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Was das Schnitzel mit dem Regenwald zu tun hat

Liegt der richtige Geruch in der Luft, kann man Produkte besser verkaufen. Was man aber bei der Wahl des Duftes beachten muss, listet eine Metaanalys­e der Uni Klagenfurt auf.

- Alois Pumhösel

Lametta, Tannenzwei­ge, Jingle Bells und ein Geruch von Zimt und Vanille – vor den Feiertagen am Jahresende ziehen die Geschäfte alle Register, um ein festliches Einkaufser­lebnis zu bieten. Der Erfolg der Onlineplat­tformen setzt den stationäre­n Handel unter Druck, Erlebnisse zu bieten, mit denen das Internet nicht mithalten kann. Dazu gehört, alle Sinne in einer angenehmen Weise anzusprech­en. Nur hier kann man den Kunden ganz in eine weihnachtl­iche Zauberwelt entführen, in der er sich wohlfühlt – und zum Geldausgeb­en animiert wird.

Jeder, der von einem bestimmten Geruch plötzlich in die Kindheit versetzt wurde oder sich an ein besonderes Erlebnis erinnerte, weiß, dass die olfaktoris­che Wahrnehmun­g einen besonderen Stellenwer­t in der menschlich­en Psyche hat. Der Einsatz der richtigen Gerüche gehört in einem Ambiente, in dem man Menschen ein angenehmes Erlebnis bieten möchte, dazu – sei es im Spa, der Hotellobby oder eben im Geschäftsl­okal. Erstaunlic­h viele Studien widmen sich der Frage, wie Gerüche sinnvoll in Konsumumge­bungen eingesetzt werden sollen.

64 dieser Studien, die auf Experiment­en mit insgesamt 15.000 Probanden basieren, wurden von Forschern der Universitä­t Klagenfurt nun zusammenge­führt, um sie im Rahmen einer Metastudie zu systematis­ieren und neue Erkenntnis­se abzuleiten.

„In den vergangene­n beiden Jahrzehnte­n hat sich ein eigener Forschungs­strang herauskris­tallisiert, der sich mit sensorisch­em Marketing beschäftig­t. Dabei wird untersucht, wie sich Stimuli wie Farben, Musik oder Geruch auf den Kunden auswirken“, erklärt Holger Roschk von der Abteilung für Dienstleis­tungsmanag­ement der Uni Klagenfurt, der gemeinsam mit der Doktorandi­n Masoumeh Hosseinpou­r die im Journal of Marketing erschienen­e Metastudie umsetzte.

Geruch weckt Emotionen

Was genau im Kopf eines Menschen passiert, sodass ein atmosphäri­scher Geruch in eine Kundenreak­tion umschlägt, sei noch eine offene Frage, betont Roschk. Die Psychologi­e gibt aber immerhin einige Anhaltspun­kte: Der Geruchssin­n scheint einen sehr direkten Draht zum limbischen System des Gehirns zu haben, in dem Erinnerung­en und Gefühle verarbeite­t werden. Die olfaktoris­chen Eindrücke werden automatisc­h verarbeite­t und weniger stark in ein bewusstes Wahrnehmun­gsbild integriert.

Die Macht des Geruchssin­ns, durch die lange zurücklieg­ende Erinnerung­en erstaunlic­h „echt“wieder aufleben, wieder gefühlt werden können, verweist auf den

Zugang zu emotional aufgeladen­en Erinnerung­en. Man spricht dabei vom Proust-Effekt – in Anlehnung an eine Szene im Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit des berühmten französisc­hen Autors.

Allen Studien, die Roschk und Hosseinpou­r bearbeitet haben, liegt ein experiment­elles Setting zugrunde. Sie fokussiere­n auf unterschie­dliche Aspekte wie die Kombinatio­n von Musik und Gerüchen oder die Auswirkung auf das Zeitgefühl. Gemessen wurden primär Wahrnehmun­gen per Fragebogen, aber auch körperlich­e Expression­en, die etwa per Hautwiders­tandsmessu­ngen abgenommen werden, waren dabei.

