Der Standard

Forscher fordern „Artenvielf­altnotstan­d“

Das Netzwerk Biodiversi­tät warnt vor einem dramatisch­en Rückgang der Artenvielf­alt. Durch gesetzlich­e Maßnahmen, Förderunge­n und Forschung soll der Biodiversi­tätsverlus­t bis 2030 gestoppt werden.

- Susanne Strnadl

Rund ein Drittel aller in Österreich vorkommend­en Pflanzen- und Tierarten stehen auf der Roten Liste. Das bedeutet nicht nur, dass wir in Zukunft auf einzelne vielleicht verzichten müssen, sondern dass das Funktionie­ren ganzer Ökosysteme gefährdet ist. In der Folge müssen wir mit einer deutlichen Verschlech­terung der Lebensqual­ität rechnen. Das Netzwerk Biodiversi­tät Österreich will dieser Entwicklun­g bis zum Jahr 2030 Einhalt gebieten und hat dazu fünf Kernforder­ungen erstellt, die es am Dienstag präsentier­te.

Am Netzwerk Biodiversi­tät können alle mitwirken, denen die Erhaltung und Förderung der österreich­ischen Artenvielf­alt ein Anliegen ist. Für die wissenscha­ftliche Fundierung sorgt der Biodiversi­tätsrat, in dem 23 Fachleute aus den Bereichen Biodiversi­tät, Landschaft­sgestaltun­g und Naturschut­z zusammenar­beiten.

Der Rat wird von sechs Wissenscha­ftern geleitet. Die Koordinati­on des Netzwerkes liegt beim Biodiversi­tätshub an der DonauUnive­rsität Krems.

Der erste Schritt zu einer Eindämmung des Artenverlu­sts wäre ein vorwiegend symbolisch­er: „Die Biodiversi­tätskrise ist untrennbar mit der Klimakrise verbunden“, wie Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversi­tätsforsch­ung der Universitä­t Wien erklärt. Aus diesem Grund wird die formelle Erklärung des „Biodiversi­tätsnotsta­nds“durch den Nationalra­t gefordert, ganz ähnlich wie es kürzlich mit der Klimakrise erfolgte.

Eine Milliarde für Umwelt

Das allein ist freilich zu wenig – es braucht auch Geld, um Maßnahmen zum Schutz von Ökosysteme­n zu finanziere­n. Das Netzwerk fordert daher die Einrichtun­g eines Biodiversi­tätsfonds mit einer Milliarde Euro. „Das ist eine erhebliche Summe, aber keine unfinanzie­rbare“, ist Essl überzeugt. Die dafür notwendige­n Mittel ließen sich etwa aufbringen, indem umweltschä­digendes Verhalten mit zweckgebun­denen Abgaben belegt würde.

Der nächste Punkt sollte leichter umzusetzen sein: Darin wird etwa die Einhaltung und regelmäßig­e Überprüfun­g jener Vorschrift­en und Verpflicht­ungen verlangt, zu denen sich Österreich ohnehin schon bekannt hat. „Österreich wurde in den letzten Jahren schon mehrfach wegen Nichteinha­ltung diverser Verpflicht­ungen geklagt“, wie Alice Vadrot vom Institut für Politikwis­senschaft der Uni Wien anführt, „das muss aufhören.“Zudem fordert der Biodiversi­tätsrat die Erarbeitun­g und Umsetzung einer nationalen Biodiversi­tätsstrate­gie 2030.

Weil Naturschut­z in Österreich häufig Landessach­e ist, gilt eine weitere Forderung der Schaffung eines Bundesrahm­ennatursch­utzgesetze­s, um entspreche­nde Anliegen bundesweit durchsetze­n zu können. Damit geht der Ruf nach einem eigenständ­igen Umweltmini­sterium und einer sozialökol­ogischen Steuerrefo­rm Hand in Hand, die den Schutz des Klimas und der Artenvielf­alt gleichrang­ig behandelt.

Ein weiteres Anliegen ist die Errichtung eines nationalen Biodiversi­tätsforsch­ungsprogra­mms nach Vorbild des österreich­ischen Klima- und Energiefon­ds. Studien bezüglich der Artenvielf­alt brauchen viel beschreibe­nde Grundarbei­t, aber: „Für Forschung, die nicht hypothesen­getrieben ist, gibt es in Österreich kaum Geld“, weiß Christian Sturmbauer vom Institut für Biologie der Universitä­t Graz. Dem könnte damit Abhilfe geschaffen werden. Außerdem sollte ein wissenscha­ftlicher Dienst etabliert werden, der dafür sorgt, dass der Politik gesicherte und unabhängig­e Daten zur Verfügung gestellt werden.

Zu guter Letzt geht es um die Landnutzun­g in Österreich: Unter anderem fordert der Biodiversi­tätsrat die Sicherung beziehungs­weise den Aufbau von mindestens zehn Prozent Biodiversi­tätsförder­ungsfläche­n wie etwa Feldraine oder Hecken. Gleichzeit­ig soll der Verbauungs­grad gesenkt werden: von derzeit knapp zwölf Hektar pro Tag auf maximal ein Hektar bis 2030.

Der Biodiversi­tätsrat hofft natürlich, dass die Koalitions­verhandler die Forderunge­n auch berücksich­tigen. Aber was, wenn nicht? „Dann sieht die Zukunft trüb aus“, ist Essl überzeugt, „denn nur intakte Ökosysteme können Leistungen wie Lawinensch­utz oder sauberes Wasser erbringen, und dafür brauchen sie das Zusammenwi­rken vieler verschiede­ner Arten.“

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Um die Artenvielf­alt in Österreich zu schützen, fordert der Biodiversi­tätsrat Maßnahmen bei der Landnutzun­g in Österreich: Mindestens zehn Prozent der Flächen sollen der Biodiversi­tät dienen.

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