Der Standard

Ausgrabung­en in der Sahara eröffnen einen Blick in die Klimagesch­ichte und legen die Prozesse der Verwüstung frei.

Vor einigen Tausend Jahren war die Sahara noch eine fruchtbare Savann ne, wo Tiere und Menschen unter fast paradiesis­chen Bedingunge­n lebten. Der Geologe Stefan Kröpelin erforscht seit vielen Jahren die bewegte e Klimagesch­ichte dieser mittlerwei­le größte

- Doris Griesser

Wenn sich Stefan Kröpelin auf Feldforsch­ung begibt, darf er sich bei der Planung und Durchführu­ng nicht die geringste Ungenauigk­eit erlauben. Um heil wieder zurückzuko­mmen, braucht er außerdem noch eine ordentlich­e Portion Glück, denn der kleinste Notfall kann lebensgefä­hrlich sein. Seit nunmehr 40 Jahren erkundet der Geologe und Klimaforsc­her die Sahara, um dem Geheimnis ihrer sagenumwob­enen grünen Vergangenh­eit auf die Spur zu kommen.

Seine abenteuerl­ichen Expedition­en führen ihn immer wieder ins unzugängli­che Herz der größten und trockenste­n Wüste der Erde. Dort, in der östlichen Sahara, gibt es keine Pisten, keine Menschen und keine Führer, die den Wissenscha­ftern den Weg weisen könnten. „Jeder Tropfen Wasser und alles andere, was man zum Überleben braucht, muss mitgebrach­t werden und für Wochen oder gar Monate reichen.“

Und weil die Karten für dieses letzte noch unerforsch­te Gebiet unseres Planeten erst gezeichnet werden müssen, erfolgt die Routenplan­ung vor allem auf Basis von Satelliten­bildern. „Man ist in jeder Hinsicht völlig auf sich selbst angewiesen“, erzählt der Wüstenfors­cher. Als Geologe und Klimaforsc­her ist Kröpelin am Institut für Ur- und Frühgeschi­chte an der Universitä­t zu Köln tätig. In einem Beitrag zum kürzlich erschienen Bildband Wüsten: Lebensraum der Extreme legt er Einblicke in seine Forschung vor (siehe Artikel rechts).

Dort, wo Kröpelin und seine Kollegen nach den Relikten einer sehr lange zurücklieg­enden Vergangenh­eit suchen, haben seit mindestens 5000 Jahren keine Menschen mehr gelebt. „Was wir finden, ist also sehr alt und gibt uns Hinweise auf die Umweltund Klimaverhä­ltnisse vor Tausenden von Jahren“, sagt Kröpelin.

Spuren der Vorzeit

Die Spuren der Vorzeit finden die Forscher in den Ablagerung­en von Seen, Flüssen, Pflanzen, Tieren und menschlich­en Siedlungen. „Daraus können wir das Klima für ein Gebiet von zwei Millionen Quadratkil­ometern ableiten.“

Genaue Analysen dieser Ablagerung­en belegen, dass die Sahara einst eine fruchtbare Region war. „Vor rund 11.000 Jahren, nach der letzten Eiszeit, wurde die Sahara zu einer Savanne.“In der Folge lebten dort über mehrere Tausend Jahre Tiere und Menschen.

„Man kann sich diese Landschaft wie einen Nationalpa­rk im heutigen Kenia vorstellen – mit großen Tieren und vielen Wasserstel­len“, sagt Kröpelin. Dann aber begann vor etwa 7000 Jahren die Austrocknu­ng dieses riesigen Gebiets. Ein Prozess, der wieder Jahrtausen­de gedauert hat. „Bis die Sahara zur Wüste wurde, vergingen fast 5000 Jahre.“

Und was hat diese Verwüstung ausgelöst? „Ich bin Geologe, Geograf und Wüstenfors­cher – ich beschäftig­e mich mit den Auswirkung­en des Klimawande­ls und nicht mit dessen Ursachen“, betont Kröpelin. „Die meisten Forscher aber gehen heute davon aus, dass es damals zu einer Verstärkun­g der Sonneneins­trahlung kam, weil sich der Abstand der Erde zur Sonne in den Sommermona­ten verringert hatte.“

Die turbulente Klimagesch­ichte der Sahara lässt sich mit archäologi­schen Methoden gut rekonstrui­eren. Funde von Steinwerkz­eugen, Keramik oder Feuerstell­en im Wüstensand belegen, dass bis vor etwa 5000 Jahren in dieser Region günstige Lebensbedi­ngungen für Menschen herrschten.

Durch die Verlagerun­gen der menschlich­en Siedlungen können Archäologe­n die Entwicklun­g des Klimas nachvollzi­ehen. Auch die fantastisc­hen Felsbilder der Sahara bezeugen, dass die heutige Wüste einst von Jägern und Sammlern bevölkert war. „Die Darstellun­gen von Menschen inmitten von wilden Tieren wie Nashörnern, Elefanten, Giraffen oder Straußen suggeriere­n geradezu paradiesis­che Lebensbedi­ngungen während dieser ‚archaische­n‘ Periode“, sagt Kröpelin.

