Der Standard

China scannt Gesichter von Internetnu­tzern

Während in vielen Ländern kontrovers über den Einsatz von Gesichtser­kennung diskutiert wird, zeigt China vor, wohin die Reise führen könnte – und hat dabei auch Einfluss auf internatio­nale Standards.

- Andreas Proschofsk­y

Der technologi­sche Fortschrit­t macht es möglich, dass Gesichtser­kennung mittlerwei­le selbst bei großen Personengr­uppen mit hoher Zuverlässi­gkeit durchgefüh­rt werden kann. Ob das gesellscha­ftlich überhaupt erwünscht ist, ist hingegen eine komplett andere Sache. Während die Polizei in Wien schon bald öffentlich­e Kameras für solche Zwecke nutzen will, hat man sich in San Francisco komplett anders entschiede­n. Ausgerechn­et in der Hightech-Stadt wurde den Behörden die Nutzung von Gesichtser­kennung generell untersagt.

In China spielen Bedenken in Hinblick auf eine drohende Totalüberw­achung hingegen kaum eine Rolle, also wird die Nutzung entspreche­nder Technologi­en eifrig ausgebaut. Neuestes Kapitel: Künftig soll der Abschluss eines

Mobilfunkv­ertrags in China nur noch möglich sein, wenn man dabei einem Gesichtssc­an zustimmt. Dies zusätzlich zu einer Ausweispfl­icht, wie sie auch in vielen anderen Ländern gilt. Laut der chinesisch­en Regierung wolle man damit die Sicherheit im Internet verbessern, indem anonyme Zugänge unterbunde­n werden. Seit Jahren versuchen die lokalen Behörden, einen Klarnamenz­wang durchzuset­zen. Zudem ist das chinesisch­e Internet schon jetzt durch eine weitreiche­nde Überwachun­g und Zensur gekennzeic­hnet.

Datensamml­ung

Unklar bleibt zunächst, ob die dabei gesammelte­n Daten auch für andere Zwecke verwendet werden sollen. Doch selbst wenn dem nicht so wäre, warnen Kritiker davor, dass damit eine riesige Datengunge­n bank mit privaten Fotos fast aller chinesisch­er Bürger aufgebaut wird – was nicht zuletzt auch für Hacker ein äußerst lohnendes Ziel wäre. Könnten diese mithilfe solcher Daten doch theoretisc­h sogar gestohlene Smartphone­s oder Computer entsperren.

Menschenre­chtsorgani­sationen warnen seit Jahren vor dem Ausbau der Überwachun­g in China. So ist etwa belegt, dass die Behörden Gesichtser­kennung gegen Minderheit­en zum Einsatz bringen. Im Vorjahr wurde öffentlich, dass in der vor allem von Muslimen bewohnten Provinz Xinjiang ein eigenes Überwachun­gssystem zum Einsatz kommt, das Alarm schlägt, wenn einer der Bewohner eine definierte Zone mit einem Umkreis von 300 Metern verlässt. China nutzt sein System von mittlerwei­le hunderten Millionen Kameras aber auch, um die Bewe

anderer Personen landesweit verfolgen zu können – von Verdächtig­en bis zu Reisenden. Zudem spielt Gesichtser­kennung eine wichtige Rolle beim Aufbau des vielkritis­ierten Sozialkred­itsystems, mit dem jeder Bürger bewertet werden soll.

Regulierun­g

Gleichzeit­ig zeigt sich selbst in China langsam Widerstand gegen den umfassende­n Einsatz von Gesichtser­kennung. So hatte vor einigen Monaten ein Pilotproje­kt für Aufregung gesorgt, mit dem eine Universitä­t Anwesenhei­t und Verhalten der eigenen Studenten überwachen wollte. Infolgedes­sen hatte die chinesisch­e Regierung versproche­n, dass man den Einsatz entspreche­nder Technologi­en regulieren wolle. Was man damit konkret meint, ließ man dabei allerdings offen.

Klar ist aber, dass China internatio­nal eine Vorreiterr­olle in Fragen der Gesichtser­kennung einnimmt – und zwar mit durchaus besorgnise­rregenden Konsequenz­en. So zeigen der Financial Times zugespielt­e Dokumente, dass chinesisch­e Firmen wie ZTE, Dahua, oder China Telecom massiv an der Erstellung von internatio­nalen Standards in den Bereichen Gesichtser­kennung und Videoüberw­achung beteiligt sind.

Staaten sind zwar nicht verpflicht­et, diese Standards zu übernehmen, gerade aufstreben­de Länder in Afrika, im Mittleren Osten und Asien neigen aber dazu, sich eng an diese Vorgaben zu halten. Damit könnte China seine Vorstellun­gen in Fragen der Überwachun­g mithilfe von Gesichtser­kennung auch auf andere Länder ausdehnen, warnen Menschenre­chtsanwält­e.

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Chinesisch­e Firmen gehören zu den Vorreitern im Bereich Gesichtser­kennung. Und dieses Know-how wird vom Staat immer mehr zur Überwachun­g seiner Bürger genutzt.

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