Der Standard

Straches treue Anhänger

Der Ausschluss Heinz-Christian Straches aus der FPÖ verzögert sich, er soll persönlich vor einem Schiedsger­icht aussagen. Unter eingefleis­chten Strache-Fans brodelt es.

- Theo Anders

Mit Urlauben von HeinzChris­tian Strache macht die FPÖ keine guten Erfahrunge­n. Derzeit sorgt die Abwesenhei­t des ehemaligen Vizekanzle­rs dafür, dass sich der von allen Parteigran­den herbeigese­hnte Ausschluss Straches weiter verzögert. Noch am Samstag hatte Klubobmann Herbert Kickl auf einen raschen Rauswurf des ehemaligen Parteichef­s binnen Stunden gedrängt. Im Endeffekt dürften es allerdings mehr als hundert Stunden werden.

Der offizielle Grund: Das Schiedsger­icht, das die FPÖ Wien einberufen hat, um die endgültige Entscheidu­ng vorzuberei­ten, hat Strache zur Anhörung geladen. Er soll persönlich zur Spesenaffä­re Rede und Antwort stehen, damit formal alles korrekt abgewickel­t werden könne. Und da Strache bis Freitag auf Urlaub weilt, wird die Anhörung erst kommende Woche stattfinde­n können, bestätigte Landespart­eisekretär Michael Stumpf am Dienstag.

Hinter der Zauderei der Wiener Landesgrup­pe dürften freilich gewichtige­re Motive stecken als nur formelle Bedenken. Ein Blick auf die Facebook-Seiten der Partei zeigt, dass in der Causa Strache ein tiefer Riss durch die blaue Wählerscha­ft geht. Da mag die FPÖ-Spitze noch so vehement betonen, dass sie keine Angst vor einer eigenen Liste Strache hat, und noch so oft prophezeie­n, dass diese zum Scheitern verurteilt sei. Die Treuebekun­dungen für Strache in den sozialen Netzwerken lassen die Partei nicht kalt. Zuletzt gab es sogar unter einem Posting von Herbert Kickl – selbst ein Liebling der freiheitli­chen Basis – deftigen Widerspruc­h zu dessen Kritik an Strache. Der Tenor: Es sei unehrenhaf­t und illoyal, dass die FPÖ jenem Mann in den Rücken falle, dem sie so viel Erfolg zu verdanken habe.

Verstoßung aus der Familie

Die jahrelang von der FPÖ betriebene emotionale Aufladung des politische­n Zusammenha­lts im Zeichen der sogenannte­n „freiheitli­chen Familie“wird für die Partei nun zum Problem. Der dräuende Ausschluss wird von Strache und seinen Getreuen zur Verstoßung eines verdienten Mitglieds aus dem Familienve­rbund stilisiert. „Wir halten zu Dir“, „Wir lassen Dich nicht im Stich“, liest man unzählige Male.

Die von der FPÖ kultiviert­e Verquickun­g von Opfernarra­tiv und Verschwöru­ngstheorie­n wird von Straches Gefolgscha­ft nun gegen die Partei selbst gerichtet. Eine Frau, die laut eigenen Angaben seit dreißig Jahren FPÖ wählt, sagt im STANDARD-Gespräch: „Die Ibiza-Affäre war ein abgekarzur tetes Spiel, vielleicht waren auch Drogen dabei. Strache ist ein Vollblutpo­litiker, dem solch ein Fehler nicht passiert. In meinen Augen wollten Hofer und Kickl nur das Ruder übernehmen. Sie haben die FPÖ-Wähler bewusst hinters Licht geführt und dabei immer von Zusammenha­lt und Familie gesprochen“, meint die 57-jährige Mattersbur­gerin.

In dieser Erzählung hat die FPÖ durch die Abgrenzung von ihrem gefallenen Helden nun selbst auf die Seite derjenigen Elite gewechselt, die sie vormals zu bekämpfen vorgab. Parteichef Norbert Hofer und Kickl erscheinen plötzlich als Vertreter des ungeliebte­n Establishm­ents, das sich gegen den ewigen Underdog Strache verbündet.

Auch Straches Einsatz gegen das Rauchverbo­t in Lokalen wird ihm von seinen Fans hoch angerechne­t, zumal es sich dabei um ein Projekt der vermeintli­chen Eliten zulasten der kleinen Leute handle. „H.-C. ist der Einzige, der dagegen ist. Ich bin eine starke Raucherin, daher trifft mich das besonders hart. Dass er bei der Raucherdem­o in Wien gesprochen hat, fand ich gut und wichtig. Nur dank seinem Auftritt wurde die Demo überhaupt ziemlich oft in den Medien erwähnt“, vermutet eine 54-jährige Waldviertl­erin, die auf Facebook in den vergangene­n Tagen immer wieder Verteidigu­ng Straches ausgerückt war. Meistens sei sie überhaupt nicht wählen gegangen. Aber um die Zerstörung von Gasthäuser­n zu verhindern, habe sie im September die FPÖ gewählt. Den gesundheit­lichen Schaden durch Passivrauc­hen hält sie für eine „Lüge, die man nur oft genug wiederholt hat und mit der man uns in eine Diktatur geführt hat“. Bei wissenscha­ftsfeindli­chen Verschwöru­ngstheoret­ikern genießt Strache immer noch Glaubwürdi­gkeit. Und fischt auch so im Wählerrese­rvoir der FPÖ.

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