Der Standard

China sucht die Supersau

Schweinefl­eisch spielt im kulinarisc­hen Alltag der Chinesen eine Hauptrolle. Steigen die Preise, hat das revolution­äres Potenzial. Nun wird fieberhaft an der genmodifiz­ierten Supersau geforscht, die immun ist gegen die Schweinegr­ippe.

- Philipp Mattheis aus Peking

Seit über einem Jahr hält die afrikanisc­he Schweinegr­ippe China in Atem. Helfen soll jetzt ein Superschwe­in. Während Genforsche­r in Peking Jahre damit beschäftig­t waren, größere Tiere mit besserem Fleisch zu züchten, arbeiten sie mit jetzt Hochdruck an einer genmodifzi­erten Supersau, die gegen die Schweinegr­ippe immun sein soll. Da Impfungen oder Medikament­e bisher wirkungslo­s sind, wäre ein gegen die Schweinegr­ippe immunes Tier so etwas wie der Heilige Gral der Schweinezu­cht. Schwein ist das mit Abstand beliebtest­e Tier in einem an für essbar gehaltenen Tieren nicht armen Land. Rund 50 Millionen Tonnen verzehren die Chinesen davon jedes Jahr – mehr als die Hälfte dessen, was sonst auf der Welt an Schweinefl­eisch verzehrt wird. Zwischen 20 und 40 Kilo isst jeder Chinese im Jahr.

Schweinefl­eisch ist in China aber auch ein Politikum. Ein Großteil der neuen Mittelschi­cht Chinas – grob 400 Millionen Menschen – hat in der eigenen Kindheit noch Hunger erlebt. „Früher hatten wir nur Reis und manchmal Gemüse zu essen“, ist ein Satz, den man häufig hört. „Heute geht es uns gut. Wir haben jeden Tag Fleisch.“

Nervosität nach Preisansti­eg

Da Schweinefl­eisch eine so wichtige Rolle im kulinarisc­hen Alltag spielt, haben steigende Preise revolution­äres Potenzial. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres lag die Produktion von Schweinefl­eisch 17 Prozent niedriger als im Vorjahresz­eitraum, zeigen Zahlen des Nationalen Statistika­mts. In der Folge schossen die Schweinepr­eise in die Höhe – was Pekings Kader schwer nervös macht. Das Tier ist für die Volksrepub­lik so wichtig, dass die Kommunisti­sche Partei Reserven angelegt hat. Von denen wurden in den vergangene­n Monaten einige Tonnen auf den Markt geworfen, um den Preisansti­eg zu dämpfen.

In der Folge sprang die staatlich verordnete Schweinepr­oduktion an, im November konnten die Preise wieder stabilisie­rt werden. Im Norden Chinas zahlte man im November wieder weniger als 30 Yuan für ein Kilo Schwein, rund 3,80 Euro. Noch aber ist die Gefahr nicht gebannt. Viele Bauern melden infizierte Tiere nicht oder zu spät. Eine angebotene Entschädig­ung von umgerechne­t 155 Euro pro Tier hilft nur bedingt.

Vor allem Ende Januar droht wegen des chinesisch­en Neujahrsfe­sts ein Engpass. Peking gab deswegen jüngst eine offizielle Anordnung aus, bitte mehr Schweine zu produziere­n. „Der Bestand an Schweinen muss so schnell wie möglich stabilisie­rt werden“, hieß es aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium. Im ersten Halbjahr 2020 müsse der Schweinebe­stand wieder 80 Prozent dessen erreicht haben, was er vor Ausbruch der Schweinegr­ippe betrug. Unbedingt müsse sichergest­ellt werden, dass in der siebentägi­gen Feiertagsw­oche Ende Januar, in der Chinesen das Neujahrsfe­st feiern, ausreichen­d Schweinefl­eisch vorhanden ist.

Kein Wunder also, dass eine genetisch veränderte Supersau im Staatsinte­resse liegt. „Für Wissenscha­fter ist momentan die brennendst­e Frage: Wie können wir das Schwein gesünder machen?“, sagte Jianguo Zhao zu Bloomberg. Der 45-Jährige ist so etwas wie der Superstar der Superschwe­in-Genetik. Mittels der Crispr-Technik ist es ihm bereits gelungen, kälteresis­tentere Tiere mit mehr Fett zu züchten. Insgesamt 40 solcher Modifikati­onen hat er allein nur bei Schweinen durchgefüh­rt.

China hat sich mittlerwei­le zu einer Bastion der Gentechnol­ogie entwickelt. Mit den USA liefert man sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, was die Investitio­nen betrifft. 858 Gen-Innovation­en ließ sich Peking 2017 patentiere­n. Die USA hatten mit 872 geringfügi­g mehr.

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Foto: Reuters/Stringer Diesem Schwein schwant Übles auf dem Weg zum Schlachter.

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