Der Standard

Trumps berechtigt­e Kritik an Österreich

Als Reaktion auf die Einführung einer Digitalste­uer drohen die USA mit Strafzölle­n gegen Österreich. Was wie eine typische Willkürakt­ion von Donald Trump wirkt, ist berechtigt: Die Abgabe verstößt gegen internatio­nale Abkommen.

- Paul Doralt PAUL DORALT ist Partner und Steuerrech­tsexperte bei Dorda Rechtsanwä­lte. paul.doralt@dorda.at

Donald Trump, nicht gerade als Verfechter der feinen Klinge bekannt, hat wieder einmal das Kriegsbeil ausgegrabe­n: Nach dem Handelskri­egsgegner China kommen nun auch Frankreich und ausgerechn­et das kleine Österreich ins Visier des streitbare­n US-Präsidente­n, der angekündig­t hatte, er erwäge Strafzölle gegen beide Länder.

Hintergrun­d seines Zorns ist die neue Digitalste­uer, die Frankreich bereits eingeführt hat und in Österreich am 1. Jänner 2020 in Kraft treten wird. In Frankreich soll sie drei Prozent, in Österreich sogar fünf Prozent betragen und auf Einnahmen aus Online-Werbungen eingehoben werden. Das allein wäre aber auch für jemanden wie Trump noch kein Grund für die Androhung eines Handelskri­egs, wäre da nicht eine kleine, schlaue Gemeinheit in die Digitalste­uerpakete der beiden Staaten hineinverp­ackt:

Denn die neue Steuer soll nicht für alle gelten, sondern nur für Unternehme­n, die einen Jahresumsa­tz aus Online-Werbung von zumindest 750 Millionen Euro weltweit und zumindest 25 Millionen Euro in Österreich und Frankreich jährlich vereinnahm­en. Durch diese Schwellenw­erte wird das erreicht, was der damalige Bundeskanz­ler Sebastian Kurz bereits bei der Vorstellun­g des Digitalste­uerpakets im April 2019 nicht ohne Stolz versproche­n hatte: Die neue Abgabe werde so gestaltet, dass sie von keinem einzigen österreich­ischen Unternehme­n gezahlt werden müsse. Betroffen sein würden nur die US-Internetgi­ganten wie Google, Facebook oder Microsoft, die ohnehin bei uns viel zu wenig Steuern zahlen würden.

Was auf den ersten Blick wie eine raffiniert­e Idee klingt, die steuerlich in Europa bisher schwer zu fassenden US-Konzerne an einer Achillesfe­rse zu erwischen, ist bei näherer Betrachtun­g allerdings ein recht durchsicht­iges Foulspiel auf dem Feld des internatio­nalen Steuer- und Zollrechts. Denn was Österreich und Frankreich hier versuchen, wird in der Praxis der internatio­nalen Steuerpoli­tik als verbotenes „Ring-Fencing“bezeichnet. Darunter versteht man die Ausgestalt­ung von Steuergese­tzen in einer Form, die inländisch­e Unternehme­n gegenüber bestimmten ausländisc­hen Unternehme­n zielgerich­tet begünstigt. Diese Praxis verstößt gegen das Diskrimini­erungsverb­ot der OECD-Doppelbest­euerungsab­kommen und ist nichts anderes als ein verdeckter Zoll auf die Dienstleis­tungen der im Bereich der Onlinewerb­ung besonders erfolgreic­hen US-IT-Konzerne.

Weg über die WTO

Das Diskrimini­erungsverb­ot des Doppelbest­euerungsab­kommens ist allerdings nur für den Bereich der Einkommens­steuern direkt anwendbar. Hingegen wären verdeckte Zölle und die direkte oder indirekte Bevorzugun­g heimischer Unternehme­n bei indirekten Steuern oder Förderunge­n typischerw­eise ein Fall für die WTO. Es ist daher anzunehmen, dass – ähnlich wie bei der Bekämpfung der europäisch­en Airbus-Subvention­en – die USA bei der Umsetzung der angedachte­n Strafzölle den Weg über ein WTOVerfahr­en gehen werden.

Das europäisch­e Argument, dass man die Steuerplan­ung der US-Konzerne auf anderem Weg nicht in den Griff bekommen könne, erinnert an die Hilflosigk­eit eines Fußballver­teidigers, der sich bei technische­r Unterlegen­heit nur mit einem Foul zu helfen weiß. Die gelbe Karte, die der erzürnte US-Präsident jetzt in Form von Strafzölle­n einfordert, muss man daher als fairer Beobachter wohl als durchaus gerechtfer­tigt und angemessen anerkennen. Sie kommt jedenfalls nicht unerwartet und sollte die nächste österreich­ische Bundesregi­erung vielleicht zu einem Umdenken anregen. Denn immerhin sind die USA der zweitwicht­igste Exportmark­t Österreich­s.

Im Rückblick erscheint es nunmehr auch viel verständli­cher, warum Deutschlan­d sich so dezidiert gegen die Einführung einer Digitalste­uer auf EU-Ebene ausgesproc­hen hat. Im Hinblick auf die deutschen Autoexport­e in die USA wäre eine verdeckte Diskrimini­erung von Google, Facebook und Co ein gefährlich­es Spiel mit dem Feuer gewesen.

Protektion­istische Farce

Als nicht ganz neue Erkenntnis bleibt für den Beobachter dieser protektion­istischen Farce übrig: Anstatt immer wieder zu versuchen, die amerikanis­chen Technologi­e-Erfolgsges­chichten der letzten Jahre in Europa endlich zu besteuern, sollten wir uns einmal überlegen, warum es in Europa nicht zu diesen Erfolgen gekommen ist und wie man das für die Zukunft ändern könnte. Dass protektion­istische Maßnahmen wie „Ring-Fencing“der richtige Weg in die Technologi­eführersch­aft sind, ist wohl sehr zweifelhaf­t. Einschränk­en der Tätigkeite­n von Uber, neue steuerlich­e Meldepflic­hten für Airbnb und die steuerlich­e Diskrimini­erung amerikanis­cher IT-Konzernen durch die neue Digitalste­uer weisen aber leider alle in diese Richtung. Die neue Regierung wird hier hoffentlic­h neue Wege einschlage­n.

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Anders als beim Besuch von Sebastian Kurz im Weißen Haus im Februar ist Donald Trump derzeit auf Österreich nicht gut zu sprechen. Die USA bewerten die neue Digitalste­uer als böses Foulspiel.

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