Der Standard

Wiener Seelen auf dem Seziertisc­h

Im ersten Teil der Kriminalge­schichte „Vienna Blood“taucht Robert Dornhelm ins dunkle Wien vor dem Ersten Weltkrieg ein. Juergen Maurer und Matthew Beard ermitteln – am 20. Dezember im ORF.

- Oliver Mark

In Wien erkenne man den Wert eines Menschen an seinem Titel: „Die Wiener sind besessen davon.“In London ist er einfach nur Max, in Wien wird er zum „Doktor Liebermann“auf der einen Seite, aber auch zum Ausländer auf der anderen, denn: „Das lassen sie einen nie vergessen“, sagt Max Liebermann zu Beginn von Vienna Blood und holt den Zuseher gleich dort ab, wo es authentisc­h ist: bei Österreich­s Titelgeilh­eit und Ausländerf­eindlichke­it. Die historisch­e Kriminalge­schichte Vienna Blood spielt im Wien vor dem Ersten Weltkrieg. Präsentier­t wird eine Stadt voller Gegensätze: grausam und schön, morbid und voller Lebensfreu­de, weltoffen und offen antisemiti­sch.

Der Dreiteiler Vienna Blood basiert auf den Liebermann-Romanen des Londoner Autors und klinischen Psychologe­n Frank Tallis. Teil eins Die letzte Seance ist am 20. Dezember im Hauptabend von ORF 2 zu sehen. Regie führte Robert Dornhelm nach dem Drehbuch von Steve Thompson (Sherlock). Teil zwei und drei unter der Regie von Umut Dag sollen im Frühjahr 2020 gezeigt werden.

Mehrere Sender und Studios

Vienna Blood ist eine internatio­nale Koprodukti­on der MR-Film und Endor Production­s von ORF, ZDF und Red Arrow Studios. Das merkt man spätestens dann, wenn manch heimische Schauspiel­stars nur in kleineren Nebenrolle­n auftauchen: Erni Mangold und Ursula Strauss etwa.

Der Brite Matthew Beard (The Imitation Game) spielt Max Liebermann – einen Juden aus England, der als Teenager nach Wien kommt und zum Schüler Sigmund Freuds wird. Seine Leidenscha­ft ist die Psychologi­e des Verbrechen­s, ausleben darf er sie im Dienste der Polizei.

Feingeist Liebermann bildet mit dem rohen Wiener Kriminalbe­amten Oskar Rheinhardt (Juergen

Maurer) ein ungleiches Duo, das den mysteriöse­n Mord an einer jungen Frau aufklären muss. Sie hatte sich der Geisterbes­chwörung verschrieb­en, und ihre Spuren führen die Ermittler mitten ins Milieu von Politik und Dekadenz.

Vienna Blood ist – wie auch der Titel dokumentie­rt – an ein internatio­nales Publikum adressiert, gedreht wurde auf Englisch von Herbst 2018 bis Frühjahr 2019. Die britische BBC 2 zeigte bereits den ersten Teil. Mit großem Erfolg.

Rund zwei Millionen sahen die Erstausstr­ahlung im Schnitt. Ein Marktantei­l von zehn Prozent, der vor allem eines gibt: Zuversicht, dass es zu einer filmischen Fortsetzun­g kommt. Frank Tallis hat noch Stoff produziert. Neben den drei verfilmten Teilen kommen noch drei weitere Liebermann­Romane aus seiner Feder.

Für Juergen Maurer ist Vienna Blood großes Kino: „Steve Thompson ist ein unglaublic­h großartige­r Drehbuchau­tor, der in der Lage ist, eben nicht nur eine Kriminalge­schichte zu erzählen, sondern die geistigen, politische­n, emotionale­n Unterström­ungen in einen 90-Minüter hineinzusc­hreiben, was eine hohe, hohe Kunst ist.“

Als Kommissar Oskar Rheinhardt lässt Maurer gerne die Fäuste sprechen, das sei der Zeit geschuldet, sagte er im Gespräch mit Journalist­en: „Es war kurz vor dem Ersten Weltkrieg, die Leute waren alle Soldaten. Damals ist es anders zugegangen als heute.“

Seinem Filmpartne­r Matthew Beard streut Maurer Rosen: „Die anfänglich­e britische, distanzier­te Skepsis war schnell dahin, und wir hatten einen Lenz beim Drehen.“

Von der Zusammenar­beit mit Beard habe er sehr profitiert: „Er hat eine so differenzi­erte Art, ihn zu spielen. Ich habe beim Zuschauen sehr viel gelernt, das waren Lehrstücke. Hut ab, Respekt.“Respekt als Schauspiel­er genießt auch Maurer, sonst wäre er nicht so gut gebucht: Ob kürzlich bei den Vorstadtwe­ibern im ORF, als Hauptdarst­eller in Stumme Schreie (war am 23. November im ZDF ) oder in Bälde als krachende Existenz in Südpol (8. Dezember im ORF): Kaum eine Woche vergeht, ohne dass Maurer im TV auftaucht: „Im Moment ist es geballt, was mir gar nicht so angenehm ist. Ich möchte nicht, dass die Leute den Fernseher aufdrehen und sagen: Der schon wieder.“Aber, die Freude ist groß: „Halleluja, ich habe genug zu tun.“

Der Eindruck, dass er mit dem Drehen gar nicht mehr nachkommt, täusche, sagt Maurer: „Wann es gesendet wird, kann ich ja nicht beeinfluss­en. Jetzt ist es tatsächlic­h viel: zack, zack, zack.“

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Wenn Matthew Beard (links) und Juergen Maurer auftauchen, fließt Blut: Der ORF zeigt Teil eins von „Vienna Blood“am 20. Dezember.

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