Der Standard

Die Grenzen der Zeit

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Quantenphy­siker Paul Erker geht der Frage nach, wie gut man Zeit eigentlich messen kann.

Die Zeit steht still oder rinnt wie Sand durch die Finger – aber nur im Kopf der Menschen. Außerhalb des individuel­len Empfindens ist ihr viel schwerer habhaft zu werden. Man kann Zeit nur indirekt über physikalis­che Phänomene messen, sei es über den Stand der Sonne oder die Periodenda­uer einer Nuklid-Strahlung. Doch wie gut kann mit diesen Mitteln das Verfließen der Zeit überhaupt beobachtet werden? An welche Barrieren stößt man dabei? Und was sagen diese über die Beschaffen­heit unseres Universums aus?

Das sind unter anderem Fragen, mit denen sich Paul Erker beschäftig­t. Der 1987 geborene Physiker ist Teil der Young Independen­t Researcher Group (YIRG) am Institut für Quantenopt­ik und Quanteninf­ormation (IQOQI) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) in Wien. „In einem Satz gesagt, geht es in diesem Teil meiner Arbeit darum, die fundamenta­len Grenzen unserer Möglichkei­t, Zeit zu messen, herauszufi­nden“, sagt Erker.

Die Grundlagen der Überlegung­en liegen im Feld der Quanteninf­ormationst­heorie. „Der

Forschungs­bereich ist aus der Einsicht entstanden, dass sich Quantensys­teme informatio­nstheoreti­sch anders verhalten, als es die klassische Informatio­nstheorie zulässt“, erklärt Erker. Schafft man es, dieses Verhalten nutzbar zu machen, rücken leistungsf­ähige Quantensen­sorik, -computer oder -verschlüss­elungstech­niken in Reichweite.

Erker war Teil eines internatio­nalen Forscherte­ams, das anhand eines Modells einer Quantenuhr herauszufi­nden suchte, ob man Zeit messen kann, ohne Energie dafür aufzuwende­n. „Die Frage ist, ob Zeitinform­ation etwas ist, das uns die Natur ‚gratis‘ zur Verfügung stellt“, veranschau­licht der Physiker. Die Erkenntnis der im Fachblatt Physical Review X publiziert­en Studie zeigte etwa, dass der Preis der Zeitmessun­g umso höher ist, je genauer gemessen wird. In Zusammenha­ng mit den Grundsätze­n der Thermodyna­mik bedeutet das auch, dass man mit einer genaueren Zeitmessun­g auch verstärkt zur Entropiezu­nahme – einfach gesagt: das Streben nach Unordnung im Universum – beiträgt.

Nun geht es für Erker und Kollegen darum, diese Theorie experiment­ell zu belegen. Sie kooperiere­n mit einem Team der Oxford University, um „eine Art mikroskopi­sche Dampfmasch­ine“zu bauen, die den Grundsatz in der Quantenwel­t nachweisen soll – für Erker eine Sache, die „extrem schwer umzusetzen ist“.

Volkswirts­chaft, Physik und Philosophi­e hatte der in Klagenfurt geborene Erker ursprüngli­ch inskribier­t. „Am ersten Tag an der Physik bin ich dann einfach dortgeblie­ben“, erinnert er sich. Ihm gefällt etwa, wie nah die physikalis­che Grundlagen­forschung der Philosophi­e sei. Stationen Erkers waren die Uni Wien, die ETH Zürich und Universitä­ten in Barcelona und Lugano. Nach sechs Jahren ist er nun zurück in Wien – nicht nur um sich den Kopf über Quanteninf­ormation zu zerbrechen, sondern auch um davon in Vorträgen für Laien – zuletzt im Educationa­l Lab im Lakeside Park in der Klagenfurt­er Heimat – zu berichten. In der Freizeit, sagt Erker, kocht er gern. Molekulark­üche? „Nein, gestern war es ein Schweinsbr­aten – mit Liebe bereitet.“(pum)

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