Dezember auf der Tagesordnu­ng des Überleitun­gsausschus­ses. Gewerkscha­fter Huss befürchtet allerdings eine neuerliche Vertagung: „Das wird dann wohl der Lackmustes­t werden.“

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Die österreich­weite Angleichun­g des Kostenersa­tzes für Heilbehelf­e – etwa bei Rollstühle­n – war auch vor der Kassenfusi­on möglich.

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