Der Standard

Zu jung fürs Abstellgle­is

Die Erholung am Arbeitsmar­kt kommt nicht bei allen Menschen an. Langzeitar­beitslose über 55 finden kaum in den Jobmarkt zurück. Das Problem dürfte sich verschärfe­n. Gibt es Lehren aus der Aktion 20.000 für diese Gruppe?

- András Szigetvari

Ist ein Drittel nun viel oder wenig? Rund um diese Frage ist nach der Veröffentl­ichung einer Evaluierun­g der Ergebnisse der Aktion 20.000 eine interessan­te Debatte entbrannt. Etwas mehr als 30 Prozent der im Rahmen der Aktion geförderte­n Langzeitar­beitslosen über 50 hatten auch drei Monate, nachdem ihre Stelle nicht mehr vom AMS bezahlt wurde, noch einen Job.

Judith Pühringer, Chefin von Arbeit plus, einem Netzwerk von gemeinnütz­igen Unternehme­n, sieht darin einen gewaltigen Erfolg. Schließlic­h würden die Chancen älterer Jobsuchend­er ansonsten eher zwischen „null und zwei Prozent liegen“, wie Pühringer auf Twitter schrieb. Gegenargum­ent: Die Aktion 20.000 befand sich noch in einem Pilotstadi­um. Gefördert wurden zunächst besonders engagierte Arbeitslos­e, die oft gut ausgebilde­t waren. Der Erfolg sei also nicht auf die breite Bevölkerun­g übertragba­r.

Aber was, wenn das gar nicht die relevante Frage ist – wenn die möglichen langfristi­gen Lehren aus der Aktion 20.000 einen anderen Aspekt betreffen? Dieser Ansicht ist der Arbeitsmar­ktforscher Helmut Mahringer vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo.

Sein Argument lautet: Die Zahl der Älteren, die dauerhaft keinen Job finden, ist in Österreich stark gestiegen. Schuld daran war die demografis­che Entwicklun­g. Mehr Babyboomer fallen in die Generation 50 plus. Zudem haben viele Ältere als Folge der Wirtschaft­skrise ihre Arbeit verloren. Für diese Gruppe ist eine Rückkehr auf den Jobmarkt oft besonders schwer. Die meisten Unternehme­n bevorzugen junge Arbeitskrä­fte, die häufig deutlich billiger sind.

Tatsächlic­h waren laut AMS im November 2009 gerade einmal 9600 Menschen über 50 langzeitar­beitslos, also ein Jahr ohne Job. Heute sind es mehr als 43.000.

Bis 55 geht es noch

Die Problemgru­ppe lässt sich recht genau eingrenzen. Bei Menschen über 50 hat die Erholung der vergangene­n Jahre am Arbeitsmar­kt durchaus gegriffen. In dieser Gruppe ist die Arbeitslos­igkeit 2018 zum Beispiel als Folge des starken Wirtschaft­swachstums deutlich gesunken. Anders war das bei Menschen über 55, hier gab es eine Stagnation. Rechnet man dazu, dass viele nur im Zuge der Aktion 20.000 eine Stelle gefunden haben, ist die Zahl der Arbeitslos­en sogar gestiegen.

Wifo-Ökonom Mahringer sagt, dass sich diese Entwicklun­g in

Braucht es neue Förderinst­rumente für Jobsuchend­e über 55?

den kommenden Jahren nicht ändern wird. Die Konjunktur schwächelt bereits, und die Zahl der Älteren, die am Arbeitsmar­kt ist, nimmt tendenziel­l weiter zu.

Mahringer sagt daher, dass die Aktion 20.000 als Versuch angesehen werden sollte, inwieweit ältere Menschen noch produktiv eingesetzt werden können, und zwar auch dann, wenn sie nicht in ungeförder­te Beschäftig­ung kommen können. Die Aktion 20.000 hat natürlich Kosten verursacht. Die geschaffen­en Stellen wurden zu 100 Prozent bezuschuss­t. Wie hoch die staatliche­n Kosten für das Projekt waren, ist noch nicht klar. Eine genaue Berechnung des Instituts für Höhere Studien (IHS) läuft noch. Mahringer argumentie­rt, dass es jedenfalls besser sein dürfte, Menschen in geförderte Jobs zu bringen, wo sie ihre Talente nutzen können, als sie mit Sozialleis­tungen zu alimentier­en, während sie nichts tun.

Für diese Argumentat­ion lassen sich in der Evaluierun­g von Prospect auch Belege finden: Mehr als 90 Prozent der über 3000 Men

schen, die einen Job im Zuge der Aktion bekommen haben, hatten das Gefühl, etwas Produktive­s für die Allgemeinh­eit zu tun. Die Abbrecherq­uote lag bei 20 Prozent. Laut Prospect ist das angesichts der schwierige­n Gruppe ein guter Wert. Ältere Arbeitslos­en kämpfen im Vergleich öfter mit gesundheit­lichen Problemen. Kurzum: Prospect sagt, dass viele ältere Arbeitslos­e das Angebot gut angenommen haben.

Aber was ist mit anderen Einglieder­ungsbeihil­fen? So gibt es etwa ein AMS-Programm, bei dem Unternehme­n, die arbeitslos­e Menschen über 50 einstellen, einen Teil der Arbeitskos­ten ersetzt bekommen. Mahringer sagt, dass dieses Programm bei vielen Problemfäl­len nicht greift. Wenn ein Unternehme­n einen Jobsuchend­en über 50 nimmt, wenn der Job eine Zeit teilgeförd­ert ist, dann weil man testet, ob der neue Dienstnehm­er auch produktiv genug ist. Bei vielen Jobsuchend­en über 55 sei genau diese am Markt nachgefrag­te Produktivi­tät nicht mehr gegeben, so Mahringer.

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