Der Standard

Orbán will „einheitlic­he Lenkung“für Kultur

Vor allem die Theatersze­ne Ungarns fürchtet um ihre Unabhängig­keit

- Gregor Mayer aus Budapest

Eine interne Vorlage zu einer Gesetzesno­velle, die vorige Woche durchsicke­rte, will in Ungarn „die Kulturbran­che unter einheitlic­he Regierungs­lenkung“stellen. Das Kabinett des Rechtspopu­listen Viktor Orbán habe „die kulturpoli­tischen Ziele in die Dimension der Nationsstr­ategie der Regierung gehoben“, heißt es im Text. Die Kulturscha­ffenden hätten der „grundlegen­den Erwartung“zu genügen, dass sie „die Interessen des Erhalts, des Wohlergehe­ns und des Gedeihens der Nation aktiv schützen“.

Zur Durchsetzu­ng dieser Ziele werde ein „Nationaler Kulturrat“geschaffen, natürlich mit handverles­enem Personal. Die Regierungs­vorlage enthält eine Reihe von Regelungen vor allem zur Umgestaltu­ng der Kulturfina­nzierung und zur Ausweitung der Interventi­onsrechte der ungarische­n Regierung.

Peinliche Niederlage

So könnte die immer noch recht vitale freie Theatersze­ne durch die Abschaffun­g fixer Förderunge­n abgetötet werden. Bei der Bestellung der Intendante­n von Stadttheat­ern soll künftig die Orbán-Regierung das letzte Wort haben. Damit will man offenbar die peinliche Niederlage wettmachen, die die Opposition dem Regierungs­lager bei den Kommunalwa­hlen im Oktober beibrachte. Das Orbán-Lager verlor dabei überrasche­nd die Kontrolle über Budapest und zehn weitere Großstädte im Land.

Die Orbán-Regierung hat schon bisher den Kulturscha­ffenden, die nicht ihre völkisch-nationale Linie mittragen, das Leben schwergema­cht. Schon bisher wurde die freie Szene in finanziell­er Unsicherhe­it gehalten, wurden mediale Kampagnen gegen fortschrit­tliche Kulturmach­er inszeniert, war das Förderwese­n intranspar­ent und parteiisch.

Mit der Gesetzesno­velle, die noch vor Weihnachte­n durchs Parlament gepeitscht werden könnte, dürfte das Schicksal kritischer und unabhängig­er Kultur in Ungarn besiegelt sein. Die freie Theatersze­ne hat für Montagaben­d zu einer Protestkun­dgebung in Budapest aufgerufen. Ihre Petition gegen das Gesetzesvo­rhaben wurde bis Sonntag von rund 20.000 Menschen unterschri­eben.

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