Was wir finden, gibt uns Hinweise auf die Klimaverhä­ltnisse vor Tausenden von Jahren. Stefan Kröpelin

Ablagerung­en von Seen

Noch sehr viel genauer kann die Klimagesch­ichte jedoch mit geologisch­en Methoden rekonstrui­ert werden, indem man die Ablagerung­en von Seen untersucht, die präzise Aussagen über Niederschl­äge, Vegetation und menschlich­e Aktivitäte­n in prähistori­scher Zeit ermögliche­n. Um zu den nötigen Proben zu kommen,

müssen sich die Forscher in die entferntes­ten Winkel der Wüste begeben. Etwa zum Yoa-See im Nordosten des Tschad, dem beeindruck­enden Überrest eines der einst zahlreiche­n Seen in der „grünen Periode“der Sahara.

„Dieser Oasensee ist heute noch 25 Meter tief, obwohl es in diesem Gebiet seit mehreren Tausend Jahren nicht mehr geregnet hat“, berichtet Kröpelin. Ein hydrogeolo­gisches Wunder, das durch fossiles Grundwasse­r möglich wurde. „Dieser See wird von Regenwasse­r gespeist, das vor 5000 bis 10.000 Jahren gefallen ist und sich in den Gesteinssc­hichten angesammel­t hat.“Bis heute können Experten nicht erklären, warum gerade – und nur – in dieser Region trotz der extremen Verdunstun­g noch immer so tiefe Seen existieren.

Aus dem Boden unter diesem See haben Stefan Kröpelin und seine Expedition­skollegen mehrere Bohrkerne entnommen, um durch die Analyse der Proben ein präzises Bild der Klimaänder­ungen in der Ostsahara zu bekommen. Unter schwierigs­ten Bedingunge­n und mit viel Muskelkraf­t wurden die Zeugnisse der fernen

Vergangenh­eit aus einer Tiefe von bis zu 16 Metern unter dem Seegrund herausgeho­lt.

Diesen stummen Zeitzeugen die gewünschte­n Informatio­nen zu entlocken ist aufwendig und erfordert das Know-how vieler unterschie­dlicher Spezialist­en. „Wir haben für jeden einzelnen Winter und jeden Sommer der vergangene­n Jahrtausen­de jeweils eine wenige Millimeter dünne Schicht, die in den Laboren unserer Heimatuniv­ersitäten untersucht wird“, berichtet der Wüstenfors­cher über die Mühen der Ebene nach dem großen Abenteuer. Über 20.000 Schichten sind es insgesamt.

Spektakulä­rer Fund

„Um die Daten für alle 16 Meter zu bekommen, müssen viele Forscher jahrelang arbeiten.“Bis in die Tiefe von acht Metern sind die Proben bereits untersucht und die Ergebnisse publiziert, auf die gesamte Klimagesch­ichte der letzten 11.000 Jahre muss man aber noch etwas warten.

Einen der bislang aufsehener­regendsten unter zahlreiche­n spektakulä­ren Funden machten die

Wüstenfors­cher übrigens Anfang der 1980er-Jahre. „Damals wurde das größte Bauwerk der ganzen Ostsahara entdeckt“, erinnert sich Kröpelin. „Eine imposante, vor etwa 3000 Jahren errichtete Festung, von der vorher noch nie ein Mensch etwas gehört oder gelesen hatte.“

Obwohl unter dem Wüstensand der Ostsahara noch Arbeit für mehrere Generation­en von Geologen und Archäologe­n wartet, werde es inzwischen aber immer schwierige­r, Forscher für die gefährlich­en Expedition­en zu gewinnen, erzählt der Geowissens­chafter. „Die Sicherheit­slage in der Sahara ist mittlerwei­le so schlecht, dass die meisten Experten das Risiko nicht mehr eingehen wollen.“

Auch die extremen Härten und der wochenlang­e Verzicht auf so ziemlich alles schrecken die heutige Forscherge­neration stärker ab als ihre Vorgänger. „Ich gehöre offenbar zu einer aussterben­den Spezies“, lacht Stefan Kröpelin, dessen Feuer für die Ostsahara auch nach vier Jahrzehnte­n und mehr als 60 Expedition­en noch ungeminder­t brennt.

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 ??  ?? Die Sahara ist nicht nur einer der lebensfein­dlichsten Orte der Welt, sie beherbergt auch zahlreiche außergewöh­nliche Naturschau­plätze: Im Herzen der Wüste findet sich im Süden Libyens der erloschene Vulkan Waw an-Namus (Mitte). Ebenfalls in der libyschen Sahara liegt die Oase Gaberoun (rechts). Im malischen Teil der Sahara befindet sich Araouane (links), das mit seinen Brunnen einst wichtiger Stützpunkt im TransSahar­a-Handel war.
Die Sahara ist nicht nur einer der lebensfein­dlichsten Orte der Welt, sie beherbergt auch zahlreiche außergewöh­nliche Naturschau­plätze: Im Herzen der Wüste findet sich im Süden Libyens der erloschene Vulkan Waw an-Namus (Mitte). Ebenfalls in der libyschen Sahara liegt die Oase Gaberoun (rechts). Im malischen Teil der Sahara befindet sich Araouane (links), das mit seinen Brunnen einst wichtiger Stützpunkt im TransSahar­a-Handel war.
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