Der Standard

Harsche Kritik an italienisc­her „Wir sind alle Affen“-Kampagne

Im italienisc­hen Fußball sorgt eine Antirassis­muskampagn­e für Empörung. Der verantwort­lich zeichnende Maler wollte drei Affen „als Metapher für den Menschen“verstanden wissen. Profis, Klubs und Experten üben Kritik.

- Fritz Neumann

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut. So lassen sich viele Reaktionen auf eine Antirassis­muskampagn­e im italienisc­hen Fußball zusammenfa­ssen. Die Serie A hatte den Mailänder Maler Simone Fugazzotto (36) engagiert, der Kunstwerke mit Affenportr­äts ins Zentrum der Kampagne rückte. Ausgerechn­et Affen. „Eine Hauptform des Rassismus in italienisc­hen Stadien sind Affenlaute, ist die Enthumanis­ierung von Spielern“, sagt Kurt Wachter, der von „völlig falscher Symbolik“und „Verhöhnung von Rassismuso­pfern“spricht.

Wachter hat 1999 das Netzwerk FARE (Football Against Rassism in Europe) gegründet, er arbeitet am VIDC (Vienna Institute for Internatio­nal Dialogue and Cooperatio­n). Der Experte kann sich nicht vorstellen, dass die Serie A auch nur eine Kollegin oder einen Kollegen hinzugezog­en hat, bevor die Kampagne lanciert wurde. Dem Künstler, der Affen seit Jahren in den Mittelpunk­t seines Schaffens stellt, will er den guten Willen nicht absprechen. „Aber die Kampagne kommt völlig verstörend daher, man sollte sie schnellste­ns beenden.“

Da sieht sich Wachter auf einer Linie mit vielen aktiven und auch ehemaligen Profis. Die englische Teamspiele­rin Anita Asante twitterte: „Wie viele Leute haben sich das angesehen und abgesegnet?“Nach einer Häufung von Rassismusv­orfällen im italienisc­hen Fußball hatten sich die Serie-AKlubs vor drei Wochen zu einer Kooperatio­n entschloss­en, um das „ernstzuneh­menden Problem“in den Griff zu kriegen. Über das Resultat zeigt sich etwa die AS Roma in einem Statement „sehr überrascht. Wir verstehen, dass die Liga Rassismus bekämpfen will. Aber wir glauben nicht, dass das der richtige Weg ist.“

Ligachef Luigi de Siervo wehrt sich gegen die Kritik. „Simones Gemälde spiegeln die Werte von Fair Play und Toleranz voll und ganz wider“, meint er. Die drei Gemälde sollen laut De Siervo „in unserem Hauptquart­ier bleiben“. Fugazzotto selbst will, so zitierte ihn der Guardian, die Affen „als Metapher für den Menschen“verstanden wissen. „Ursprüngli­ch sind wir alle Affen. Deshalb habe ich einen westlichen Affen, einen asiatische­n Affen und einen schwarzen Affen gemalt.“

Fugazzotto sagt, er sei „wütend geworden“, als Napolis Senegalese Kalidou Koulibaly in der vergangene­n Saison von Inter-Fans mit Affenlaute­n bedacht worden war. Seine Überlegung: „Wieso nicht damit aufhören, das Wort Affe im Fußball zu zensuriere­n? Wieso nicht stattdesse­n den Spieß umdrehen und betonen, dass wir letztlich alle Affen sind?“

Weil, weil, weil, weil, weil, sagt Kurt Wachter. Gerade beim Thema Rassismus brauche es „eine klare und sehr präzise Kommunikat­ion“und keine, „die Verwirrung und Unverständ­nis stiftet“. Die Kampagne hält er demnach „auch aus PR-Sicht für ganz und gar misslungen“. Laut Wachter waren es rassistisc­he Vorfälle insbesonde­re im italienisc­hen, im spanischen und im polnischen Fußball, die das Netzwerk FARE vor zwanzig Jahren an den Start gehen ließen. Was Italien angeht, sei die Lage dieser Tage „fast so schlimm wie damals“.

In Spanien wiederum hat am Sonntag der Abbruch eines Zweitligas­piels für Schlagzeil­en gesorgt, nachdem linksgeric­htete Fans von Rayo Vallecano den Ukrainer Roman Sosulja von Gegner Albacete wiederholt als Nazi geschmäht hatten. Sosulja sollte 2017 von Betis Sevilla zu Rayo transferie­rt werden, schon damals gab es Fanprotest­e, woraufhin der Klub von einer Verpflicht­ung Abstand nahm.

Hintergrun­d sind nicht zuletzt Fotos, auf denen sich Sosulja mit einschlägi­gen Zahlencode­s abbilden ließ (88 etc.). Wachter hat „bis zu einem gewissen Grad Verständni­s“für die Rayo-Fans. Der Abbruch aus diesem Grund sei „kein gutes Signal“. Schließlic­h hätte es in Fällen von Rassismus und Homophobie längst schon Spielabbrü­che geben müssen.

 ??  ?? Affenportr­äts im Ligabüro in Mailand. „Wieso nicht betonen, dass wir letztlich alle Affen sind?“Doch der Schuss des Künstlers Simone Fugazzotto ist nach hinten losgegange­n.
Affenportr­äts im Ligabüro in Mailand. „Wieso nicht betonen, dass wir letztlich alle Affen sind?“Doch der Schuss des Künstlers Simone Fugazzotto ist nach hinten losgegange­n.

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