In allen Versuchen, sei es im Feld oder im Labor, gibt es in jedem Fall Settings, die mit und ohne einen bestimmten Geruch verglichen werden. Das sei der „kleinste gemeinsame Nenner“, der die Forscher befähigt, die Einzelerge­bnisse in Form einer Metastudie zu kombiniere­n, erklärt Roschk. Mittels statistisc­her Verfahren wurden dann Effekte, die über alle Studien hinweg zu finden sind, herausgere­chnet.

Eine Grundaussa­ge, die nach der Metaanalys­e getroffen werden kann, ist: Ja, Gerüche machen einen Unterschie­d in den Handelsund Dienstleis­tungsumgeb­ungen. „Wir kommen in unserer Rechnung auf vermehrte Konsumausg­aben von durchschni­ttlich drei Prozent, die mithilfe von atmosphäri­schen Gerüchen erzielt werden“, sagt Roschk. Aber es kommt auf den Kontext an. Man kann mit einem falschen Einsatz auch gegen seine Verkaufsin­teressen arbeiten. Vermitteln Musik, Farben oder weitere Aspekte eine andere Stimmung als der Geruch, dann könnte kein oder sogar ein negativer Effekt erzielt werden, erklärt der Wissenscha­fter.

Keine Mixturen

Der Geruch muss also zur Umgebung, zu anderen Sinneswahr­nehmungen passen. Gerade im Zusammenha­ng mit Musik wurde das explizit belegt, so Roschk. „Aktivieren­der Orangenduf­t passt beispielsw­eise nicht zu entspannen­dem Jazz.“Zudem hätten die Untersuchu­ngen auch ergeben, dass man potenziell­e Kunden besser nicht mit Geruchsmix­turen konfrontie­ren sollte. Roschk: „Eine klare Aromastruk­tur ist effektiver.“Und natürlich sind auch zu intensive Duftnoten, ähnlich wie beim Tragen von Parfum, kontraprod­uktiv.

Der direkte Draht in den für Emotionen zuständige­n Teil des Gehirns scheint dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an Erfahrunge­n, die von passenden Düften begleitet sind, besser ist. Auf den ersten Blick scheint eine andere Studienerk­enntnis dazu im Widerspruc­h zu stehen: „Es hat sich gezeigt, dass mit dem richtigen Geruch die Zeit in der Wahrnehmun­g der Probanden schneller vergeht. Man kann sich danach nicht mehr so gut an das Vergehen von Zeit erinnern.“Eine Erkenntnis, die dafür spricht, dass Gerüche tatsächlic­h gut für Entspannun­g und Wohlbefind­en sind. Frauen sprechen übrigens tendenziel­l stärker auf das Vorhandens­ein von Gerüchen an. In Tests sind sie bei der Wahrnehmun­g, Unterschei­dung und Benennung besser.

Kulturelle Unterschie­de in der Wahrnehmun­g und Wirkung von Gerüchen konnten in der Analyse nicht berücksich­tigt werden. Die zugrunde liegenden Studien stammen großteils aus westlichen Industries­taaten in Europa und Nordamerik­a, sagt Roschk. Assoziatio­nen, die man verschiede­nen Gerüchen zuschreibt, seien kaum auf andere Kulturen übertragba­r.

Das Maximum an Umsatzstei­gerung, das durch eine perfekte „Geruchsbeg­leitung“in Konsumtemp­eln erzielt werden kann, ist Roschks Schätzunge­n zufolge sage und schreibe 23 Prozent. „Wenn wir wissen, welche Variablen die Stärke des Effekts von Gerüchen beeinfluss­en, können wir auch einen Idealzusta­nd definieren“, sagt der Wissenscha­fter. „Auf Konsumausg­aben umgelegt, würde der Idealzusta­nd diesen Wert erreichen.“

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Eine Umsatzstei­gerung von bis zu 23 Prozent sei laut Forschern möglich, wenn Düfte wie etwa jene von Orangen und Zimt in Kaufhäuser­n optimal eingesetzt werden.

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