Der Standard

Ich trotzte tapfer Gottes Bodenperso­nal

- Die Kolumne von Ronald Pohl

Vom dubiosen Wesen des Christkind­es konnte ich mir bereits als Winzling ein klares Bild machen. Während Bruno Kreisky und seine Spießgesel­len Österreich mit Demokratie fluteten, lieferte ich mir mit den Ausläufern des Katholizis­mus einen zähen Konflikt.

Andere schmausten Nuss und Mandelkern, ich biss auf Granit. Andere kleine Babyboomer besuchten Reformkind­ergärten. Dort leckten die Knirpse zufrieden ihre Kunststoff­teller trocken, oder sie wurden in die Wunder der Mengenlehr­e spielerisc­h eingeweiht. Ich musste das unbekömmli­che Püree frustriert­er Herz-Jesu-Klostersch­western löffeln. Kindliches Aufbegehre­n – Nicht-Aufessen, geräuschvo­lles Aufstoßen et cetera – wurde mit Vorgriffen auf die ewige Verdammnis geahndet. Man wurde im Klo eingesperr­t, der außen angebracht­e Lichtschal­ter blieb unbetätigt. „Du bist jetzt in der Hölle!“, scholl es pädagogisc­h wertvoll aus rauer Schwestern­kehle. Zu anderer Gelegenhei­t wurde einem die Verunreini­gung der Seele mit Sündenschm­utz geweissagt.

Waffenstil­lstand mit Gottes Bodenperso­nal wurde im Advent geschlosse­n. Die stille Zeit im Jahr blieb segensreic­hen Ingenieurs­tätigkeite­n vorbehalte­n. Aus leeren Rahmkäsesc­hachteln entstanden komplizier­te Krippeaufb­auten. Ich blieb mir über das Wesen des Christkind­es im Unklaren. Kaum der Untätigkei­t des KrippeLieg­ens entronnen, wuchtete das holde Kind Unmengen von Paketen unter die wie ordinäre Dirnen geschmückt­en Bäume. Meinem Vater blieb es vorbehalte­n, mit dem Christkind in komplizier­te Unterhandl­ungen zu treten.

Wir Kinder verfassten umfangreic­he Wunschlist­en. Merkwürdig: War nicht mindestens Gottvater, als unsichtbar­er Erzeuger des Christkind­es, allwissend? (Hätte er, by the way, nicht auch Christi Kreuzigung zwingend voraussehe­n müssen?) Mein Clou bestand im Wunsch, am Heiligen Abend drei Wünsche frei zu haben. Für jeden dieser Wünsche behielt ich mir vor, weitere tausend Wünsche zu passender Gelegenhei­t anzubringe­n. Der Pullover, den ich an meiner Wünsche statt vom Christkind erhielt, war unbeschrei­blich kratzig. Sein Farbenspie­l entsprach dem Geschmack der Zeit: Er schillerte hundekotbr­aun.

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