Diversion und mildes Urteil nach tödlichem Unfall mit Fahrradanhänger
Zwei Kinder starben in einem unbeleuchteten Anhänger – Ihre Mutter entgeht einem Schuldspruch, der Autofahrer einer Haftstrafe
Geht es nach einem zivilen Prozessbeobachter am Landesgericht Korneuburg, ist das Urteil schon spruchreif: „Wenn die eine Strafe kriegt, gehört der Richter auch gestraft“, ruft er einem anderen im Foyer des Gerichts zu. „Die“, das ist jene Frau, die ihre zwei Kinder am 4. August in einem Fahrradanhänger ohne Helm und ohne ausreichende Beleuchtung hinter sich hergezogen hat. Nach einer Kollision mit einem von hinten kommenden Auto starben das zweiund das vierjährige Mädchen.
Die Schuld der Mutter ist unbestritten. Der Anhänger war nicht dafür zugelassen, mit einem Elektrofahrrad gezogen zu werden; er hätte zusätzlich beleuchtet und mit einem 1,50 Meter hohen Wimpel
ausgestattet werden müssen; die Kinder hätten einen Helm tragen müssen. Unbestritten ist aber auch, dass die 39-Jährige mit dem Tod ihrer Kinder bereits die schlimmste Strafe erfahren hat. Das Recht verlangt dennoch, dass am Montag ihre Strafe wegen grob fahrlässiger Tötung verhandelt wird. Die am Boden zerstörte
Frau bekennt sich schuldig.
„Ich habe angenommen, so wie man den Anhänger kauft, so passt es dann auch“, erklärte sie, warum der Fahrradanhänger nicht nach den Regeln der Straßenverkehrsordnung ausgestattet war. Schließlich habe sie das Gerät in einer Werkstatt auf ihr Fahrrad montieren lassen. Die ältere ihrer beiden Töchter habe sich gerade in einer Phase befunden, in der sie keinen Helm tragen wollte – und die zweijährige Schwester habe den Trotz nachgeahmt. Dem Hinweis von Richter Dietmar Nußbaumer, sie hätte ihren Kindern die Helme dennoch aufsetzen müssen, widerspricht die Angeklagte nicht.
Dass der Anhänger keinen sicheren Eindruck machte, bestätigen Zeugenaussagen: Am Tag des Unfalls und einige Wochen zuvor erinnern sich mehrere Personen an das gefährliche Erscheinungsbild des Gespanns – und an riskante Fahrmanöver der Lenkerin. Sie selbst bestreitet, den Anhänger hin und her schlenkern gelassen zu haben.
Uneinsichtig zeigte sich dagegen der Fahrer des Fords, der Fahrrad samt Anhänger überfuhr und die beiden Kinder damit tötete. „Warum glauben Sie, dass Sie nicht schuldig sind?“, will der Richter wissen. Der Pensionist antwortet: „Weil ich nichts gesehen habe.“Und obwohl Nußbaumer ihn noch deutlich darauf hinweist, dass ein reumütiges Geständnis ein milderes Urteil zur Folge hätte, bleibt er bei dieser Argumentation – und verärgert den Richter immer weiter.
Fahrer bleibt uneinsichtig
Etwa als der mit Akzent sprechende Angeklagte eine Frage auch nach dem zweiten Anlauf nicht versteht. Als der Anwalt des Fahrers um Rücksichtnahme auf seinen psychisch mitgenommenen Mandanten bittet, raunt der Vorsitzende ihm zu: „Die Kindesmutter, deren beide Kinder jetzt tot sind, hat sich auch so weit im Griff gehabt, und der musste ich keine Frage dreimal stellen.“
Zusammenfassend bleibt beim Richter von der Aussage übrig: Die Mutter sei „selber schuld“. „Ja, ich meine schon“, erklärt der Angeklagte.
Das Gericht bietet der Mutter eine Diversion an – das erlaubt die Strafprozessordnung bei Fahrlässigkeitsdelikten mit Todesfolge, wenn eigene Angehörige dabei umgekommen sind. Sie nimmt das Angebot an und muss 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.
Überraschend mild fällt das Urteil für den Fahrer des Autos aus. Er muss 21.000 Euro Geldstrafe bezahlen, 7000 Euro werden ihm bedingt nachgelassen. Der Angeklagte bittet um Bedenkzeit. Die Staatsanwaltschaft erhob wegen der geringen Strafe Einspruch. Das Urteil gegen den Fahrer ist damit nicht rechtskräftig.