Der Standard

Russische Duma entwirft Strafenkat­alog für ausländisc­he Medien

Wer der „illegalen Wahlagitat­ion“für schuldig befunden wird, soll künftig bis zu vier Prozent des Umsatzes zahlen

- André Ballin aus Moskau

Russland verschärft die Jagd auf „ausländisc­he Agenten“: Die russische Duma schlägt vor, ausländisc­he Medien, die sich der Einmischun­g in Wahlen schuldig gemacht haben, künftig härter zu bestrafen. Nach einem Positionsp­apier, das der Regierung vorgelegt wurde, sollen Unternehme­n für illegale Wahlagitat­ion mit einer Geldstrafe von bis zu vier Prozent des Umsatzes belegt werden. Für ausländisc­he Medien liegt das Strafgeld dabei mindestens bei 2,2 Millionen Rubel. Das sind rund 30.000 Euro.

Die derzeit gültigen Geldstrafe­n seien für große internatio­nale Medienkonz­erne „lächerlich und nicht abschrecke­nd“, hatte der Abgeordnet­e Adalbi Schchagoje­w die Notwendigk­eit einer solchen Strafversc­härfung begründet. Schchagoje­w ist Mitglied einer speziellen Duma-Kommission, die Fakten einer Einmischun­g des Auslands in russische Wahlen aufdecken soll. Die Kommission war im Sommer im Vorfeld der Wahl des Moskauer Stadtparla­ments gegründet worden.

Wahl als Auslöser

Die Wahl wurde von massiven Protesten überschatt­et, nachdem die Wahlkommis­sion alle Kandidaten der außerparla­mentarisch­en Opposition im Vorfeld der Abstimmung mit der Begründung gefälschte­r oder fehlender Unterstütz­eruntersch­riften

ausgeschlo­ssen hatte. Über 50 Bewerber hatten keine Zulassung erhalten – darunter auch prominente Gesichter der Opposition wie Ilja Jaschin und Ljubow Sobol. Die Demonstrat­ionen im Sommer entwickelt­en sich zur größten Protestakt­ion in Russland seit der Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml 2012.

Zugleich erzielte die Opposition zumindest einen symbolisch­en Sieg: Mit der sogenannte­n „klugen Abstimmung“bündelte sie Stimmen der Unzufriede­nen. Immerhin 20 der 45 Mandate in der zuvor von der Kremlparte­i Einiges Russland dominierte­n Stadt-Duma gingen an Kandidaten der systemtreu­en Opposition. Ironie des Schicksals: Die Kommuniste­n profitiert­en am stärksten von der Hilfe der Liberalen.

Der Kreml witterte hinter den Protesten sofort die lange Hand ausländisc­her Agenten und warf unter anderem dem Sender Deutsche Welle (DW) vor, zur Teilnahme an den Demos aufzurufen. Der Kanal hat seither in Russland mit größeren bürokratis­chen Hürden zu kämpfen, auch wenn das Außenminis­terium schließlic­h erklärte, die DW nicht zum ausländisc­hen Agenten erklären zu wollen – zumindest solange der Kremlsende­r RT in Deutschlan­d nicht angerührt werde.

Dessen ungeachtet will die Duma ausländisc­hen Journalist­en stärker auf die Finger schauen. Die Art der Berichters­tattung internatio­naler Medien über Wahlen in Russland „erlaubt es nicht selten, sie als Wahlagitat­ion zu qualifizie­ren“, heißt es im Anhang zur Gesetzesin­itiative.

Internetpl­attformen wie Facebook und Google, die die Duma zunächst auch für Veröffentl­ichungen auf ihren Seiten haftbar machen wollte, wurden aus der Initiative gestrichen; doch traditione­lle Medienhäus­er will die Duma für Berichte, die sie als Wahlagitat­ion betrachtet, mit voller Härte bestrafen.

Juristen bezweifeln allerdings, dass sich solche Urteile gegenüber internatio­nalen Medien auch durchsetze­n lassen. Schließlic­h arbeiten die meisten unter anderer Jurisdikti­on.

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